Seinen Bunker, sprich die Residenz in Nowo-Ogarjowo, verlässt Wladimir Putin höchst ungern. Und doch kommt der Kreml-Chef nicht umhin, sich ab und zu in seinem Riesenreich blicken zu lassen. Schließlich obliegt es ihm hier, für Ordnung zu sorgen und seine Untergebenen an die kurze Leine zu nehmen. Und so überwand sich Putin zu einer kleinen Visite in die Region Archangelsk.
Der hohe Norden Russlands sei "eines der traditionellen und führenden Zentren der einheimischen Holzindustrie", schwärmte Putin. Gemächlichen Schritts wanderte er durch die Hallen des Holzindustriekomplexes von Ustjansk. Früher seien die "hochwertigen Bretter", die hier produziert werden, hauptsächlich in die Länder Westeuropas exportiert worden. Heute orientiere man sich vor allem an östlichen Märkten, erklärte der CEO der betreibenden Unternehmensgruppe, Wladimir Butorin, dem russischen Staatsoberhaupt.
"Wir kaufen Zapfen ein, füllen sie hier hinein und sortieren sie", führte er Putin den Produktionsprozess vor, während der Kreml-Chef die Zapfen tätschelte.
Butorin braucht Europa nicht, aber staatliche Hilfen
Der größte Abnehmer sei China, nahm Butorin später den Faden wieder auf. "In diesem Jahr habe ich mich davon überzeugt, dass wir wunderbar ohne Europa zurechtkommen", leierte er vor laufenden Fernsehkameras das vorgegebene Kreml-Mantra herunter. Nur um wenig später Putin um Hilfe zu bitten.
Die gesamte Holzindustrie Russlands und insbesondere die Unternehmen im Nordwesten des Landes würden sich aufgrund von Sanktionen mit Schwierigkeiten konfrontiert sehen, gestand er ein. "Wir brauchen dringend staatliche Hilfe. Die russische Regierung hat bereits viel getan, um die Forstindustrie zu unterstützen. Und die Unterstützungsmaßnahmen, die heute umgesetzt werden, sind eine große Hilfe für uns", sagte Butorin. Doch weitere Maßnahmen seien erforderlich.
Es geht vor allem um Transportsubventionen. Bislang gewährt die russische Regierung jedem Unternehmen der Holzindustrie bis zu 500 Millionen Rubel an Transportsubvention. Nach aktuellem Kurs sind es fast 6,4 Millionen Euro. Diese Hilfe soll fortgeführt werden, sicherte Putin zu. "Das Wichtigste ist die Stabilität der Bedingungen. Also müssen wir die Unterstützungsparameter beibehalten, vielleicht irgendwo erhöhen. Zumindest muss den Kollegen, die in dieser Branche arbeiten, garantiert werden, dass diese Unterstützungsmaßnahme (Transportsubvention) für mindestens drei Jahre fortgeführt wird", so der Kreml-Chef.
Wladimir Putin und die Zapfen
Während die russischen Staatsmedien sich nicht die Mühe machten, den Widerspruch zwischen einer angeblich florierenden Holzindustrie und den notwendigen staatlichen Hilfen aufzulösen, rückte ein anderes Detail in den Fokus der Zuschauer: die Zapfen, die Putin liebevoll tätschelte.
In den sozialen Netzwerken verbreitet sich die Sequenz wie ein Lauffeuer und sorgt für belustigte Kommentare. "Es würde mich nicht überraschen, wenn der alte Senile den Zapfen etwas von der Nato-Erweiterung, den Nazis in der Ukraine und tödlichen Bio-Mücken erzählte", schrieb ein Nutzer auf Twitter.
"Putin und Zapfen. Was geschieht hier? Sind es Waffen?", fragte ein anderer User sarkastisch. Ein weiterer Kommentar fasst die Absurdität des Geschehens aus russischer Sicht zusammen: "Hunderte russischer Soldaten sterben derzeit in der Ukraine. Der Oberbefehlshaber der russischen Armee Putin untersucht währenddessen unter der Aufsicht von Wachleuten Zapfen."
Mercedes statt Lada
Aber es sind nicht nur Putins Zapfen, die den Russen übel aufstoßen. Zu seiner Visite reiste Putin wie immer mit einem großen Gefolge an. Zwölf Autos mit getönten Scheiben rollten plötzlich durch die russische Einöde. Alles ausnahmslos Marken aus dem Westen, die Putin ja längst im ganzen Land ersetzt haben wollte: Mercedes, Volkswagen, Toyota.
"Wo ist Putins gelbe Lada Kalina geblieben?", fragen sich die Anwohner angesichts der "Nato-Karossen". 2010 hatte Putin mit dem Auto des russischen Herstellers AwtoWAS eine Spritztour durch diese Gegend gemacht.

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