Viele Jahre haben Betroffene und ihre Unterstützer dafür gekämpft, nun soll das umstrittene Transsexuellengesetz tatsächlich abgeschafft werden. Die Ampel-Koalition will stattdessen mit einem Selbstbestimmungsgesetz dafür sorgen, dass eine einfache Erklärung beim Standesamt ausreicht, um Geschlechtseintrag oder Vornamen zu ändern. Betroffene sollen außerdem vor einem ungewollten Outing geschützt werden. Am Freitag findet dazu im Bundestag eine namentliche Abstimmung statt. ollte der Bundestag das Gesetz am Freitag absegnen, gilt es als beschlossen. Eine Zustimmung des Bundesrats ist nicht erforderlich. Das Gesetz soll planmäßig am 1. November 2024 in Kraft treten.
An wen richtet sich das Gesetz?
Die Neuregelung richtet sich an trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen. Transgeschlechtliche sind Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Als intergeschlechtlich werden Menschen bezeichnet, die körperliche Geschlechtsmerkmale ausweisen, die nicht ausschließlich männlich oder weiblich sind. Unter nicht-binär versteht man Menschen, die sich selbst nicht in die gängige Geschlechtseinteilung in Mann/Frau einordnen.
Welche Regelung gilt bisher?
Das aus dem Jahr 1980 stammende Transsexuellengesetz sieht vor, dass Betroffene für eine Änderung des Geschlechts- oder Vornamenseintrags zwei psychologische Gutachten einreichen müssen. Am Ende entscheidet dann das zuständige Amtsgericht. Teile der Vorschriften wurden inzwischen vom Bundesverfassungsgericht verworfen. Betroffene kritisieren das Verfahren als langwierig, teuer und entwürdigend – sie sprechen von einer "psychiatrischen Zwangsbegutachtung".
Was soll künftig gelten?
Volljährige transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen sollen künftig ihren Geschlechtseintrag und Vornamen per Erklärung gegenüber dem Standesamt ändern können. Die bisherige Pflicht, eine ärztliche Bescheinigung dafür vorzulegen, soll wegfallen. Dann können Dokumente wie der Reisepass umgeschrieben werden. Diese verlangte "Erklärung mit Eigenversicherung" muss nicht mit Gutachten flankiert werden und wird nicht gerichtlich überprüft. Sie ist unabhängig davon, inwieweit sich der oder die Betroffene zu geschlechtsangleichenden medizinischen Eingriffen entscheidet. Betroffene müssen lediglich erklären, dass die beantragte Änderung ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht.
Was ist mit Menschen unter 18?
Bei Kindern unter 14 sollen die Eltern die nötige Erklärung beim Standesamt einreichen können. Jugendliche ab 14 können dies selbst tun, allerdings nur mit Einverständnis der Eltern. Gibt es hier innerfamiliäre Konflikte, kann das Familiengericht die Entscheidung treffen. Maßstab soll das Kindswohl sein.
Wie oft kann der Geschlechtseintrag geändert werden?
Eine zahlenmäßige Begrenzung ist nicht vorgesehen. Allerdings soll es eine Sperrfrist von einem Jahr geben – erst danach ist eine erneute Änderung möglich. "Dies dient dem Übereilungsschutz und soll die Ernsthaftigkeit des Änderungswunsches sicherstellen", heißt es in dem Entwurf. Für das Inkrafttreten der Änderung des Geschlechtseintrags gilt eine Drei-Monats-Frist.
Gab es noch Änderungen am Gesetzentwurf?
Nach heftigen Debatten sind einige Verschärfungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung eingeflossen. So soll eine Voraussetzung für die Änderung des Eintrags sein, dass diese drei Monate im Voraus beim zuständigen Standesamt angemeldet werden muss.
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Welche Regelungen waren besonders umstritten?
Intensive Debatten gab es in der Frage von Hausrecht und Zugang zu geschützten Räumlichkeiten – also etwa Saunen, Umkleidekabinen, Frauenhäusern und anderen Schutzräumen insbesondere für Frauen. Manche Frauenrechtlerinnen hatten Bedenken geäußert, solche Schutzorte generell auch für Trans-Personen öffnen zu müssen. Das Selbstbestimmungsgesetz lässt das private Hausrecht nun aber unberührt. Dabei gilt aber immer das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Diskriminierungen verhindern soll.
Einer früheren Verabschiedung des neuen Gesetzes standen zuletzt Bedenken aus dem Bundesinnenministerium entgegen. Die Befürchtung: Kriminelle könnten sich den Identitätswechsel zunutze machen und sich auf diese Weise den Strafverfolgungsbehörden entziehen. Dies soll laut Medienberichten mit der nun vorgelegten überarbeiteten Fassung des Entwurfs aber vermieden werden können.
Was sagt die Opposition?
Die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht ist strikt gegen das geplante Selbstbestimmungsgesetz, das Einträge zum Geschlecht beim Standesamt vereinfachen soll. Die für Freitag vorgesehene Verabschiedung des Gesetzes sei ein schwerer gesellschaftspolitischer Fehler, sagte Wagenknecht dem Nachrichtenportal T-Online. "Das Gesetz wird Menschen in Geschlechtsumwandlungen treiben, die es dann bitter bereuen werden."
Scharfe Kritik am geplanten Gesetz übten zuletzt auch AfD und Union. Sie befürchten, dass Geschlechtseinträge dadurch künftig willkürlich geändert werden könnten. Die stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), hat das geplante Selbstbestimmungsgesetz scharf kritisiert. "Die Ampel-Fraktionen haben sich mit diesem Gesetz verrannt und schießen über das Ziel hinaus", erklärte Lindholz am Mittwoch in Berlin. Nicht nur der Kinder- und Minderjährigenschutz werde sträflich missachtet, "die Ampel schafft mit dem Selbstbestimmungsgesetz nun sogar ein echtes Sicherheitsrisiko." Die Vize-Unionsfraktionsvorsitzende Dorothee Bär (CSU) fürchtet, junge Menschen könnten zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen geradezu ermutigt werden.