Ausblick Krieg in der Ukraine: Was Putin und Selenskyj für 2024 erwarten

Nach einem Raketenangriff der Armee von Wladimir Putin steigt Rauch über der ukrainischen Hauptstadt Kiew auf
Nach einem russischen Raketenangriff steigt Rauch über der ukrainischen Hauptstadt Kiew auf. Mittlerweile dauert der Krieg von Kremlchef Wladimir Putin schon fast zwei Jahre an
 
© Ukrin / DPA
Präsident Wolodymyr Selenskyj und Kremlchef Wladimir Putin haben beide zum Jahresende Pressekonferenzen gegeben, in denen sie neben Rückblicken auch die militärischen Ziele für 2024 verkündeten. Lesen Sie, was demnach im Ukraine-Krieg auf die Welt zukommt.

Trübe Rückblicke

Sowohl der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als auch Russlands Präsident Wladimir Putin hatten nach dem Kriegsjahr 2023 wenig gute Nachrichten für ihre eigenen Staatsbürger und Verbündeten.

Selenskyj hob "einen großen Sieg" des ukrainischen Militärs im Schwarzen Meer hervor, wo Kiew erfolgreiche Angriffe auf russische Kriegsschiffe vermeldete und Seehandelsrouten sichern konnte. Der ukrainische Präsident hielt seine Pressekonferenz vor dem Hintergrund einer großen Flagge der Europäischen Union ab. Die EU-Staaten hatten sich zuvor darauf geeinigt, Beitrittsverhandlungen mit Kiew aufzunehmen.

Putin seinerseits überstand im vergangenen Jahr einen bewaffneten Aufstand der Söldnergruppe Wagner. Er lobte die russische Gesellschaft dafür, dass sie sich hinter die Kriegsanstrengungen Moskaus gestellt habe. Dazu gibt es allerdings auch wenig Alternativen: Der Kreml erließ eine Reihe von Gesetzen, die jegliche Kritik an der Offensive im Nachbarland verbieten.

Ändert sich der Frontverlauf?

Keine der Kriegsparteien hat im vergangenen Jahr erhebliche Fortschritte auf dem Schlachtfeld gemacht. Analysten zufolge fehlen sowohl Russland als auch der Ukraine derzeit die Ressourcen, eine ernsthafte Offensive zu starten.

Die Ukraine bemüht sich seit geraumer Zeit darum, sich ebenso effektiv wie die russischen Streitkräfte entlang der Front zu verschanzen und ist auf dem Ostufer des Flusses Dnipro in russisch kontrolliertes Gebiet vorgedrungen.

Zermürbungskrieg

Die Ukraine hat mittlerweile eingeräumt, dass eine im Sommer gestartete Gegenoffensive aufgrund von Munitionsmangel und fehlender Luftüberlegenheit gescheitert sei. "Wir brauchen Unterstützung, weil wir einfach keine Munition haben", stellte Selenskyj fest, weigerte sich aber, mehr über die Pläne seiner auf Defensive umgestellten Armee für 2024 zu sagen.

Russlands Präsident Putin lobte seinerseits die russischen Truppen dafür, ihre Position entlang einem Großteil der Front "verbessert" zu haben. Beobachtern zufolge erzielten russische Soldaten Geländegewinne in Richtung des Industriezentrums Awdijiwka im Osten des Landes.

Kriegsmüdigkeit im Westen

Putin, dessen Wiederwahl im Frühjahr sicher scheint, setzt auf das Schwinden der westlichen Unterstützung für die Ukraine, die Gegenstand politischer Streitigkeiten in Europa und den USA ist. Seiner Ansicht nach "droht diese Unterstützung zu enden" und "es sieht so aus, als würde sie nach und nach enden".

Selenskyj zeigte sich indes überzeugt, dass die Hilfe anhalten werde und dass die USA sein Land "nicht verraten werden". Er räumte allerdings ein, dass die Präsidentschaftswahlen in den USA, dem wichtigsten Unterstützer der Ukraine, den Kriegsverlauf beeinflussen könnten.

Wiederaufbau der Armeen

Analysten zufolge arbeiten beide Seiten an der Neuaufstellung ihres Militärs. Selenskyj sagte, die Ukraine solle eine Million Drohnen bauen und die inländische Produktion von Waffen und Munition vorantreiben. Eine Forderung der Armee, bis zu 500.000 neue Kräfte für das Militär zu mobilisieren, wies der ukrainische Präsident vorerst zurück.

Putin hat kurz vor der Wahl eine erneute Mobilisierung für das kommende Jahr ausgeschlossen. Ihm zufolge hat Moskau 486.000 Freiwillige im zurückliegenden Jahr rekrutiert. Er versprach zudem, Russlands Verteidigungsfähigkeiten zu stärken.

Keine Verhandlungen

Selenskyj hat Gespräche mit Russland ausgeschlossen, solange Putin an der Macht ist. Zudem wiederholte er sein Ziel, die Kontrolle über alle von Russland besetzten Gebiete, einschließlich der 2014 annektierten Krim, wiederzuerlangen. Aus Moskau habe es ohnehin keine Anfrage zu Gesprächen gegeben. "Ich erkenne in ihrer Rhetorik nur Arroganz und Mord", sagte Selenskyj.

Putin behauptet zwar immer wieder, Moskau sei offen für Verhandlungen, doch die will er nur zu Russlands Bedingungen aufnehmen. Während seiner im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz sagte der Präsident, Frieden könne nur erreicht werden, wenn die Ukraine "entmilitarisiert" und "entnazifiziert" sei.

Wie geht es aus?

Putin gibt offen zu, dass es ihm bei dem Überfall auf Ukraine um die Sammlung historischer russischer Gebiete geht. Beinahe zwei Jahre nach der russischen Invasion und wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl in Russland versprach er erneut, der "Sieg wird unser sein". "Der Frieden wird kommen, wenn wir unsere Ziele erreicht haben", verkündete der Kremlchef, ohne einen Zeitrahmen zu nennen.

Der ukrainische Präsident Selenskyj sagte auf seiner Pressekonferenz, "niemand" wisse, wann die Kämpfe enden würden. Er rief seine Landsleute auf, nicht ihre Widerstandsfähigkeit zu verlieren.

AFP
mad