Pressestimmen Münchner Sicherheitskonferenz: "Von der Siko der Ratlosen muss ein Wendesignal ausgehen"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war persönlich zu Gast bei der Münchner Sicherheitskonferenz
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war zum ersten Mal seit Ausbruch des Krieges persönlich zu Gast bei der Münchner Sicherheitskonferenz
© Pool / Ukrainian Presidentia / Planet Pix via ZUMA Press Wire / Action Press
Der Krieg in der Ukraine, der Krieg im Nahen Osten, der Tod von Kremlkritiker Alexej Nawalny: Die Münchner Sicherheitskonferenz beschäftigte sich am Wochenende vor allem mit den Krisen dieser Welt. So bewertet die Presse das Treffen der Elite.

"Badische Zeitung" (Freiburg): "Kanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius haben bemerkenswerte Reden auf der Münchner Sicherheitskonferenz gehalten. 'Ohne Sicherheit ist alles andere nichts' – Scholz’ Credo klingt zwar banal. Doch wenn man bedenkt, dass Sicherheitspolitik in Deutschland 30 Jahre lang keine Priorität hatte, ist es ein wichtiges Bekenntnis."

"Südkurier" (Konstanz): "Wladimir Putin hat es geschafft, ohne anwesend zu sein, zum bestimmenden Akteur in München zu werden. Gleich zwei Liebesgrüße aus Moskau demonstrierten den Anwesenden, wie schlecht es nach zwei Jahren Krieg um die Ukraine und die Macht des Westens bestellt ist: Pünktlich zum Auftakt der Konferenz kamen die Nachrichten vom Tod Nawalnys und vom Fall Awdijiwkas. Der ukrainische Präsident steht zunehmend mit dem Rücken zur Wand. Doch weder die Europäer, noch die USA sind bereit und in der Lage, ihm ausreichend Munition und Waffen zu liefern. Die Botschaft, die von München ausgeht, ist die eines ratlosen, unentschlossenen Westens."

"Augsburger Allgemeine": "Sicher, Trump hat nichts Neues gesagt, außerdem ist es noch längst nicht ausgemacht, dass der Ex-Immobilienmakler im Herbst tatsächlich erneut ins Weiße Haus einzieht. Dennoch ist es gut, wenn die Europäer endlich einsehen, dass sie mehr für ihre Verteidigung tun müssen, wenn sie nicht von jedem Windwechsel in Washington aufgeschreckt werden wollen."

"Ludwigsburger Kreiszeitung": "An Bekenntnissen, Europa, müsse mehr tun, um die Ukraine zu unterstützen und sich selbst gegen eine russische Aggression zu wappnen, mangelt es nicht. So wenig wie im vergangenen Jahr. Und die Konsequenzen? Es wird über einen EU-Verteidigungskommissar und europäische Atombomben fabuliert. Während Russland auf Kriegswirtschaft umgestellt hat, geht es in Europa jedoch viel zu langsam und mühsam voran. Als hätte die zunehmend militärisch unter Druck stehende Ukraine alle Zeit der Welt. Kein Wunder, dass in München der Optimismus des vergangenen Jahres nüchternem Realismus und Bitterkeit gewichen ist."

"Nürnberger Zeitung": "Wenn die Sicherheitskonferenz immerhin der Selbstvergewisserung des Westens diente, so zeigte sich die internationale Gemeinschaft angesichts des Gaza-Kriegs und der anderen Nahost-Konflikte machtlos. Etwas Besseres als die berühmte Zwei-Staaten-Lösung für Israelis und Palästinenser fiel niemandem ein. Doch davon sind die Konfliktparteien so weit entfernt wie noch selten. Und was ist mit dem Schutz des Weltklimas, Hunger und Armut in der Welt? Das Anschieben der Rüstungsproduktion habe derzeit 'Priorität Nummer eins', sagte Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson. Eine frohe Botschaft war das nicht."

"Münchner Merkur": "So verzweifelt wie auf der Siko 2024 hat man den Westen noch nie erlebt. Putins Psychokrieg ging in München voll auf: Schon zur Eröffnung präsentierte der Kremlchef seine beiden Trophäen – den Tod der Widerstandsikone Alexej Nawalny und die Eroberung Awdijiwkas. Es war der zweite Münchner Schockmoment nach Putins Rede 2007. 'Ohne Sicherheit ist alles andere nichts' war der Satz, der aus der Kanzlerrede hängen blieb. Nur darf es bei Worten jetzt nicht mehr bleiben. Von der Siko der Ratlosen muss ein Wendesignal ausgehen. Die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an Kiew, der Hochlauf der Waffenproduktion, die Debatte über einen europäischen nuklearen Verteidigungsschirm, ein EU-Rüstungskommissar – all das muss jetzt auf den Tisch, wenn die Opfer der heldenhaft kämpfenden Ukrainer nicht vergebens sein sollen und Europa nicht warten will, bis Putin das nächste Land angreift. Doch muss der Kanzler dazu endlich den Willen zur Führung aufbringen."

