Angela Merkel "Die Deutschen brauchen keine Angst zu haben"

Bundeskanzlerin Angela Merkel im stern-Gespräch über Kriegsfurcht und Muslim-Proteste, Streiks der Müllmänner, Rente mit 67 - und ihren Plan für Arbeitnehmer: Gewinn- und Kapitalbeteiligungen.

Frau Bundeskanzlerin, in islamischen Ländern brennen Botschaften und Flaggen europäischer Länder, in Palästina gewinnt die radikale Hamas die Wahlen, und im Iran wird offenbar an der Atombombe gebastelt. Müssen die Deutschen einen Krieg fürchten?

Nein. Die Deutschen brauchen keine Angst zu haben. Wir leben ohne Zweifel in einer Phase neuer Konflikte, aber wir handeln ebenso entschlossen wie besonnen.

Wie häufig telefonieren Sie wegen der Weltlage mit dem amerikanischen und dem russischen Präsidenten?

Regelmäßig. Wie mit allen wichtigen Partnern.

Der dänische Ministerpräsident sieht eine internationale Krise. Was tun Sie dagegen?

Sowohl entschlossen für die Werte, die uns selber wichtig sind, eintreten, als auch vom Dialog der Kulturen und Religionen nicht erst reden, wenn es Gewalt gibt. Wir müssen uns darum ernsthaft und langfristig bemühen. Wir müssen lernen, unsere Anschauungen und Gefühle wechselseitig zu respektieren und gemeinsame Werte zu entwickeln. Es ist ein dickes Brett, das wir zu bohren haben. Klar ist dabei, dass Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung inakzeptabel ist.

Was heißt Dialog konkret?

Ich finde es sehr ermutigend, dass die Muslime in Deutschland zu Gewaltfreiheit aufrufen. Und dass sie sich jetzt zu einem Dachverband zusammengeschlossen haben. Ich werde dessen Spitzenvertreter zu einem Gespräch einladen. Ich begrüße aber auch, dass die christlichen Kirchen verstärkt den Dialog suchen. Es ist mir besonders wichtig, dass wir zu Differenzierungen fähig bleiben.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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Wie soll Europa auf die Gewalt in Palästina und die Stürmung von Botschaften in Syrien antworten? Den Geldhahn zudrehen?

Wir haben im Kabinett eingehend über diese Fragen diskutiert. Der Außenminister und die Entwicklungshilfeministerin haben überzeugend deutlich gemacht, dass es die Falschen träfe, wenn wir jetzt einfach Entwicklungshilfe streichen würden. Besonders die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen muss fortgesetzt werden. Ich halte nichts davon, jetzt irgendwelche Boykotte auszurufen. Gleichzeitig halte ich es aber auch für falsch und unangebracht, ängstlich zu sein. Ich trete vielmehr selbstbewusst für die Respektierung unserer Werte und Interessen ein. Wir verschaffen uns keine Achtung in anderen Kulturkreisen, wenn in Supermärkten von europäischen Firmen beispielsweise darauf hingewiesen wird, dass in europäischen Lebensmitteln keine dänischen Produkte sind.

Der Iran plant einen Handelsboykott gegen Dänemark. Lassen die EU und Deutschland jetzt die Dänen im Stich?

Ich habe mit dem dänischen Ministerpräsidenten telefoniert, der sich für unsere Unterstützung bedankt hat. Wir sollten uns das iranische Vorgehen in der Handelsfrage, zu der es bisher nur Ankündigungen gibt, in der EU genau anschauen und bewerten. Genau das tun wir.

Welche Chance sehen Sie noch, den Iran vom Bau der Atombombe abzuhalten? Welche Sanktionen sollten die UN verhängen?

