Nach der Veröffentlichung von Nebeneinkünften deutscher Abgeordneter bei VW werden Forderungen nach weiterer Aufklärung und mehr Transparenz immer lauter. Die Debatte um die Doppelbezüge von Mandatsträgern wird schon seit Jahren geführt, bekam aber mit den umstrittenen Zahlungen von VW an SPD-Abgeordnete und des Energiekonzerns RWE an die CDU-Politiker Laurenz Meyer und Hermann-Josef Arentz neuen Zündstoff. Beide CDU-Politiker zogen Mitte Dezember die Konsequenzen und traten von ihren Ämtern zurück.
Thierse fordert Verschärfung der Vorschriften
Auf dem politischen Parkett ist die Diskussion um die Offenlegung von Nebeneinkünften voll entbrannt. Nebeneinkünfte führten zu Interessenskonflikten und Korruption, sagen Kritiker. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) fordert, die Vorschriften zu den Angaben über Nebeneinkünfte von Abgeordneten zu verschärfen.
Es gebe zwar eine Offenlegungspflicht der Berufe und Nebenberufe von Parlamentariern, sagte Thierse am Freitag in der ARD. Doch "wird man vielleicht noch überlegen müssen, ob man die Angaben zu den beruflichen und nebenberuflichen Tätigkeiten konkretisieren muss oder kann."
Bei den Sanktionen baut Thierse auf die Öffentlichkeit. "Wir haben eine funktionierende Öffentlichkeit. Die Herren Arentz und Meyer haben Konsequenzen ziehen müssen aus ihrem Verhalten.", so der Bundestagspräsident. "Mir scheint vor allem wichtig zu sein, dass wir die Antikorruptionsrichtlinie, die internationalen, nun endlich auch in deutsches Recht übersetzen", sagte Thierse. "Dann wird man auch mehr Sanktionsmöglichkeiten haben gegen Abgeordnete, die in irgendeiner Weise korrupt sind."
Keine "geschlossene Gesellschaft" im Bundestag
Thierse warnte vor Forderungen nach einem "gläsernen Abgeordneten", der all seine Verdienste offen legen müsse. "Wollen wir etwa den Effekt erzielen, dass es Mitglieder freier Berufe, Unternehmer, Gewerkschafter im Parlament nicht mehr gibt", fragte Thierse am Freitag im "Deutschland Radio Berlin". Wenn klar sei, welchen Tätigkeiten nachgegangen werde, schade das nicht, sagte der SPD-Politiker. Bei einem Verbot von Nebentätigkeiten würde der Bundestag nach Ansicht Thierses zu einer "geschlossenen Gesellschaft" aus Beamten und ohne Anwälte oder Unternehmer werden.
In der SPD mehren sich indes Forderungen nach strengeren Regeln bei Nebeneinkünften von Politikern. Während der Klausurtagung der SPD-Bundestagsabgeordneten in Leipzig plädierten mehrere Abgeordnete am Donnerstag für transparentere Vorschriften. Andere Parlamentarier sprachen sich für freiwillige Veröffentlichungen solcher Einkünfte aus. SPD-Fraktions- und Parteichef Franz Müntefering warnte vor pauschalen Beurteilungen von bezahlten Nebentätigkeiten von Abgeordneten. Insgesamt hätten sich die bisherigen Regeln, nach Ansicht Münteferings, bewährt. Es solle jedoch geprüft werden, ob an der einen oder anderen Stelle Präzisierungen vorgenommen werden könnten, sagte er laut Angaben von Teilnehmer der Tagung. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz plädierte hingegen dafür, dass Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte auf freiwilliger Basis offen legen sollten. Nach dem Willen des saarländischen SPD-Vorsitzenden Heiko Maas sollten die Einkünfte von Politikern künftig offen gelegt werden. Er sei nicht grundsätzlich gegen Nebeneinkünfte, sagte Maas der "Berliner Zeitung". "Allerdings sollten alle Einnahmen offen gelegt werden, und zwar nicht nur dem Parlamentspräsidenten, sondern der gesamten Öffentlichkeit."
Dieter Althaus sieht keinen Handlungsbedarf
Für Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sind die Nebeneinkünfte von Politikern kein Thema solange Leistung und Gegenleistung stimmten. Seine Parteivorsitzende Angela Merkel fordert hingegen "ein großes Maß an Transparenz". Es müsse alles daran gesetzt werden, "dass möglichst viele Berufsgruppen im Parlament vertreten sind". Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Ramsauer ist sogar gegen eine komplette Offenlegung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Er halte nichts davon, "solche Bezüge aus jedweder Tätigkeit zu veröffentlichen", sagte Ramsauer am Freitag in der ARD. Das möge "einen Hinweis darauf geben, ob jemand bestimmte Interessen verfolgt, aber noch lange keinen hinreichenden Hinweis". "Interessengeneigtheiten" kämen auch durch Ehrenämter und "verschiedene Prägungen" zustande.
