Debatte um Abschiebungen Merkel will Sicherheitslage in Afghanistan neu analysieren lassen

Demonstration gegen Abschiebung nach Afghanistan
Nach einem Anschlag in Kabul fanden in Deutschland zahlreiche Demonstrationen gegen geplante Abschiebungen nach Afghanistan statt
© Sachelle Babbar/Picture Alliance
Afghanistan als sicheres Herkunftsland? Nach dem verheerenden Anschlag in Kabul wurden Abschiebungen zwischenzeitlich ausgesetzt, ganz gestoppt werden sollen sie aber nicht. Kritik kommt von SPD und Grünen. 

Der Anschlag in Kabul habe "alle erschüttert", dennoch will die Bundesregierung an den geplanten Abschiebungen nach Afghanistan festhalten. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich am Donnerstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Chinas Ministerpräsident Li Keqiang zu der Debatte um einen Abschiebestopp. Die CDU-Politikerin sieht den Anschlag im Diplomatenviertel nahe der deutschen Botschaft am Mittwoch mit mindestens 90 Toten als Anlass, "noch einmal genau hinzuschauen".

Einige als sicher eingestufte Gebiete in dem Bürgerkriegsland sollten demnach neu bewertet werden. Die Sicherheitslage in Afghanistan müsse "Provinz für Provinz" immer wieder analysiert werden, so Merkel. Dafür sei das Auswärtige Amt zuständig.

Abschiebeflug nur verschoben

Die Bundesregierung hatte einen für Mittwochabend geplanten Abschiebeflug nach Afghanistan kurzfristig abgesagt. Als Begründung führte Bundesinnenminister Thomas de Maizière an, dass sich die Botschaftsmitarbeiter wegen des Anschlags nicht um die Ankunft des Abschiebefliegers am Kabuler Flughafen kümmern könnten. Der Flug soll aber bald nachgeholt werde, eine grundsätzliche Aussetzung der Abschiebungen kommt für den Innenminister nicht in Frage.

De Maizière liegt damit auf der Linie seiner Parteifreunde. Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin", dass bei abgelehnten afghanischen Asylbewerbern zwar jeder Einzelfall genau geprüft werden müsse. Einen grundsätzlichen Abschiebestopp halte er aber nicht für richtig.

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte, dass eine Rückkehr nach Afghanistan "immer noch zumutbar" sei. "Der jüngste Anschlag in Kabul war fürchterlich. Aber man muss nicht deswegen die Abschiebungen stoppen", sagte Herrmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

"Abschiebungen nach Afghanistan nicht zu verantworten"

In der SPD regen sich dagegen Zweifel: Bremens Regierungschef Carsten Sieling äußerte hingegen Bedenken an der Abschiebepraxis der Bundesregierung. Der Anschlag in Kabul mache es aus seiner Sicht "zwingend, dass die Bundesregierung ihre Sicherheitseinschätzung überprüft", sagte Sieling den Funke-Zeitungen. Ähnlich hatte sich zuvor die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer geäußert.

"Im Augenblick sind Abschiebungen nach Afghanistan nicht zu verantworten. In diesem Land können die Menschen nirgendwo sicher leben", sagte Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der "Passauer Neuen Presse". Abgelehnte Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge sollten vorerst in Deutschland bleiben dürfen. Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka sagte dagegen der "Welt", in Afghanistan gebe es "durchaus Gegenden, die als relativ sicher bezeichnet werden können".

Auf der Tagesordnung des Bundestags stand für den späten Donnerstagabend ein Antrag der Grünen-Fraktion, die Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen. Parteichef Cem Özdemir sagte, mit der namentlichen Abstimmung wolle seine Partei "die Abgeordneten zwingen, dass sie an der Abstimmung teilnehmen und dass dann auch mit offenem Visier abgestimmt wird". Der Anschlag im Kabuler Diplomatenviertel habe gezeigt, dass Afghanistan nicht sicher sei, fügte Özdemir im ARD-"Morgenmagazin" hinzu. Selbst in der "sichersten Zone" in der afghanischen Hauptstadt könnten Attentäter einen Sprengsatz zünden. "Wenn sie dort hinkommen, dann kommen sie überall hin."

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fri