Ich sehe natürlich echte Chancen für eine Verhandlungslösung. Es gibt eine Vielzahl von Anstrengungen, mit denen versucht wird, etwas zu erreichen. Dazu zählen auch die Gespräche über eine Uran- anreicherung für den Iran in Russland. Die Resolution der Internationalen Atomenergie-Agentur war ein großer Erfolg der Diplomatie. Daran haben nicht nur Europa, die USA und Russland mitgewirkt, sondern auch China, Indien, Brasilien und viele andere Länder. Es sind längst noch nicht alle Spielräume ausgereizt. Wir sollten Schritt für Schritt vorgehen. Der Iran muss erkennen, dass er sich mit seinem Vorgehen innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft isoliert und nichts davon hat.

Israel wird die iranische Bombe keinesfalls akzeptieren. Ist Deutschland nicht automatisch Kriegspartei, falls Israel den Iran militärisch angreift?

Ich denke nicht in der Kategorie "Kriegspartei". Alle politisch Verantwortlichen in Deutschland wissen um die Verantwortung, an der Seite Israels zu stehen. Weil wir uns darauf einstellen, dass der Iran sich um die Nuklearkraft auch für mili-tärische Zwecke bemüht, geht die Welt- gemeinschaft den jetzt eingeschlagenen Weg der Diplomatie.

Im Iran werden Sie geschmäht und mit Hitler verglichen. Ist Gelassenheit in solcher Stimmung überhaupt durchzuhalten?

Ja.

Ihnen wird nicht mulmig dabei?

Nein. Die iranische Gesellschaft ist vielfältig.

Sie haben auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine Parallele zur Appeasement-Politik der 30er Jahre gegenüber Hitler gezogen und gesagt: Man muss den Anfängen wehren. Das war fast eine Drohung.

Nein, ich habe darauf hingewiesen, dass wir die Rhetorik des iranischen Präsidenten gegenüber Israel und den Juden ernst nehmen müssen, nicht mehr und nicht weniger.

Welche Auswirkungen haben die Konflikte mit dem Islam auf die Chancen der Türkei, in die EU aufgenommen zu werden?

Die Türkei übernimmt eine wichtige Vermittlerrolle im islamischen Raum. Darüber freue ich mich. Die ergebnisoffenen Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU laufen davon unabhängig.

Die Integration der türkischen Muslime in Deutschland wird neu diskutiert. Was haben Sie in der Ausländerpolitik vor?

Der wichtigste Ansatzpunkt jeder Integration ist die Beherrschung der deutschen Sprache. Sie entscheidet über Bildungschancen, einen Beruf und die Rolle in unserem Land. Ich habe sehr bewusst die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer zur Staatsministerin im Kanzleramt berufen und werde mich auch persönlich in der Frage engagieren. Ich werde dazu mit Jugendlichen sprechen, ich werde Veranstaltungen besuchen. Denn ich möchte immer wieder erleben, wie die Realität aussieht. Und ich möchte umgekehrt zeigen, was mir als Bundeskanzlerin wichtig ist.

Sind Sie auch für beitragsfreie Kindergärten, um die Integration zu beschleunigen?

Ich möchte mich als Regierungschefin gegenüber den hierfür zuständigen Ländern und Kommunen zurückhalten. Ich bin aber froh über die in wissenschaftlichen Studien erhärtete Einsicht, dass Kinder zwischen drei und sechs Jahren schon eine Menge kognitiver Kapazitäten haben, sodass man die Zeit pädagogisch gezielt gestalten kann. Während man früher noch überlegt hat, ob man in der zweiten Klasse schon eine Note geben darf, überlegt man heute, ob Kinder mit fünf Jahren ein englisches Lied singen können. Das sind spannende Entwicklungen.

Wie sicher ist die Fußball-WM? Wollen Sie die Bundeswehr im großen Stil einsetzen?

Das will niemand in der Bundesregierung. Dennoch wissen wir, dass unsere westlichen Gesellschaften prinzipiell terroristischen Bedrohungen ausgesetzt sind. Deshalb muss die Sicherheit der Weltmeisterschaft mit allergrößter Sorgfalt geplant werden. Es geht ja nicht nur um die Sicherheit in den Stadien. Jeden Abend werden sich viele tausend Menschen auf Großleinwänden die Spiele anschauen. Wenn eine Notsituation eintritt, muss man überlegen, wo noch Kräfte zu mobilisieren sind. Ich werde mich da sehr nach dem Rat der Verantwortlichen richten.

