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Berlin vertraulich! Röttgen rangelt um NRW-Chefposten

Wahlverlierer Rüttgers ist abgetaucht, der Kampf um den Vorsitz der NRW-CDU ist eröffnet - und da mischt auch der sonst so manierliche Umweltminister Röttgen mit. Welche Chancen hat er? Und wie geht Merkel nun mit dem Bundesrat um?
Von Hans Peter Schütz

Erstaunlich gelassen blickt Angela Merkel auf das Problem, dass Schwarz-Gelb künftig keine Mehrheit im Bundesrat hat. Die schlechtesten Zeiten der deutschen Politik seien es ja nicht gewesen, als Bundestag und Bundesrat von unterschiedlichen Mehrheiten beherrscht wurden, kommentierte sie intern die neue Lage. Ansonsten hält sie sich an ihre bekannten politische Handlungsmaximen: Immer schön in kleinen Schritten vorwärts. Und: Das Wasser halten, so lange es geht.

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Wenn das den Männern in der Politik nur nicht so schwer fiele. Dass Jürgen Rüttgers das Amt des CDU-Vorsitzenden von Nordrhein-Westfalen verliert, wenn er nicht mehr Ministerpräsident sein darf, gilt als sicher. Nachfolger möchte sehr gerne Bundesumweltminister Norbert Röttgen werden. Hochrangige Mitglieder der nordrhein-westfälischen CDU warnen ihn jedoch davor, allzu viel Ehrgeiz in dieser Richtung zu zeigen. "Den Sprung ins Amt des Parteivorsitzenden schafft der Röttgen nicht", prophezeien sie. Erfolgreich könne er nach Meinung dieser Insider nur sein, wenn es ihm gelinge, die Unterstützung des Merkel-Vertrauten Peter Hintze, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und wichtigster Strippenzieher in der Landesgruppe der NRW-Bundestagsabgeordneten der CDU, dafür zu bekommen. Konkurrenz werde Röttgen aber auch durch den nächsten CDU-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag erwachsen. Dafür interessieren sich Frauen- und Integrationsminister Armin Laschet, Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und Andreas Krautscheid, seit März neuer Generalsekretär der CDU an Rhein und Ruhr. Durch diese Wahl entstehe eine gewisse "Sogwirkung" bei der Wahl des nächsten CDU-Landesvorsitzenden, sagt ein Kenner des Postengerangels.

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Wie heißt in den nächsten Jahren einer der wichtigsten Männer in der deutschen Politik? Gerd Schmitt. Nie gehört? Das dürfte weithin der Fall sein. Der 60-Jährige ist soeben zum neuen Direktor des Bundesrates gewählt worden. Er leitet im Auftrag des Bundesratspräsidenten - derzeit Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen - das Sekretariat des Bundesrates. Klingt nach einem bürokratischem Job, ist indes ein hochpolitischer. Die Bundesregierung hat jetzt im Bundesrat nur noch 31 Stimmen und das heißt, dass sie für jedes zustimmungspflichtige Gesetz dort mindestens vier Stimmen bei andersfarbig regierten Ländern finden muss. Etwa beim SPD-regierten Rheinland-Pfalz. Oder bei Sachsen-Anhalt oder Thüringen, wo CDU und SPD koalieren. Diese Länder haben immerhin vier Stimmen im Bundesrat. Vollends kompliziert wird die politische Partnersuche, wenn Unterstützung etwa im Saarland, Bremen und Hamburg gesucht wird. Dort mischen auch noch die Grünen mit oder in Berlin und Brandenburg die Linkspartei. So vertrakt war es noch nie.

Für politische Kuhhändel im buntesten Bundesrat aller Zeiten ist Schmitt indes ein erprobter Mann. Er kennt das Geschäft auf jeder Ebene. Erst arbeitete er im Landratsamt des baden-württembergischen Städtchen Biberach, danach als Büroleiter des späteren Bundespräsidenten Roman Herzog, als der in Baden-Württemberg als Innenminister amtierte. Mitte der achtziger Jahre wechselte er in der Bonner Landesvertretung des Landes Baden-Württemberg und damit ins politische Geschäft mit dem Bundesrat. Und während der rot-grünen Koalition Schröders amtierte er als Geschäftsführer des Vermittlungsausschusses, in dem er in über 100 Verfahren Kompromisse organisieren musste. "Das hilft mir jetzt bestimmt" sagt er zu stern.de. Parteipolitik im Amt des Bundesrats-Direktor lehne er ab, betont der CDU-Mann. Er sei der festen Überzeugung, dass die föderalistische Struktur der Republik das Regieren keineswegs immer nur schwieriger mache. Oft verbessere der Kompromiss die Qualität mancher Beschlüsse. Auch persönlich überwindet Schmitt parteipolitische Grenzen. Als er 2002 Stellvertretender Direktor des Bundesrats werden sollte, gab es Widerstand des Berliner SPD-Regierungschefs Klaus Wowereit. Die Herren trafen sich, tranken einen ordentlichen Schluck miteinander und nach einem "guten Gespräch", so Schmitt, war auch Wowereit dafür.

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Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die sich in der Tradition von Ludwig Erhard sieht und in Berlin für marktwirtschaftliche Reformen wirbt, hat jetzt ein überzeugendes Kartenspiel auf den Politikmarkt geworfen. Ziel des Spiels - "Achtung, kein Denkspiel" - ist es, sich zu merken, "dass das Steuersystem dringend vereinfacht werden muss, zum Beispiel durch einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz." Das Spiel läuft so: Man hält dem Gegenüber ein Kärtchen mit einem Esel hin und fragt, wie viel Mehrwertsteuer beim Kauf des Tieres fällig wird. Das nächste Kärtchen zeigt einen Maulesel und wieder wird die Mehrwertsteuerfrage gestellt. Beim Esel sind 19 Prozent fällig, beim Maulesel sieben. Wer weiß, was bei Garnelen und Langusten fällig ist? Sieben Prozent Garnelen, 19 Prozent Langusten. Bei Karotten (sieben) und Karottensaft (19) läuft es ebenso rätselhaft. INSM-Chef Hubertus Pellengahr: "Ich habe noch keinen Abgeordneten gefunden, der mir sie Sache mit der Maul-Eselei logisch erklären konnte."

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