Altkanzler im Interview Gerhard Schröder: "Der Kreml will eine Verhandlungslösung"

Von Nikolaus Blume und Gregor Peter Schmitz
Altkanzler Gerhard Schröder
Altkanzler Gerhard Schröder im exklusiven Interview mit dem stern und RTL/ntv: "Es wird nicht ohne Gespräche gehen"
© Kay Nietfeld / DPA
In einem exklusiven Gespräch mit dem stern und RTL/ntv hat Altkanzler Gerhard Schröder bestätigt, dass er in der vergangenen Woche den russischen Präsidenten in Moskau getroffen hat. Dieser sei offen für eine Verhandlungslösung mit der Ukraine.

Schröder hat Putin getroffen. Der Altkanzler bestätigte dem stern und RTL/ntv in einem Gespräch, vorige Woche erneut den russischen Präsidenten in Moskau getroffen zu haben. Schröder sagte: "Natürlich haben Deutschland und die Bundesregierung eine besondere Verantwortung, gerade auch gemeinsam mit Frankreich. Da geschieht derzeit nicht genug, ist mein Eindruck, denn eines ist doch klar: Es wird nicht ohne Gespräche gehen. Und mal ganz generell: Ich will niemandem in der Regierung den Vermittlungsjob wegnehmen. Aber warum sollte ich mit Gesprächen, die rechtlich möglich sind und mich und meine Familie nicht in Schwierigkeiten bringen, aufhören?" 

Das gesamte Gespräch mit Altkanzler Gerhard Schröder können Sie hier lesen:

Schröder sagte als Fazit seiner Gespräche: "Die gute Nachricht heißt: Der Kreml will eine Verhandlungslösung. Es gab ja schon einen Verhandlungsansatz im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland, etwa in Istanbul im März. Die Türken waren sehr hilfreich, wie sie auch in der Verhandlung über Getreidelieferungen aktuell sehr hilfreich sind. Ein erster Erfolg ist das Getreide­abkommen, vielleicht kann man das langsam zu einem Waffenstillstand ausbauen." 

Altkanzler Gerhard Schröder: "Was ich skizziert habe, wäre eine Möglichkeit, den Konflikt zu beenden"

Schröder bezeichnete den Krieg erneut als "Fehler der russischen Regierung", fügte jedoch hinzu: "Wenn Sie sich mal die Probleme anschauen, die wirklich relevant sind, so sind sie lösbar. Erstens die Krim: Die Vorstellung, dass der ukrainische Präsident Selenskyj die Krim militärisch wieder zurückerobert, ist doch abwegig. Bis auf die tatarische Minderheit ist diese Region russisch, der ehemalige sowjetische Staats- und Parteiführer Nikita Chruschtschow hat sie an die Ukraine gegeben, die damals Teil der UdSSR war. Er ging wohl davon aus, dass die Sowjetunion so lange wie die katholische Kirche besteht, das war zum Glück nicht so. Das könnte man über die Zeitschiene lösen, vielleicht nicht über 99 Jahre, wie in Hongkong, aber in der nächsten Generation. Zweitens die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine – wer hat das denn zum Glück verhindert, beim Nato-Gipfel 2008? Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier. Das war eine kluge Entscheidung, und selbst Herr Selenskyj hat gesagt, dass es eine Alternative gebe, etwa eine bewaffnete Neutralität für die Ukraine, ohne Nato- Mitgliedschaft, wie Österreich. Der Donbas ist komplizierter. Im Minsker Abkommen ist vereinbart: Der Donbas muss im Staatsverbund der Ukraine bleiben, aber zugleich gibt es größere Rechte für die russische Minderheit. Aber die Ukrainer haben die Zweisprachigkeit im Donbas sogar abgeschafft. Dazu wird man eine Lösung nach dem Schweizer Kantonsmodell finden müssen."

Schröder sagte weiter: "Die eigentliche Frage muss doch lauten: Will man den Konflikt überhaupt lösen? Dann muss es Zugeständnisse auf beiden Seiten geben. Und es ist ein großer Fehler, mögliche Zugeständnisse der Ukraine als russischen 'Diktatfrieden' vorab zu verunglimpfen .... Was ich skizziert habe, wäre eine Möglichkeit, den Konflikt zu beenden. Aber das können Sie ja als Privatperson nicht tun, selbst wenn Sie die eine oder andere Möglichkeit haben, ein paar Gedanken mit den handelnden Personen zu teilen. Deswegen fand ich gut, dass der türkische Präsident Erdoğan eine Vermittlung versucht hat. Aber ohne ein Ja aus Washington wird es nicht gehen." 

Der Altkanzler führte aus: "Mein Eindruck ist: Es gibt in Russland wirkliche Einkreisungsängste, die aus der Geschichte gespeist sind. Und die haben ja leider auch ihre Berechtigung …. Mein Eindruck ist, dass da eine Verhandlungslösung gewollt wird, und wir haben ja diskutiert, wie eine Lösung aussehen könnte. Wer glaubt denn ernsthaft, dass ein russischer Präsident die Krim je wieder aufgeben könnte?"

fs