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Affärenstadl Berlin Klaus Wowereit, der Unkaputtbare

BER-Debakel, S-Bahn-Chaos, Schmitz-Affäre - es kann kommen, was will, Klaus Wowereit bleibt regierender Bürgermeister. Warum?
Von Jens-Peter Hiller

Passiert, notiert: André Schmitz, nun ja, hat Steuern hinterzogen. Sein Chef Klaus Wowereit wusste das, hielt ihn trotzdem im Amt. Inzwischen hat Schmitz die Steuern nachgezahlt, eine Strafe obendrauf, und er ist zurückgetreten. Muss ein Wowereit deswegen gleich den verdienten Skiurlaub abbrechen? Aber nicht doch. Je mehr Zeit vergeht, desto höher sind die Chancen, den Skandal auszusitzen. Und da Wowereit nicht für sich selbst kämpft, tun es eben andere. Bundesparteichef Sigmar Gabriel hat schon Rückendeckung gegeben, der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse besänftigte mit den Worten "Ich fürchte, ich hätte das selbe getan". Selbst der manchmal rebellische Berliner SPD-Chef Jan Stöß fügt sich mittlerweile: "Wir stehen hinter unserem regierenden Bürgermeister." Skandal? Wo?

Nun ja. "Die Hütte brennt", stellte Wowereits SPD-Kollege Heinz Buschkowsky diese Woche fest. FDP-Vize Wolfgang Kubicki forderte den Rücktritt des Regierenden Bürgermeisters. Aber das haben, bei anderen Gelegenheiten, schon viele vor ihm getan.

Wowereit balanciert wie eine Katze mit sieben Leben über die Dächer Berlins. Manchmal stürzt er politisch ab. Aber, simsalabim: Es geht trotzdem weiter.

Erstes Leben: Das Flughafen-Debakel

Es ist die größte Blamage ever, ever, ever der Hauptstadt. Vier Mal wurde die Eröffnung des Berliner Flughafens BER bereits verschoben. Die Kosten sind explodiert. 1,7 Milliarden Euro standen ursprünglich auf der Rechnung, inzwischen sind es 4,3, manche rechnen bereits mit 5 Milliarden. Klaus Wowereit ist als langjähriger Aufsichtsratschef mitverantwortlich. Als er deswegen den Posten räumen musste, war er angezählt, besser gesagt: er stand kurz vorm Knock-Out. "Das war's jetzt Klaus", twitterte Jürgen Trittin von den Grünen. War's aber nicht: Ein Misstrauensantrag der Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus scheiterte.

Zweites Leben: Der Sonnenkönig im Urlaub

Wowereit, "der Sonnenkönig", wie ihn manche nennen, urlaubt gerne: derzeit in den Alpen. 2002 und 2003 war er zu Gast auf der spanischen Finca des Eventmanagers Manfred Schmidt. Ist das nicht … ja, genau, das ist jener Manfred Schmidt, der den Sprecher von Ex-Bundespräsident Christian Wulff bestochen haben soll. Wowereit redete sich heraus, sein Schmidteinander habe "nichts Verwerfliches oder Geheimnisvolles" an sich gehabt und machte einfach weiter. Es folgten: "Dienstreisen" nach Mexiko und Kalifornien. Fotos zeigten den Regierenden mit Bierchen und Mexikaner-Hut. Was blieb war der Spitzname "Sombrero-Klaus". Und Wowereit machte munter weiter: Die "Berliner Zeitung" berichtete 2012, dass er sich vom Unternehmer und ehemaligen Bahnchef Heinz Dürr im Privatjet kostenlos nach London habe mitnehmen lassen. Wowereit erklärte lapidar: Nach London sei Dürr "sowieso geflogen" und geschäftliche Beziehungen hätten die beiden nicht gehabt. Punkt.

Drittes Leben: Die Talfahrt der Umfragen

Er war mal der Darling Berlins, ein Mann, dem die Menschen alles zutrauten, selbst die Kanzlerkandidatur. Aber spätestens nach dem BER-Debakel rauschten Wowereits Umfragewerte in den Keller. Gut zwei Drittel der Berliner hielten ihren Bürgermeister 2013 für nicht mehr vertrauenswürdig. Das wäre der Zeitpunkt für einen ambitionierten Konkurrenten gewesen, ihn aus dem Amt zu manövrieren. Was geschah? Nichts.

Viertes Leben: Niederlage in der SPD

Wowereit und sein Parteichef Michael Müller waren acht Jahre lang das Dreamteam der Berliner SPD. Ein Machtzentrum, das am linken Parteiflügel vorbeiregierte. Gemeinsam setzten sie den Ausbau der Stadtautobahn A 100 durch, was von der Partei nicht gewollt war und die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen sprengte. 2012 nahm die Basis Rache - und wählte Jan Stöß, einen Linken, zum Landesvorsitzenden. Müller war entlassen, Wowereit düpiert, die Partei tief gespalten. Aber die Revolution des linken Flügels verlief im Sande. Wowereit erklärte: "Wer Krieg will, kann ihn haben." Und gewann ihn.

Fünftes Leben: Berlin rutscht aus

Berlin ist nicht Basel, daran haben sich die meisten gewöhnt. Aber es gibt Phasen, da nervt das Chaos schon gewaltig. Im Februar 2010 überzog Glatteis die Stadt. Die Berliner schlidderten durch die Straßen, in den Notaufnahmen stapelten sich Menschen mit Knochenbrüchen. Wowereit habe zu zögerlich gehandelt und zu wenig streuen lassen, hieß es. Der Regierende entgegnete, Berlin sei halt nicht Haiti und rutschte abermals in den Umfragen ab. Auf einer Beliebtheitsskala der Landespolitiker belegte er den drittletzten Platz. Krisenmanagement ist nicht seine Sache: Schon 2009, beim berüchtigten S-Bahn-Chaos, stand Wowereit mit leeren Händen da.

Egal. Es geht immer weiter. Derzeit fordern auf Facebook 1261 Wowereits Rücktritt, die Seite "Klaus Wowereit" hat allerdings zehn Mal so viele Fans. Einer von ihnen dürfte Franz Josef Wagner sein. Der "Bild-Kolumnist" schrieb am Freitag: "Klaus Wowereit hat aus dieser kaputten, armen Stadt eine leuchtende Metropole gemacht. Er ist ein Show-Mensch, er ist kein Buchhalter. (…) Ich kenne keinen Nachfolger."

So geht es seiner Partei auch. Und solange Wowereit Wahlen gewinnt - was er in den vergangen zwölf Jahren konstant tat - und der Bundespolitik nicht im Wege steht, droht ihm kein Absturz. "Wowi" ist alles andere als perfekt, das ist inzwischen sogar etwas wie sein Markenzeichen. Genauso wie die Stadt selbst.

Am Montag wird er sich den Abgeordneten drei Stunden lang zur Schmitz-Affäre erklären. Und danach? Läbbe geht weiter. Zwei hat er ja noch.

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