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Debatte um Panzer-Lieferungen Die Rufe nach dem "Leopard" werden lauter – auch in Deutschland

Ein Kampfpanzer der Bundeswehr vom Typ "Leopard 2 A7V" steht auf einem Übungsplatz
Ein Kampfpanzer der Bundeswehr vom Typ "Leopard 2 A7V" steht auf einem Übungsplatz
© Philipp Schulze / DPA
Bundesaußenministerin Baerbock sieht die Notwendigkeit "weiterer Panzerlieferungen" an die Ukraine. Zur möglichen Abgabe des "Leopard" hält aber auch sie sich zurück. Dabei werden die Rufe danach immer lauter.

Nach der Zusage der Bundesregierung, im Schulterschluss mit internationalen Partnern erstmals "Marder"-Schützenpanzer an die Ukraine zu liefern, nimmt die Debatte um die mögliche Abgabe von deutschen "Leopard"-Kampfpanzern zunehmend an Fahrt auf.

Nach ihrem überraschenden Besuch in der ostukrainischen Stadt Charkiw unterstrich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen)  die Notwendigkeit "weiterer Panzerlieferungen", sodass "weitere Orte" von den russischen Besatzern befreit werden könnten. Auch brauche die Ukraine "weitere Luftverteidigung", insbesondere zum Schutz der Infrastruktur, sagte sie am Dienstagabend in den ARD-"Tagesthemen".

Nicht zuletzt in Kiew dürften die Aussagen der Außenministerin die Hoffnung geschürt haben, künftig auch mit "Leopard"-Kampfpanzern beliefert zu werden. "Diese Panzer brauchen wir, um unsere Städte, Dörfer und alles, was sich unter russischer Besatzung befindet, zu befreien", sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba, der Baerbock auf ihrer Reise begleitete. Er zeigte sich überzeugt davon, dass Berlin die schweren Kampfpanzern liefern wird. "Je länger diese Entscheidung braucht, umso mehr Menschen werden aufgrund der fehlenden Bewaffnung der ukrainischen Armee sterben", mahnte er.

Baerbock zeigte Verständnis für die wiederholten Forderungen der Ukraine nach dem "Leopard", bekräftigte jedoch die Haltung der Bundesregierung, entsprechende Lieferungen "gemeinsam mit unseren Verbündeten" zu koordinieren. Das geschlossene Agieren mit den Partnern koste "in manchen Momenten ein bisschen mehr Zeit", räumte sie ein. Allerdings sei es wichtig, gemeinsam zu überlegen, wie man verantwortungsvoll vorgehen kann, "auch wenn das Herz einem brennt." Sie könne verstehen, "wie sehr es drängt". 

Nach dem "Marder" der "Leopard"?

Zuletzt war der Druck auf die Ampel-Koalition und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Frage gestiegen, insbesondere FDP und Grüne machen Druck. "Wir sollten alles tun und liefern, was möglich ist. Dazu gehören auch Leopard-Panzer", sagte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Auch Wolfang Kubicki (FDP), ebenfalls Vizepräsident des Bundestags, meint, es könne "vernünftig sein, nicht nur Marder- sondern auch Leopard-Panzer zu liefern". Für Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, ist klar: "Nach dem Marder kommt der Leopard".

Deutlich zurückhaltender äußert sich die SPD-Spitze. Zwar schloss die Parteivorsitzende Saskia Esken eine Lieferung des "Leopard"-Panzers nicht aus, betonte jedoch, dass die Bundesregierung "immer wieder in engen Abstimmungen mit den Partnern" und "insbesondere natürlich mit den Amerikanern" stünde. Auch ihr Co-Chef Lars Klingbeil verwies darauf, dass bisher kein Land so schwere Kampfpanzer liefere, wollte eine spätere Lieferung aber nicht per se ausschließen. 

Folglich könnte die Bundesregierung künftig auch Kampfpanzer an die Ukraine liefern, sollte ein internationales Bündnis zustande kommen, wie es schon bei den Späh- und Schützenpanzern mit den USA und Frankreich der Fall war. Am Montag wurde bekannt, dass Großbritannien die Abgabe von "Challenger 2"-Panzern zumindest erwägt – der vergleichbar ist mit dem deutschen "Leopard", dem amerikanischen "Abrams" oder dem französischen "Leclerc". 

