Berliner Gerüchteküche Die Aufgaben sind groß: Wer auf Anne Spiegel als Familienministerin folgen könnte

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel
Wer folgt auf Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) nach deren Rücktritt?
© Bernd von Jutrczenka / DPA
Wer folgt auf Kurzzeit-Familienministerin Anne Spiegel nach deren Rücktritt? In der Hauptstadt läuft die Gerüchteküche heiß. Auf die Nachfolgerin warten viele Aufgaben.

Rund 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein Büro im Herzen Berlins und knapp 17.000 Euro Monatsgehalt – das Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sucht nach dem Rücktritt von Anne Spiegel (Grüne) eine neue Chefin.

Dass es wieder eine Frau wird, gilt als sicher. Seit 1985 stand kein Mann mehr an der Spitze des Bundesfamilienministeriums. Hinzu kommt: Nach der Ampel-Binnenlogik muss für die zurückgetretene Anne Spiegel erneut eine Frau an der Spitze des Hauses stehen. Denn Bundeskanzler Olaf Scholz möchte sein Kabinett paritätisch besetzen, was ihm (sich selbst außen vor gelassen) bei der Regierungsbildung auch gelang. Ohne eine größere Personalrochade wird ein Mann daher nicht das Familienressort übernehmen. Und an einer solchen wiederum hat Olaf Scholz zurzeit mit Sicherheit kein Interesse. Grünen-Politiker Anton Hofreiter fällt damit als Spiegel-Nachfolger aus.

Wer folgt auf Anne Spiegel?

Die Grünen wollen das Thema schnell vom Tisch haben. Bundesvorsitzende Ricarda Lang hält eine Entscheidung über die Spiegel-Nachfolgerin noch in dieser Woche für wahrscheinlich. "Ich denke nicht, dass wir noch über Ostern hinweg uns mit dieser Frage beschäftigen werden", sagte sie im Interview mit dem Fernsehsender ntv. Auch Lang deutete an, dass erneut eine Frau den Posten im Familienministerium übernehmen werde. Damals habe die Partei gesagt, man besetze die Posten paritätisch. "Bei diesem Grundsatz bleiben wir natürlich auch", sagte sie. Die wichtigste Anforderung sei, dass die Person Verantwortung für Familien, Kinder und die offene Gesellschaft übernehme. "Die Person muss vor allem eine Eigenschaft mitbringen: Das ist, geeignet für dieses Amt zu sein."

Doch bei den Grünen ist noch etwas anderes wichtig. Traditionell sollen die Ämter gerecht zwischen den sogenannten Realos und den Fundis aufgeteilt werden, auch wenn die Grenzen immer mehr verwischen. Da jedoch mit Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck, Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Außenministerin Annalena Baerbock dem Kabinett bereits drei dem Realo-Flügel Zuzurechnenden angehören, müsste die Partei jemanden aus dem linken Flügel ins Rennen schicken – wenn sich denn dort eine geeignete Kandidatin findet.

Die Gerüchteküche in Berlin brodelt und es werden etliche Namen in der Hauptstadtpresse gehandelt. Einige der möglichen Nachfolgerinnen von Anne Spiegel im Überblick:

  • Katharina Dröge: Die Grünen-Fraktionschefin im Deutschen Bundestag steht laut "Bild"-Zeitung besonders hoch im Kurs. Denn: Sie wird dem linken Parteiflügel zugerechnet. Doch will die 37-Jährige auch ins Familienministerium? Unklar. Vor einigen Tagen, als Spiegels Rücktritt bereits im Raum stand, hat sie nach Informationen des Blatts noch abgelehnt.
  • Katrin Göring-Eckardt: Die 55-jährige Bundestagsvizepräsidentin kennt sich in der Familien- und Jugendpolitik aus. Auch im Bereich Ehrenamt, der in die Zuständigkeit des Familienministeriums fällt, ist sie zu Hause. Darüber hinaus ist sie eine erfahrene Politikerin – dies wäre ein Pluspunkt. Ihr Nachteil: Sie wird dem Realo-Flügel zugerechnet.
  • Katharina Fegebank: Sie ist seit 2015 Zweite Bürgermeisterin von Hamburg und Wissenschaftssenatorin, also regierungserfahren. Doch Familienpolitik gehörte bislang nicht zu den Steckenpferden der 45-Jährigen. Zudem fühlt sie sich in ihrer Position in der Hansestadt augenscheinlich wohl. Ob ein Wechsel nach Berlin für die Realo-Vertreterin in Frage kommt, ist ungewiss.
  • Ursula Nonnemacher: Regierungserfahrung hat auch die umtriebige Sozialministerin Ursula Nonnemacher aus Brandenburg, die die "Frankfurter Rundschau" in Spiel bringt. Die 64-jährige hat sich dort auch in der Familienpolitik engagiert und zum Beispiel das erste (inzwischen gerichtlich gekippte) Paritätsgesetz für eine Landtagswahl in Deutschland auf den Weg gebracht.
  • Britta Haßelmann: Sie teilt sich mit Katharina Dröge den Fraktionsvorsitz im Bundestag und wird vom "Focus" als mögliche Spiegel-Nachfolgerin genannt. Die 60-Jährige gilt als erfahren – aber auch als Realo-Vertreterin.
  • Ekin Deligöz: Die "Augsburger Allgemeine" spekuliert, die Parlamentarische Staatssekretärin unter Anne Spiegel könnte an die Spitze des Ministeriums aufrücken. Fachkenntnis hätte die Vizepräsidentin des Kinderschutzbundes. Allerdings gilt auch die 50-Jährige Neu-Ulmerin als Realpolitikerin.
  • Ricarda Lang: Oder macht's die Parteichefin selbst? Die 28-Jährige wird dem linken Parteiflügel zugerechnet und würde mit ihren 28 Jahren für einen echten Generationenwechsel stehen – allerdings hat sie keinerlei Regierungserfahrung. Und die Familienpolitik gehörte bisher nicht zu Langs politischen Schwerpunkten. Ihr möglicher Wechsel ins Familienministerium würde bedeuten, dass die Grünen ihre Parteispitze umbauen müssten.

Wer auch immer es wird, im Familienministerium warten viele Aufgaben. Anne Spiegel hatte sich unter anderem auf die Fahnen geschrieben, Frauenrechte zu stärken und für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen. Weitere zentrale Vorhaben des Hauses sind unter anderem die Einführung der Kindergrundsicherung, die Modernisierung des Familienrechts und ein stärkerer Schutz vor Gewalt an Frauen.

Vorerst bleibt jedoch Anne Spiegel im Amt, wie eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums auf Anfrage der Nachrichtenagentur DPA mitteilte. "Bis zum Erhalt der Entlassungsurkunde führt Bundesministerin Spiegel die Amtsgeschäfte weiter." Zuständig für die offizielle Ernennung und Entlassung von Ministern ist der Bundespräsident, der die entsprechenden Urkunden im Schloss Bellevue überreicht. Gut möglich also, dass Spiegel ihr Büro im Herzen von Berlin persönlich an ihre Nachfolgerin übergeben wird.

Das Bundesfamilienministerium ist in turbulenten Zeiten – nicht zum ersten Mal. Im Podcast "ÜberMerkel – Vertraute erzählen" berichten die früheren Ministerinnen Gerda Hasselfeldt und Hannelore Rönsch, wie sie sich Anfang der 1990er Jahre das Haus mit Angela Merkel teilen mussten – und vor welchen großen Herausforderungen die drei Politikerinnen im "Dreimädelhaus" und im Umgang mit den männlichen Kollegen standen.

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