Angela Merkel hat eine Atempause eingelegt, keine Auftritte am Montag und auch am Dienstag Funkstille. Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, will die Kanzlerin nach dem überraschenden Rückzug ihres Stars Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und ihrer blitzartigen Kabinettsumbildung in der vorigen Woche kurz verschnaufen und erst am traditionellen politischen Aschermittwoch wieder in den Ring steigen. Doch mitten in ihre Mini-Auszeit platzt die Nachricht von neuen Turbulenzen in der Regierungsmannschaft: Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) wird womöglich der Nächste sein, der ihr von der Fahne geht.
Der 45-jährige Röttgen, Merkels Aushängeschild für den Modernisierungskurs der Union in Sachen Klimaschutz, hält sich zwar noch bedeckt. Aber die Parteifreunde des nordrhein-westfälischen CDU-Landeschefs haben daheim im bevölkerungsreichsten Bundesland bereits mit viel Getöse die Weichen gestellt: In Nordrhein-Westfalen soll es Neuwahlen geben, und zwar im Juli, noch vor der Sommerpause. Und Röttgen hatte bereits vor Monaten angekündigt, als neuer Landesvorsitzender auch die Spitzenkandidatur zu übernehmen. Damals deutete er an, auch nach einer Wahlniederlage nach Düsseldorf zu wechseln - als Oppositionsführer.
Von Parteifreunden in Wahlkampf getrieben?
"Merkel kann schon einmal anfangen, über einen geeigneten Nachfolger für das Umweltressort nachzudenken", heißt es bereits in der Führung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Denn Röttgen würde seine Erfolgschancen und die Glaubwürdigkeit als Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen erheblich schmälern, wenn er sich im Wahlkampf nicht klipp und klar auf einen Wechsel in die Landespolitik festlegen sollte. Und ein Abschied des Umweltministers würde Merkel einen empfindlichen Kontrollverlust bescheren: Denn solange der Vorsitzende des mächtigsten CDU-Landesverbandes noch in Berlin in die Kabinettsdisziplin eingebunden ist, kann die Kanzlerin die Profilierung ihres Ministers in überschaubaren Grenzen halten. Wenn Röttgen aber Merkels Regierungsmannschaft verlässt, ist er nur noch seiner Parteikarriere verpflichtet - und das bedeutet in der Regel scharfe Abgrenzung gegen die Bundes-CDU von Parteichefin Merkel.
Röttgen selbst zögert noch mit einer klaren Festlegung zu seiner politischen Zukunft. Seit die nordrhein-westfälische SPD und seine eigenen Parteifreunde - CDU-Landtagsfraktionschef Karl-Josef Laumann und dessen Stellvertreter Armin Laschet - im Streit über den Landeshaushalt 2011 auf Neuwahlen dringen, hat Röttgen auffällig hartnäckig geschwiegen. Es sieht so aus, als wollten ihn die eigenen Leute aus Berlin weglocken und in den Wahlkampf hineintreiben. Laumann und Laschet gelten nicht gerade als Röttgen-Fans: In der Mitgliederbefragung im vergangenen Herbst über den künftigen CDU-Landeschef war Laschet gegen Röttgen angetreten und von Laumann unterstützt worden. Röttgen setzte sich trotzdem durch. Und nun wollen die Unterlegenen ihn zum Schwur bewegen, wie ernst es ihm ist mit dem Aufbau einer echten eigenen Hausmacht in Nordrhein-Westfalen. Und ob der smarte Jurist dafür auch bereit ist, die rasante Berliner Karriere vorerst aufzugeben.
Bei der E10-Posse gibt Röttgen eine schwache Figur ab
Allerdings: In der Posse um die Einführung des neuen Biokraftstoffs E10 macht der Umweltminister keine gute Figur. Zwar gab er sich im Vorfeld des heutigen "Benzin-Gipfels" ostentativ "zuversichtlich, dass das entstandene Misstrauen beim Verbraucher wieder abgebaut werden kann". Doch klar ist: Die Reputation Röttgens droht bei dem E10-Chaos Schaden zu nehmen.
So verspottet Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin Röttgen schon als "Totalausfall". In einem Interview mit Spiegel Online schimpfte Trittin, Röttgen sei "komplett abgetaucht" und spiele in der aktuellen E10-Diskussion "überhaupt keine Rolle". Dass der Benzin-Gipfel auf Initiative von Wirtschaftsminister Brüderle stattfinde, sei ein klares Zeichen. "Ein Minister, der sich so etwas wegnehmen lässt, hat innerlich schon abgedankt", sagte Trittin. "Offensichtlich ist Herrn Röttgen der Landesvorsitz der CDU in Nordrhein-Westfalen wichtiger als seine Amtspflichten."
Vor drei Wochen noch ließ Röttgen ausdrücklich offen, ob er in Zukunft voll auf die Landespolitik setzen will. Auf die Frage, ob er auch im Falle einer Wahlniederlage nach Düsseldorf gehen wolle, antwortete er damals dem "Spiegel": "Ich bewerbe mich nicht um das Amt des Oppositionsführers. Ich trete an, um Ministerpräsident zu werden." Dann fügte er noch hinzu, er sei zu "umfassender landespolitischer Verantwortung" bereit. "Wir entscheiden das gemeinsam nach der Wahl."
Kanzlerin Merkel kennt sich aus mit Zaudern und Zögern und Grübeln über die richtige Strategie zum Aufstieg an die Macht im passenden Moment - und mit taktischen Spielchen zum Machterhalt danach. Das kann die CDU-Chefin Röttgen nicht verübeln. Sie selbst war auch schon einmal Umweltministerin in Berlin und entschied sich schließlich dafür, die Parteikarriere in den Mittelpunkt zu rücken. Mit Erfolg.