Vom Kampfpanzer "Leopard 2" wurden insgesamt mehr als 3600 Stück gebaut, darunter mehr als 2000 in der nun älteren Version "Leopard 2A4". Sie werden in zahlreichen Ländern genutzt. Mögliche europäische Partner in einer gemeinsamen Lieferung könnten neben Polen auch Finnland und Spanien sein. Auch das deutsche Rüstungsunternehmen Rheinmetall hatte in der Vergangenheit Lieferungen angeboten. 

Regierungssprecher Steffen Hebestreit machte am Montag jedoch deutlich, dass es in Deutschland zunächst keinen Kurswechsel bei den Kampfpanzern gibt. "Die Bundesregierung hat zum jetzigen Zeitpunkt kein Bestreben, ihrerseits Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Wir haben gerade eine sehr weitreichende Entscheidung getroffen, in enger Absprache mit unseren amerikanischen und französischen Freunden jetzt Schützenpanzer zu liefern", sagte er. Weitere Entscheidungen müssten besprochen werden.

Nato-Generalsekretär: Militärhilfe für Ukraine muss aufgestockt werden

Zumal offenbar noch unklar ist, woher zunächst die rund 40 zugesagten "Marder"-Schützenpanzer herkommen sollen: Allein aus Bundeswehr- oder auch aus Industriebeständen? Die Lieferung soll im Laufe des ersten Quartals erfolgen. Wie "Spiegel" und "Handelsblatt" berichteten, soll Griechenland helfen: Ein Teil der "Marder", die Deutschland der griechischen Armee im Rahmen eines Ringtauschs versprochen hatte, könnte demnach zunächst an die Ukraine geliefert werden. Griechenland solle dann beliefert werden, sobald die Industrie weitere Panzer instandgesetzt habe. 

Mit Blick auf die Verzögerungen beim "Marder" forderte der Grünen-Abgeordnete Anton Hofreiter, dass die "Leopard"-Panzer vorsorglich instandgesetzt werden, sollte Berlin irgendwann grünes Licht für eine Lieferung geben. "Angesichts der Schwierigkeiten, die Deutschland mit der Bereitstellung von Mardern hat, wäre es jetzt wichtig, mit der Instandsetzung der Leopard-Panzer bei der Industrie zu beginnen", sagte Hofreiter zum "Spiegel", "damit sich die Lieferschwierigkeiten nicht wiederholen". Auch sei es sinnvoll, bereits mit der Ausbildung von ukrainischen Soldaten an dem Kampfpanzer zu beginnen.

Dass die Militärhilfe für die Ukraine aufgestockt werden soll, steht für Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg außer Frage. Die jüngsten Kämpfe im Osten des Landes zeigten, "wie entscheidend es ist, dass wir unsere militärische Unterstützung ausbauen", sagte er am Mittwoch. Stoltenberg betonte, die Unterstützung der Nato-Länder mache "in dieser entscheidenden Phase des Krieges einen echten Unterschied". Er rief die Alliierten auf: "Wir müssen noch mehr tun und noch schneller." Zuletzt hatte sich auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine Lieferung des "Leopard 2" ausgesprochen. "Ich denke, die Ukraine sollte die militärische Ausrüstung bekommen, die sie braucht und benutzen kann, um ihre Heimat zu verteidigen", sagte sie am Dienstag

Die Verbündeten beraten nächste Woche Freitag (20. Januar) auf der US-Militärbasis  Ramstein in Rheinland-Pfalz über eine Aufstockung der Militärhilfe. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin leitet das wiederholte Treffen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe, zu der neben den 30 Nato-Staaten zuletzt auch rund 20 andere Länder gehörten. Nach US-Angaben ist auch Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) eingeladen. Nach dem ersten Treffen, das Ende April stattfand, kündigte Lambrecht erstmals die Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland an. Seinerzeit handelte es sich dabei um den Flugabwehrpanzer "Gepard".

Quellen:  ARD-"Tagesthemen", "Berliner Morgenpost", n-tv, Redaktionsnetzwerk Deutschland"Der Spiegel", "The Guardian", "Handelsblatt", mit Material der Nachrichtenagenturen DPA und AFP

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