Steuerstreit Warum Seehofer Merkel attackiert

  • von Hans Peter Schütz
Mit kompromissloser Penetranz versucht CSU-Chef Horst Seehofer, gegen den Willen der Kanzlerin Steuersenkungen durchzusetzen. Die Atmosphäre zwischen den Schwesterparteien ist inzwischen so schlecht wie unter Franz-Josef Strauß und Helmut Kohl. Und das hat gute Gründe.

Er lächelte so charmant und er sprach mit ganz sanfter Stimme. Doch dann kamen Worte aus dem Munde von Horst Seehofer, die Angela Merkel noch lange schmerzen werden. "Sollen wir denn 2009 wieder Wahlkampf machen mit Versprechen, wie wir es 2005 gemacht haben?"

Nein, lautet die Antwort des bayerischen Ministerpräsidenten. Nein. Nein. Nein. Vor vier Jahren war die Kanzlerkandidatin Merkel mit dem Versprechen in den Wahlkampf gezogen, sie werde die Steuern senken. Nach der Wahl wurden die Bürger stärker als jemals zuvor zur Kasse gebeten.

Eine klare politische Note setzen

Nicht noch einmal, darauf besteht der CSU-Chef. Wenn Merkel verspreche, die Steuern 2010 zu senken, dann könne sie es auch schon vor der Bundesstagswahl 2009 tun. "Wir als Union müssen eine klare politische Note setzen", sagte Seehofer in Berlin. Es müsse jetzt eine allgemeine Steuererleichterung geben. Siegesgewiss fügte er hinzu: "Es geht so aus, wie ich hoffe."

Seehofer hat sich gut gemerkt, was sein neuer Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg im Gespräch mit stern.de als Devise für den politischen Kampf ausgegeben hat: Ein bayerischer Löwe bellt nicht. Der faucht.

Weg mit dem "Mittelstandsbauch"

Wie Seehofer das Richtung Angela Merkel tut. Wie auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer es inzwischen gelernt hat. Und wie selbst Bundeswirtschaftsminister Michael Glos, einst ein guter Freund der Kanzlerin, mittlerweile verinnerlicht hat: "Wenn man mich nachts aufweckt und 'Parole!' schreit, rufe ich 'Steuersenkung!' zurück." 25 Milliarden Entlastung schon 2009, notfalls rückwirkend, fordert er, Merkel müsse endlich "mit größeren Zahlen kommen". Weg mit dem so genannten "Mittelstandsbauch" bei der Lohn- und Einkommensteuer. Her mit einem gleichmäßig steigenden Steuertarif.

Alleine steht die CSU mit ihren Forderungen nicht - und das offenbart die strategische Dimension dahinter. Der bayerische Ministerpräsident macht Vorschläge, die sein neuer Koalitionspartner FDP nicht kritisieren kann. Auch die Liberalen fordern ein Steuersenkungsprogramm, das die kalte Progression entschärft. Wenn Seehofer ruft "Jetzt müssen weitere Schritte zur breiten Steuerentlastung für die Mittelschicht folgen", nicken ihm Gelbe dem Schwarze begeistert zu. So gehen sie gemeinsam in die Weihnachtsfeiertage, so befeuern sie gemeinsam das Koalitionsgespräch am 5. Januar. Die CSU schert aus dem Unionslager aus - und präsentiert sich mit der FDP als allzeit bereite Kampfmaschine gegen die Kanzlerin.

Es knirscht bei Angela und Horst

Ausgeprägte Sympathiewerte hatte die Beziehung zwischen Merkel und Seehofer noch nie, auch wenn sie sich neuerdings mit "Angela" und "Horst" anreden. Im Streit um die Gesundheitspolitik hat er ihr einst den stellvertretenden Fraktionsvorsitz vor die Füße geworfen. Später wollte sie ihn als neuen Landwirtschaftsminister verhindern. Ohne Erfolg.

