Kritik an Corona-Warnung Massiver Gegenwind für Lauterbach: "'Killervariante' aussichtsreicher Kandidat für Unwort des Jahres"

Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit erhobenen Händen und geschlossenen Augen
Corona-"Killervariante" im Herbst? Gesundheitsminister Karl Lauterbach wird unnötige Verunsicherung der Bevölkerung vorgeworfen.
© John MacDougall / AFP
Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist mit seiner Warnung vor einer möglichen gefährlichen Corona-Variante wohl übers Ziel hinausgeschossen. Der SPD-Politiker erzeuge vor allem Verunsicherung, kritisieren Virologen.

Als kürzlich die meisten Corona-Maßnahmen für beendet erklärt wurden, erkannten viele den Gesundheitsminister kaum wieder. Unermüdlich hatte er gemahnt, vor neuen Varianten des Coronavirus gewarnt, für manche gar regelrecht Angst geschürt, und dann das. Nun ist der Corona-Warner Lauterbach zurück und spricht von einer möglichen "Killervariante" des Virus, das uns im Herbst drohen könne. Das erzeugt vielfältigen Widerspruch.

Für den Begriff "Killervariante" haben vor allem Virologen kein Verständnis. Dieser sei unwissenschaftlich und führe zu nichts als Verunsicherung in der Bevölkerung, kritisierte der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit der "Bild"-Zeitung. Kritisch äußerten sich auch andere Experten, Patientenschützer und Politiker.

Karl Lauterbach befürchtet gefährliche Omikron-Variante

Lauterbach hatte sich in der "Bild am Sonntag" besorgt geäußert über diverse Omikron-Subvarianten, die sich gerade entwickelten. "Es ist durchaus möglich, dass wir eine hochansteckende Omikron-Variante bekommen, die so tödlich wie Delta ist. Das wäre eine absolute Killervariante", so der SPD-Politiker wörtlich.

Seiner Ansicht nach könnte im Herbst auch die inzwischen weitgehend aufgehobene Maskenpflicht in Innenräumen wieder eingeführt werden. Wegen steigender Zahlen und wahrscheinlicher neuer Mutationen werde man bis dahin das Infektionsschutzgesetz noch einmal überarbeiten müssen. Es könne dann durchaus wieder nötig sein, das Maskentragen in Innenräumen zur Pflicht zu machen, sagte Lauterbach. Über die Ostertage sanken die Zahlen zunächst weiter, wobei wegen der Feiertage ein Meldeverzug anzunehmen ist.

Maskenpflichten sind nach dem aktuell gültigen Infektionsschutzgesetz nur noch in wenigen Bereichen wie Arztpraxen oder öffentlichen Verkehrsmitteln möglich. Um weitergehende Maßnahmen anordnen zu können, müssen die Bundesländer per Landtagsbeschluss Regionen zu Hotspots erklären. Auch diese Hotspot-Regel und die Maskenpflicht in Praxen, Bussen und Bahnen dürfen laut Gesetz aber nur noch bis zum 23. September angewandt werden.

WHO hält "Killervariante" für unwahrscheinlich

Schmidt-Chanasit sieht aktuell wenig Hinweise auf eine Gefahr, wie sie Lauterbach beschreibt: "Das Auftreten einer "Killervariante" im Herbst ist laut Weltgesundheitsorganisation WHO ein sehr unwahrscheinliches Szenario", sagte der Experte. Dagegen spreche zudem die breite Grundimmunisierung in der Bevölkerung durch Impfung und Infektion, "weil die Immunität nicht nur auf neutralisierenden Antikörpern basiert, sondern auch auf einer zellulären Immunität".

Auch der Bonner Virologe Hendrik Streeck reagierte skeptisch. "Die Entwicklung von Varianten kann man nicht vorhersagen. Anstatt daher vor Szenarien wie "Killervarianten" zu warnen, wäre es wichtig, sich auf den Herbst und Winter vorzubereiten", sagte er "Bild".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Vage Prognosen "wenig hilfreich"

Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, twitterte, "bei aller Wertschätzung für die Expertise von Karl Lauterbach und meiner vollen Solidarität wegen all den unsäglichen Anfeindungen gegen seine Person, ich halte vage Prognosen zu der "Möglichkeit" der Entstehung einer "absoluten Killervariante" für wirklich wenig hilfreich."

Seine Fraktionskollegin Tabea Rößner schrieb: "Killervariante ist ein aussichtsreicher Kandidat für das Unwort des Jahres." Der CDU-Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel twitterte in Reaktion auf Lauterbachs Äußerung: "Er müsste doch eigentlich aus seinen Fehlern und Fehleinschätzungen gelernt haben."

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte der Deutschen Presse-Agentur, Angst sei ein schlechter Ratgeber. "Deshalb sollte der Bundesgesundheitsminister apokalyptische Prophezeiungen unterlassen. Das heißt nicht, unvorbereitet in den Corona-Herbst zu gehen."

DPA
dho