Wolfgang Schäuble will wenigstens einen Panzer in den deutschen Strafraum stellen, damit wir nicht so viele Tore kassieren.

Mein Glaube an die deutsche Nationalmannschaft ist ...

... unerschütterlich.

... nicht unerschütterlich, aber fest.

Frau Bundeskanzlerin, wenn die Weltlage so düster bleibt ...

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass sie wirklich nicht nur düster aussieht. Denken Sie mal an das Frühjahr 1999, als wir die großen Konflikte auf dem Balkan hatten. Wie hat sich die Lage dort seither verändert! Wir haben doch die Erfahrung gemacht, dass durch gemeinschaftliches Eintreten der Weltgemeinschaft mancher Krisenherd entschärft werden kann.

Dennoch: Wenn die Lage brisant bleibt, könnten die Energiekosten rasant steigen, die Menschen ihr Geld wieder zusammen-halten und die Konjunkturimpulse verebben. Kann die Außenpolitik die Innenpolitik zerschlagen?

Es gibt kein abgeschottetes Außen und Innen mehr. Die Welt ist dicht vernetzt. Natürlich sind die Energiepreise ein wichtiger Faktor für Wachstum. Wir können nicht völlig unabhängig werden von ausländischen Quellen, aber wir müssen dringend über unser Energiekonzept für die nächsten 15 Jahre diskutieren. Ich fand es sehr interessant, dass der amerikanische Präsident die Unabhängigkeit von bestimmten Importen als Ziel formuliert hat. Ich trete für das Energiesparen und einen besseren Energie-Mix ein, seit ich Umweltministerin war. Deshalb hat sich die Bundesregierung vorgenommen, bis Ende 2007 ein Energiekonzept auf den Tisch zu legen, mit dem wir unsere strategische Abhängigkeit reduzieren.

Bei einem Handelskrieg mit dem Iran würden auch acht Milliarden Euro Hermes-Bürgschaften für deutsche Exporte fällig. Das würde die Haushaltssanierung durchkreuzen.

Richtig ist: Wir haben engere Handelsbeziehungen zum Iran als viele andere Länder. Diese Frage wäre erst zu diskutieren, wenn sie sich stellte.

Im öffentlichen Dienst wird gestreikt, in der Metallindustrie zieht ein Tarifkonflikt herauf. Sind Sie bereit zu vermitteln, um wirtschaftlichen Schaden abzuwenden?

Nein, das gehört in die Tarifautonomie und nicht zu den Aufgaben der Bundeskanzlerin.

Wie stehen Sie dazu, dass die Arbeitnehmer nach Jahren des Lohnverlustes nun wieder ein Stück vom Kuchen abhaben wollen?

Wir hatten im Januar - es wird im Februar wahrscheinlich nicht besser sein - wieder über fünf Millionen Arbeitslose. Unser Hauptanliegen muss daher sein, Rahmenbedingungen zu setzen, um Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu gewinnen. Wenn Produktivitätszuwachs und Lohnentwicklung nicht in einer vernünftigen Balance sind, geht das zulasten von Arbeitsplätzen. Aber für diesen Interessenausgleich gibt es die Tarifautonomie. In die mische ich mich nicht ein.

Sie werden im Ausland gefeiert, und Sie haben in Deutschland glänzende Umfragewerte. Wie erden Sie sich, um nicht abzuheben?

Ich mache ab und zu ein Interview mit dem stern.

Wie erklären Sie sich die Merkelmania?

Ich bin zu lange in der Politik, um zu glauben, dass das ein Zustand auf Dauer ist. Ich freue mich, dass der Start - nicht nur meiner, sondern der der Regierung insgesamt - so war, dass die Menschen ein bisschen Vertrauen gewonnen haben. Vielleicht haben wir manche Erwartung übertroffen. Die Bürger wollen nicht Streit, sondern die Lösung ihrer Probleme.