Seehofer, der sich CSU-intern vorzugsweise als Sozialpolitiker profilierte, reibt sich an Merkels "Sozialdemokratisierung" der Union. Jetzt soll die "Renaissance der sozialen Marktwirtschaft" von der CSU ausgehen. Seehofers unmissverständliche Ansage: "Meine Kampfkraft erstreckt sich auch auf Berlin." Sein bisher wuchtigster Schlag: Die Drohung, nicht zum Koalitionsgespräch im Januar anzutreten, wenn dort nicht über Steuersenkungen geredet werde. Steuersenkungen jetzt, wohlgemerkt, "und nicht nur als Wahlversprechen". Im Kanzleramt macht macht sich niemand Illusionen. Ein enger Merkel-Mitarbeiter: "Der Seehofer wird jeden Tag in die Berliner Suppe spucken."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Unvergessene Sünden

In München hingegen muss Seehofer Manieren zeigen. Noch liebt die CSU ihren neuen Chef nicht. Bei vielen unvergessen: Dass er sich vom ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber instrumentalisieren ließ, um Rache an Erwin Huber und Günther Beckstein zu nehmen. Und dass es eben dieser Stoiber war, unter dessen Regie die Bayerische Landesbank Milliarden verspekulierte, wofür das Land Bayern noch lange wird bezahlen müssen. Seehofer hat, wie er selbst in seiner Regierungserklärung sagte, in Bayern eine sehr schwierige Phase vor sich.

Zumal er auch die von Stoiber, Huber und Beckstein verspielte bundespolitische Kompetenz der Partei neu durchsetzen muss. Merkel hat die CSU zeitweise als eigenständige Partei verschwinden lassen und sie zu einem CDU-Landesverband degradiert. Seitdem ist eine Rechnung mit "Mutti Merkel" offen. Seehofer ist fest entschlossen, seiner CSU wieder jenen Bewegungsspielraum zu erobern, den etwa Franz-Josef Strauß stets mit dem Argument beanspruchte, die CSU befinde sich in einer internen Koalition mit der CDU. Bei dieser Profilierung braucht Seehofer schnelle Erfolge, denn die CSU steht unter erheblichem Zeitdruck. Bei der Europaratswahl in einem halben Jahr kämpft sie um ein gutes Ergebnis, um neue Stärke für die Bundestagswahl im Herbst zu signalisieren. In Bayern muss sie dann so viele Stimmen holen, dass es auf Bundesebene umgerechnet zu fünf Prozent reicht. Ansonsten bleibt das Verlierimage an ihr kleben.

Dramatische Prognosen

Verlieren - das war jahrzehntelang ein Fremdwort für die CSU. Dass sich dies bei der Landtagswahl änderte, schreibt die Partei auch Merkel zu. Ihre Weigerung, die alte die alte Pendlerpauschale wieder einzuführen, habe die Partei die Alleinregierung gekostet. Es sei ein Skandal, dass Merkel lieber auf das Verfassungsgericht warte, als selbst politisch zu gestalten. Das Klima zwischen CDU und CSU ist inzwischen so angespannt wie zu jenen Zeiten, in denen Helmut Kohl und Franz-Josef Strauß immer wieder mal auf lange Waldspaziergänge gehen mussten, um zum Unionsfrieden zurückzufinden. Dass an diesem Sonntag im Kanzleramt ein großes Krisengespräch stattfindet, zu dem Seehofer nicht eingeladen wurde, wird in München als neuer Affront empfunden.

Trotzdem fühlt sich Seehofer stark wie nie. Seine Forderung nach zusätzlichen Infrastrukturprogrammen und einer Steuerreform wird gestützt von dramatischen Prognosen für die deutsche Konjunktur. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) erwartet einen Rückgang des Bruttoinlandprodukts um zwei Prozent. Das renommierte Ifo-Institut rechnet mit einem Minus von 2,2 Prozent und prophezeit "den Beginn der schärfsten Rezession der Nachkriegszeit". 500.000 Arbeitsplätze seien in Gefahr. Andere Experten machen noch erheblich düsterere Vorhersagen. Die Bundesregierung klammert sich offiziell noch immer an einen Wachstumswert von 0,2 Prozent.

Mit diesen Zahlen im Rücken fühlt sich die CSU stark. Zum Expertentreffen am Sonntag im Kanzleramt heißt es ziemlich höhnisch: "Da holt sich Angela Merkel zusätzlichen Rat". Will heißen: Sie hat es ja nötig, wir nicht.