Grüne wollen mehr Transparenz
Die Grünen hingegen drängen auf mehr Transparenz bei Nebenjobs von Abgeordneten. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte bei der Fraktionsklausur am Donnerstag in Wörlitz, es müsse offen gelegt werden, welche Nebentätigkeiten Abgeordnete ausübten und wie viel Geld sie damit verdienten. Ihre Amtskollegin Krista Sager argumentierte ähnlich: "Politische Einflussnahme auf Abgeordnete über Geld: Das geht nicht." Sager plädierte dafür, dass die Bundesregierung eine Brüsseler Richtlinie zur Korruptionsbekämpfung umsetzen müsse.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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FDP-Chef Guido Westerwelle will bei der "Politikerversorgung" ansetzen
FDP-Chef Guido Westerwelle beklagte erneut, dass sich die Diskussion in die falsche Richtung bewege: Es müsse vielmehr um die "Politikerversorgung, besser gesagt die Überversorgung, nach dem Ausscheiden aus dem Amt" gehen, sagte er am Freitag dem "Hamburger Abendblatt". Der Innenexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Max Stadler, hält dagegen eine stärkere Kontrolle der Parlamentarier durch die Wähler für besser als eine Änderung der Verhaltensregeln. In der "Passauer Neuen Presse" schlug er am Freitag vor, das bayerische Landtags-Wahlrecht auf die Bundestagswahl zu übertragen. Durch die Möglichkeit, Abgeordnete auf der Liste nach vorne zu wählen, könne der Wähler in Bayern seine Sympathien unmittelbarer zum Ausdruck bringen als im Bund. In Bayern hat der Wähler bei der Landtagswahl zwei Stimmen, mit denen er einmal einen Direktbewerber wählt und zum anderen einen von der Partei aufgestellten Kandidaten der Liste ankreuzt. Mit dieser Methode bestünde auch die Chance, Kandidaten, die nach Ansicht der Wähler Nebeneinkünfte im Übermaß bezögen, abzustrafen, sagte Stadler.
"Transparenz ist jetzt das höchste Gebot"
Auch die Wirtschaft hat sich in die Diskussion um Politikergehälter eingemischt. Siemens-Vorstandschef Heinrich von Pierer hat vor Überreaktionen gewarnt. "Wir sollten uns davor hüten, das Kind mit dem Bade auszuschütten", sagte er am Donnerstag bei einem gemeinsamen Besuch mit CDU-Chefin Angela Merkel im Siemens-Generatorenwerk Erfurt. Es sei wichtig, "Leute mit unternehmerischen Erfahrungen in der Politik zu haben". Deshalb sei er auch dafür, wenn sich Mitarbeiter des Konzerns auf diesem Gebiet engagieren. Voraussetzung sei jedoch Transparenz. "Ich bin aber auch dafür, dass Leute eine Rückfahrkarte haben", sagte der scheidende Vorstandsvorsitzende der Siemens AG. Er finde nichts Verwerfliches daran, wenn Abgeordnete in Landtagen eine Teilzeitbeschäftigung in der Wirtschaft ausüben.
Aktionärsvertreter haben angekündigt, Aktiengesellschaften in diesem Jahr gezielt nach Zahlungen an Politiker zu befragen. Auf den Hauptversammlungen dieses Jahres müssten sich die Unternehmen viele Fragen zum Thema gefallen lassen, sagte der Hauptgeschäftsführer der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Ulrich Hocker, dem Berliner "Tagesspiegel": "Die Aktionäre erwarten, dass ihnen auf Anfrage Informationen gegeben werden." "Transparenz ist jetzt das höchste Gebot", sagte auch der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, Klaus Schneider. Beide Funktionäre waren sich jedoch darin einig, dass es vor allem Aufgabe der Politik sei, Klarheit über die Nebeneinkünfte von Politikern zu schaffen.
Während Volk- und Wirtschaftsvertreter noch diskutieren, ist die Mehrheit der Deutschen sich bereits einig. Beim ZDF-Politbarometer plädierten 79 Prozent dafür, die Höhe der Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten zu veröffentlichen. 19 Prozent halten die bisherigen Regelungen für ausreichend.