Aber so kraftvoll Sie in der Außenpolitik auftreten, so wenig ist in der Innenpolitik passiert. Der "Economist" schreibt: "Deutschland braucht ein Wunder." Wann fangen Sie mit der Reformarbeit an?

Bei allem Respekt vor dem "Economist": Noch vor wenigen Monaten hat er das glatte Gegenteil geschrieben. Ich denke da wirklich in etwas längeren Zeiträumen. Wir sind erst 86 Tage im Amt. Dennoch haben wir Aufgaben angepackt, über die Jahrzehnte fruchtlos diskutiert wurde.

Wann kommt die Gesundheitsreform? Mit welchen Grundlinien?

In diesem Jahr. Die Grundlinien werden nach den Landtagswahlen vom März erarbeitet. Da sind die Vorstellungen zwischen Union und SPD unterschiedlich. Das wird also ein Kraftakt. Aber wir sind gemeinsam willens, ihn zu schaffen.

Wird Ihr Ziel erreichbar sein, die Gesundheitskosten vom Einkommen abzukoppeln und die Lohnnebenkosten zu senken?

Wir werden die Lohnzusatzkosten insgesamt senken. Wir haben uns vorgenommen, dauerhaft unter 40 Prozent zu bleiben. Dazu muss die Gesundheitsreform einen Beitrag leisten, aber auch die Arbeitslosenversicherung, wenn gleichzeitig unvermeidbar ist, dass die Rentenbeiträge von 19,5 auf 19,9 Prozent im Jahre 2007 steigen. Das muss durch Senkungen woanders kompensiert werden.

Bleibt von der Idee der Gesundheitsprämie etwas übrig?

Ich bin als CDU-Vorsitzende nach wie vor von diesem Konzept überzeugt, alles weitere werden die Regierungsverhandlungen zeigen.

Der Bundespräsident hat im stern die Gewinn- und Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer gefordert. Ist das auch Ihr Anliegen?

Ja. Das ist mein Anliegen. Ich halte es für sehr wichtig, die Arbeitnehmer in Zeiten deutlicher Gewinnzuwächse am Erfolg der Unternehmen zu beteiligen. Die Einkommen aus Kapitalbeteiligungen entwickeln sich seit Jahren besser als die Löhne. Daran sollen die Arbeitnehmer stärker teilhaben. Bleibt die Frage: Wie ist es bei Verlusten? Ich habe Karl-Josef Laumann als CDU-Präsidiumsmitglied und Sozialminister von Nordrhein-Westfalen gebeten, bis zum Ende des Sommers Vorschläge zu erarbeiten, sodass wir auf dem CDU-Parteitag im Herbst darüber diskutieren können.

Wollen Sie deshalb Gewerkschaften und Arbeitgeber zu einem Gipfeltreffen einladen?

Zunächst wird die CDU ihre Position erarbeiten.

Und dann soll es ein großes Projekt der Großen Koalition werden?

Es wird erst einmal ein Projekt der CDU. Wenn wir eine attraktive Lösung finden, werden wir darüber in der Koalition intensiv sprechen.

In der Koalition wird es zunehmend holpriger. Wie fühlen Sie sich auf dem Sonnendeck, wenn unten im Maschinenraum die Kesselflicker der SPD streiten?

Ich denke nicht in solchen Bildern.

Die Sozialdemokraten sehen angerußt aus.

Die ganze Regierung arbeitet hart.

Und wie ist das Verhältnis zu den Kesselflickern unten im Maschinenraum?

Das Verhältnis in der Koalition ist gut, und in dem Maße, wie ganz große Konflikte ausbleiben, wird in den Medien eine kleine Diskussion zum großen Konflikt.

Ein Problem ist, dass der SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck noch keinen Draht zu Vizekanzler Franz Müntefering gefunden hat.

Ich habe einen engen und vertrauensvollen Draht zum SPD-Vorsitzenden, und ich habe einen engen und vertrauensvollen Draht zum Vizekanzler.

Dann müssen Sie ein bisschen vermitteln.

Wann immer wir diskutieren, haben wir sehr gute Gespräche.

