Münchner Sicherheitskonferenz Erdogan fordert EU-Vollmitgliedschaft

Mit einem flammenden Appell für die Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die Münchner Sicherheitskonferenz eröffnet. Der Vorschlag einer privilegierten Partnerschaft von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy gefalle ihm überhaupt nicht.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan fordert mit Nachdruck faire Verhandlungen über einen Beitritt zur Europäischen Union. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz pochte Erdogan auf eine Vollmitgliedschaft ohne Wenn und Aber und wies die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) favorisierte Idee einer privilegierten Partnerschaft als völlig inakzeptabel zurück. "Man kann nicht mitten im Spiel die Regeln ändern", rief Erdogan. Der Türkei sei zugesagt worden, dass sie gleichberechtigt mit allen anderen EU-Kandidaten behandelt werde, hob Erdogan hervor. Derzeit erfülle die Türkei zwar noch nicht alle Anforderungen, aber die Mängel würden im Laufe der Zeit behoben werden. Die Türkei sei der viertgrößte Energiekorridor für die EU und stehe "im Mittelpunkt einer der krisengeschüttelten Regionen der Welt. Unsere Freunde sollten diese Rolle der Türkei gut nutzen", sagte Erdogan.

Vor 350 hochrangigen Gästen sagte Erdogan weiter, der Beitritt seines Landes zur EU wäre ein positives Signal für die gesamte muslimische Welt. Die Türkei könne eine Allianz zwischen den Kulturen garantieren. Mit dem Beitritt ist nicht vor 2015 zu rechnen. Zugleich warb er um Unterstützung für die Kandidatur seines Landes einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in den Jahren 2009 und 2010.

Scharf reagierte Erdogan auf Fragen zur Integrationsfähigkeit der Muslime in der EU. Man könne nicht von Freiheit des Gewissens und der Glaubensfreiheit reden und dann solche Frage stellen. "Wenn die EU ein Christen-Club ist, darf man nicht von einer Allianz der Kulturen sprechen", sagte Erdogan laut einer Übersetzung ins Deutsche. Gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei gibt es in der EU Widerstand. So ist auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy dagegen.

"In Afghanistan keinen Schritt zurückweichen"

Erdogan verwies auf die Schlüsselrolle seines Landes für die Weltpolitik. Die Türkei sei ein zentraler strategischer Vermittler zwischen West und Ost. Der Staatschef warnte auch vor einer Globalisierung des Terrorismus. Er rief die internationale Staatengemeinschaft auf, Terrororganisationen weltweit entschlossen zu bekämpfen, darunter auch die Kurdische Arbeiterpartei PKK. Der Terror sei keine nationale, sondern eine internationale Angelegenheit. Dagegen müsse man "Hand in Hand" zusammenarbeiten.

Zur türkischen Militäroperation gegen die PKK im Nordirak sagte Erdogan, diese sei keinesfalls gegen die Zivilbevölkerung gerichtet. Die Türkei begehre auch nicht "eine Handbreit irakischen Bodens". Von der PKK gehe aber eine "offene Bedrohung" für die Türkei aus, sagte Erdogan. Man werde die Militärschläge deshalb so lange wie nötig fortsetzen.

Erdogan rief die NATO eindringlich auf, bei ihrem Einsatz in Afghanistan "keinen Schritt" zurückzuweichen. Derzeit gibt es in der westlichen Allianz heftigen Streit über die gerechte Lastenverteilung beim Einsatz in Afghanistan.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Diskussion um türkische Schulen in Deutschland

Unterdessen diskutieren deutsche Politiker Erdogans Vorschlag, in Deutschland türkische Bildungseinrichtungen zu schaffen. Der CDU-Politiker Friedbert Pflüger begrüßt die Idee: "Ich setze mich für eine private türkische Elite-Universität in Deutschland ein", sagte der Oppositionsführer im Berliner Abgeordnetenhaus, der auch CDU-Präsidiumsmitglied ist, der "Frankfurter Rundschau". CSU-Chef Erwin Huber hat den Vorstoß des türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan für türkische Gymnasien und Universitäten in Deutschland in scharfer Form zurückgewiesen. "Das ist Gift für die Integration, führt zu Ghettos und zu einer Klein-Türkei in Deutschland", sagte Huber der "Bild am Sonntag". Kritik kam auch von der SPD-Migrationsexpertin Lale Akgün. Schulen nach ethnischer Herkunft einzurichten, diene der Spaltung und nicht der Integration, sagte sie der "Frankfurter Rundschau". "Ich will nicht, dass die Kinder körperlich hier sind und geistig und seelisch in der Türkei. Dort ist eine ganz andere Lebenswelt als hier, und Sprache wird ja nicht abstrakt gelehrt."

Rückendeckung bekam Erdogan von CDU-Präsidiumsmitglied Friedbert Pflüger. "Ich setze mich für eine private türkische Elite-Universität in Deutschland ein", sagte er der "Frankfurter Rundschau". Die türkischstämmige Bevölkerung hier zu Lande brauche Eliten und Vorbilder aus den eigenen Reihen.

Erdogan hatte am Freitag nach Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin für die Gründung türkischsprachiger Gymnasien geworben. Die Türkei sei auch bereit, Lehrer an deutsche Schulen zu entsenden. Merkel reagierte zurückhaltend auf den Vorstoß.

AP · DPA · Reuters
DPA/Reuters/AP