Der Landtagswahlkampf in Berlin bietet bemerkenswerte Kapriolen. Da sucht die Berliner CDU das, was ihr am meisten fehlt, nämlich Nähe zu den Berliner Bürgern. Und wie? Sie verkauft ihr Wahlprogramm an den rund 1000 Kiosken der Stadt. Wer wissen will, wie die "100 Lösungen für Berlin" aussehen, mit denen die CDU für sich Reklame macht, muss 50 Cent rausrücken. Doch: Das Geld geht nicht an die CDU zwecks Wahlkampffinanzierung, sondern an die Kioskbesitzer, damit sie diesen Lesestoff überhaupt feilbieten. Man kann es verstehen.
Vergleichbar geringes politisches Selbstbewusstsein haben auch die Berliner Liberalen. Sie kleben Plakate mit ihrem Landes- und Fraktionsvorsitzenden Christoph Meyer, den an der Spree so gut wie niemand kennt. Nun kann sich jeder den spärlich behaarten 35-jährige FDP-Spitzenkandidat anschauen, zu seinem Wahlversprechen, nämlich die immense Berliner Haushaltsverschuldung abzubauen, heißt es: "Wenn er damit fertig ist, hat er gar keine Haare mehr." Dieser Zustand könnte jedoch ohne Schuldenabbau eintreten. Denn die Wahlchancen der Berliner FDP werden nach jüngsten Umfragen mit zwei Prozent bewertet.
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Die Hauptstadt-Presse rätselt: Was soll man schreiben, wenn die SPD-Größen Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück gemeinsam auftreten? Die Bezeichnung "Troika" hat der SPD-Vorsitzende Gabriel strikt verboten: "Das würde ich mit Abscheu und Empörung von mir weisen." Man kann die Abneigung gut verstehen. Denn die SPD hat den Wählern schon öfter - und vergeblich - eine Troika angeboten: Vor der Bundestagswahl 1994 präsentierten sich Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Rudolf Scharping Schulter an Schulter. Kein Blatt Papiere passe zwischen sie, verkündeten sie kühn. Die Wahl ging verloren. Ein Jahr später wurde Scharping als SPD-Chef von auf dem Mannheimer Parteitag weggeputscht, Lafontaine warf 1999 den Bettel hin. Und auch schon zu Zeiten von Willy Brandt, Helmut Schmidt und Herbert Wehner hat das Troika-System nicht funktioniert. Wehner über Brandt: "Badet gern lau." Beim Blick auf diese historische Vorbelastung muss man Gabriel verstehen. Schreiben wir also künftig lieber vom SPD-Trio.
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Mit seinen Urlaubstrips bringt sich Bundespräsident Christian Wulff ins Gerede. Mal gastiert er in der Luxusvilla des niedersächsischen Unternehmers Carsten Maschmeyer auf Mallorca, mal lässt er sich zum ZDF-Sommerinterview mit dem Hubschrauber auf die Insel Norderney fliegen, damit es nach Urlaub aussieht, obwohl er seine Ferien erst einige Tage später antritt. Das kostete die Steuerzahler zwischen 7500 und 15.000 Euro, je nachdem, ob man nur die reinen Spritkosten rechnet oder auch noch die Wartungskosten addiert. Dabei hatte das ZDF ihm auch angeboten, das Interview in Berlin zu führen. Nur gut, dass der Präsident sich nicht nach Keitum auf die Insel Sylt fliegen ließ. Dann hätte er sich auch noch der Schleichwerbung für das hoch gerühmte Fischrestaurant Karsten Wulff schuldig gemacht.
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Ebenfalls ein Urlaubsproblem scheint der brandenburgische SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck zu haben, der in den vergangenen Monaten immer wieder von peinlichen Affären seiner Mitstreiter heimgesucht worden ist. Er erklärte, er sei am glücklichsten auf Wanderungen in Südtirol auf möglichst großer Höhe, weil er dort so wenigen Menschen begegne. Ob deshalb auch Angela Merkel jetzt wieder in Südtirol wandern geht? Nach einer erfolgreichen Knieoperation im Frühjahr fühlt sie sich angeblich wieder fit. Nur nach Brüssel will sie nicht. Man kann es verstehen: Dorthin musste sie in diesem Jahr schon zu oft wegen der europäischen Krisen.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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Sage keiner, der grüne baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann sei kein Naturfreund! Um einen geringeren Ausstoß an Kohlendioxid zu erreichen, läuft er in Berlin neuerdings zu Fuß zu Terminen im Bundesrat. Außerdem hat er angekündet, künftig auf eine Panzerung seiner Dienstwagen zu verzichten, wenn es sicherheitstechnisch möglich sei. Auch um zu vermeiden, dass er - wie sein Verkehrsminister Winfried Hermann - alsbald auch als "Verkehrt-Minister" tituliert wird?
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Mit spitzer Zunge kommentiert man bei den medialen Verkäufern von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU), dass die FDP das neue Internetportal "Klarheit und Wahrheit" öffentlich schlecht redet, auf dem Verbraucher ihre Beschwerden über Nahrungsmittel abladen können. Das sei ein "Lebensmittelpranger" klagen die Liberalen. Die CSU-Presseleute geben der Kritik des Koalitionspartners kess Contra: Es sei ja kein Wunder, dass die selbst ernannte Bürgerrechtspartei FDP Front gegen die CSU mache im Kampf gegen betrügerisch verpackte Lebensmittel. "Die FDP, derzeit in Umfragen gerade mal bei vier Prozent, muss zur Sicherung ihres Überlebens gegen die Entlarvung von Mogelpackungen sein."