Sie sollen Platzeck kürzlich zusammengefaltet haben, weil er ständig von außen in die Regierung hineinwirkt.

Nein. Das ist nun wirklich Unsinn.

Es war ein freundschaftliches Gespräch?

Matthias Platzeck und ich verstehen uns gut. Daran wird es auch in Zukunft nicht mangeln.

Aber die SPD hat das Virus der Nachbesserung in die neue Regierung eingeschleppt. Bei den Kinderbetreuungskosten wurde nachverhandelt, bei der Rente mit 67 diskutiert die SPD über Ausnahmen.

Wir pflegen in der Koalition einen vertrauensvollen Umgang. Zur Rente mit 67 glaube ich nicht, dass man einzelne Berufsgruppen ausnehmen kann. Man muss das Ganze individuell sehen, und dann gibt es zum Beispiel die Ausnahme - da braucht man gar nicht nachzubessern -, dass jemand, der 45 Erwerbsarbeitsjahre aufweist, auch weiter mit 65 in Rente gehen kann. Das gilt gerade für die Berufe, in denen man früh anfängt zu arbeiten und die körperlich hart sind. Die Sozialversicherungen beruhen darauf, dass Menschen füreinander einstehen, ohne zu fragen, wer das größere Risiko trägt. Das ist auch eines der Motive, warum ich sage: Es gibt auf mittlere Sicht gar keinen Grund, warum die Gesundheitskosten der Kinder nur von den gesetzlich Krankenversicherten finanziert werden.

Könnte man die geplante Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozent nicht auch teilweise für die Gesundheitskosten der Kinder verwenden, wenn die Konjunktur läuft?

Wir brauchen Verlässlichkeit bei unseren Beschlüssen, und da haben wir klar gesagt, wofür die zusätzlichen Einnahmen verwendet werden: ein Prozent zur Senkung der Lohnzusatzkosten und zwei Prozent zur Haushaltskonsolidierung von Bund und Ländern. Ich warne auch vor Illusionen. Die Haushaltskonsolidierung bleibt eine große Herausforderung.

Ist mit dem Rentenalter 67 die Sanierung der Rentenversicherung abgeschlossen?

Damit ist die erwartete demografische Veränderung berücksichtigt. Nun müssen wir zusätzliche Anstrengungen unternehmen, damit das tatsächliche Renteneintrittsalter weiter nach oben geht. Außerdem hängen die Einnahmen von der Beschäftigungssituation ab. Die bedrohlichste Tendenz, die wir umkehren müssen, ist, dass es immer weniger sozialversicherungspflichtige Jobs gibt.

Frau Bundeskanzlerin, was ist Ihre persönliche Bilanz nach 86 Tagen Kanzlerschaft? Was hat Sie am meisten überrascht?

Ich kann eher sagen, was mich am meisten gefreut hat, und zwar, dass ich wieder das praktizieren kann, was während der Opposition so lange nur in meinem Hinterkopf möglich war: gestalten.

Woran spüren Sie Ihre Macht am deutlichsten?

Auch daran, dass den Worten - im Gegensatz zur Opposition - Taten folgen können und ich insofern meine Worte stets wägen muss.

Genießen Sie die Macht, oder macht sie Ihnen auch manchmal Angst?

Sie erhöht meine Konzentration auf das, was ich tue.

Erkennt Ihr Mann Sie in dem neuen Amt noch wieder?

Ich habe den Eindruck, ja. Nach wie vor frühstücken wir jeden Morgen zusammen.

Wir haben gehört, er müsse wie jeder normale Besucher den Personalausweis am Eingang des Kanzleramts abgeben, wenn er Sie sehen will. Hat er sich beschwert?

Nein. Er hat Möglichkeiten, einen einfacheren Zugang zu bekommen. Aber solange er keinen Sonderausweis zum Betreten hat, muss er sich verhalten wie jeder andere. Das ist auch in Ordnung so.

Interview: Hans-Ulrich Jörges, Thomas Osterkorn und Hans Peter Schütz

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