"Die EU sollte ein Kriegsprojekt werden": So ist die Stimmung bei der Münchner Sicherheitskonferenz
Am Freitag startete die Münchner Sicherheitskonferenz – und wurde direkt mit der tragischen Nachricht vom Tod des Russischen Oppositionellen Alexej Nawalny überschattet. stern-Reporter Steffen Gassel berichtet.
"Die EU sollte ein Kriegsprojekt werden": So ist die Stimmung bei der Münchner Sicherheitskonferenz

Internationale Stimmen zur Münchner Sicherheitskonferenz:

"Nepszava", Ungarn: "Die Nachricht vom Tod des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny hat den Verlauf der Münchner Sicherheitskonferenz etwas verändert. Vielleicht hat sie aber auch den Westen zur Besinnung gebracht: Er muss so schnell wie möglich handeln und Waffen an die Ukraine liefern, denn wenn er das nicht tut, werden nach Awdijiwka auch andere Orte an der Front in die Hände der Russen fallen – und der Zusammenbruch würde unausweichlich. Zum Nachbarn der EU könnte ein Staat werden, der Stalins Methoden kopiert, der seine politischen Gegner liquidiert, der diejenigen verhaftet, die eines Verstorbenen gedenken, der Mörder auf ein Podest stellt. [...] Auf der Münchner Konferenz haben vielleicht auch westliche Staats- und Regierungschefs erkannt: Nur sie können der Ukraine helfen, ein Wunder kann es nicht."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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"Telegraph", Großbritannien: "Die Reaktion der Nato-Spitzenpolitiker auf den Tod von Alexej Nawalny in einem sibirischen Gulag war robust. Sie warnten, dass Putin mit erheblichen Konsequenzen rechnen muss, darunter mit weiteren, nicht näher bezeichneten Sanktionen. Aber die Empörung wird bedeutungslos sein, wenn Russland das Blatt in diesem Krieg wenden kann, weil der Westen die Ukraine im Stich gelassen hat, als es darauf ankam."

"De Volkskrant", Niederlande: "Auf der Sicherheitskonferenz in München rief Julia Nawalnaja, die Witwe von Alexej Nawalny, die Welt auf, sich dem 'schrecklichen Regime' in Russland entgegenzustellen. Doch gerade in München gab es ernste Zweifel an der Widerstandsfähigkeit des Westens gegenüber Russland. [...] Es wird keinen Frieden in Europa geben, wenn Putin nicht gestoppt wird. Ein Sieg Russlands würde Diktatoren auf der ganzen Welt ermutigen, nach dem Recht des Stärkeren zu handeln und ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen. Nawalnys Tod sollte den Westen zusätzlich motivieren, dies nicht zuzulassen."

"Kommersant", Russland: "Um der Veranstaltung eine globale thematische Dimension zu verleihen, versuchten die Organisatoren, das Programm so vielfältig wie möglich zu gestalten, aber am Ende drehte sich alles irgendwie um den Konflikt um die Ukraine und die Konfrontation mit Russland. [...] Viele ranghohe Teilnehmer der Veranstaltung versuchten von der Bühne aus, Optimismus und Vertrauen in den Sieg der Ukraine und die Verlässlichkeit der transatlantischen Beziehungen auszustrahlen. Doch bei zahlreichen Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, die traditionell das Hauptprogramm des Forums begleiten, klangen sie pessimistisch, unsicher und verloren. [...] In München verpufften die Reden. Die Sicherheitskonferenz konnte nicht entscheiden, wie mit Russland angemessen umgegangen werden kann."

"La Stampa", Italien: "Die Europäer sitzen nicht untätig herum. Aber das ist nicht genug. Bundeskanzler Olaf Scholz hat keine neuen Ankündigungen gemacht, z.B. über die Entsendung von Taurus-Marschflugkörpern, während die großen europäischen Länder wie Frankreich, Deutschland, das Vereinigte Königreich, Italien und Polen die Gelegenheit nicht genutzt haben, um laut und deutlich zu signalisieren, dass wir ohne die Vereinigten Staaten auskommen werden, sollte Donald Trump wieder ins Weiße Haus gewählt werden und seine Drohungen wahr machen, Europa seinem Schicksal zu überlassen. [...] Entschlossen sollten wir uns dann fragen, was wir tun können, um Kriege zu stoppen und den Weg für einen gerechten Frieden zu ebnen."

"Neuen Zürcher Zeitung", Schweiz: "Es ist der Name einer ukrainischen Kleinstadt, der sinnbildlich steht für die Stimmung an der 60. Münchner Sicherheitskonferenz. Als Präsident Wolodymyr Selenskyj am Wochenende blass und erschöpft in das Veranstaltungshotel 'Bayerischer Hof' kam, war Awdijiwka, seit Monaten ein Bollwerk der Verteidiger im Donbass, gefallen.[...] Entsprechend deprimierend war die Stimmung in München. Nachdem im vergangenen Jahr an selber Stelle in Anbetracht der bevorstehenden ukrainischen Offensive noch Optimismus geherrscht hatte, breitete sich nun eine Atmosphäre aus, die Züge einer stillen westlichen Neigung zur Kapitulation trug."

DPA
mkb