Thüringen Althaus bangt um die absolute Mehrheit

Vor der Landtagswahl in Thüringen sind Spekulationen über mögliche Koalitionen zu einer Art Lieblingssport geworden, seitdem eine absolute Mehrheit der CDU unter Ministerpräsident Dieter Althaus auf der Kippe steht.

Mit jeder neuen Umfrage vor der Landtagswahl in Thüringen scheint die CDU nervöser zu werden. Für die Union und Ministerpräsident Dieter Althaus steht am nächsten Sonntag viel auf dem Spiel. Der 45 Jahre alte CDU-Politiker, der erst vor einem Jahr den Staffelstab von "Ziehvater" Bernhard Vogel übernahm, will die absolute Mehrheit verteidigen. Nach Umfragen muss er sich aber auch darauf gefasst machen, einen Koalitionspartner zu suchen. Doch von Bündnissen will Althaus nichts wissen. Dennoch schießen Spekulationen ins Kraut - selbst von Schwarz-Grün ist die Rede.

"Die Grünen sind Blockade für die Zukunft", rief Althaus vor wenigen Tagen auf einer Wahlkampfveranstaltung seiner Partei. "Dieses Land muss Zukunft gestalten. Das geht nur, wenn wir eine absolute Mehrheit haben." Althaus setzt auf Althaus. Er will zwar Vogel nacheifern, unter dem die CDU 1999 auf 51 Prozent kam und seitdem allein regiert. Doch er setzt sich auch ohne Hilfe seines Vorgängers in Szene. Althaus steht Vogel in der Bekanntheit kaum noch nach - wohl auch, weil er gern gesehener Gast in Talkshows ist.

Absolute Mehrheit der CDU nicht sicher

Die Umfragen sehen die CDU mit 43 bis 49 Prozent zwar vorn, eine absolute Mehrheit ist aber nicht sicher. Sie hängt nach den Umfrageergebnissen vor allem davon ab, ob es bei einem Drei-Parteien- Parlament bleibt, oder ob die Grünen oder die FDP einziehen. Beide liegen in einer jüngsten Befragung bei 5 Prozent, beide wollen nach zehn Jahren zurück in den Landtag - die Grünen erstmals wieder in ein Ostparlament. Die SPD liegt in den Umfragen zwischen 20 und 22 Prozent, die PDS als derzeit größere Oppositionspartei zwischen 21 und 23 Prozent.

Kleinstes ostdeutsches Flächenland

Thüringen ist das kleinste Flächenland Ostdeutschlands. Seine Einwohnerzahl liegt mit knapp 2,4 Millionen aber etwas über der Mecklenburg-Vorpommerns. Das Land war in den zwanziger Jahren aus acht Fürstentümern gebildet, in der DDR aber wieder aufgelöst worden; es entstand nach der Wende neu. Die Landeshauptstadt Erfurt ist mit rund 200 000 Einwohnern die größte Stadt Thüringens.

Thüringen ist sehr ländlich strukturiert. Die wirtschaftlich stärkste Region ist die entlang der Städtekette Eisenach-Erfurt-Jena an der Autobahn 4. Zu den wichtigsten Unternehmen gehören das Eisenacher Opel-Werk sowie die Jenaer Unternehmen Zeiss, Jenoptik und Schott. Charakteristisch für das Land ist ein niedriges Lohnniveau und der hohe Anteil mittlerer und kleiner Betriebe.

Mit 17 Prozent hat Thüringen zwar die niedrigste Arbeitslosenquote in Ostdeutschland, liegt damit aber deutlich hinter dem westdeutschen Schlusslicht Bremen mit 13,5 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im vergangenen Jahr um real 0,5 Prozent, was dem zweihöchsten Wert in Deutschland hinter Sachsen mit 1,2 Prozent entspricht. Vor allem in Jena haben sich um die Friedrich-Schiller-Universität zahlreiche Wissenschafts- und Forschungsinstitute angesiedelt, darunter drei der Max-Planck-Gesellschaft.

Ihr Spitzenkandidat Bodo Ramelow liebäugelt mit Rot-Rot-Grün, steht damit aber allein. Sowohl SPD-Herausforderer Christoph Matschie als auch die Landessprecherin der Grünen, Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, lehnen ein Bündnis mit der PDS ab.

Realistisch scheint deshalb eher eine große Koalition, falls die CDU ihre absolute Mehrheit einbüßt. Das Bündnis CDU/SPD gab es bereits von 1994 bis 1999. Althaus schimpft zwar: "Es gab keine teurere Regierungszeit." Matschie, der Parlamentarischer Bildungsstaatssekretär in Berlin ist, hält ein solches Bündnis aber durchaus für denkbar. Der Erfurter Politikwissenschaftler Dietmar Herz sieht darin sogar "die einzige Chance" für die SPD. Denn Matschies Ziel, die SPD zur stärksten Kraft im Land zu machen, scheint nach Umfragewerten kaum erreichbar.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Merkel hofft auf "Signalwahl"

CDU-Chefin Angela Merkel hofft indes auf eine Signalwahl in Thüringen. Im September wird schließlich auch in Brandenburg, Sachsen und im Saarland ein neuer Landtag gewählt. Merkel gibt sich optimistisch. "Es wird etwas mit der absoluten Mehrheit", sagt sie. "Schwarz-Grün wird in Thüringen nicht kommen." Doch ganz ohne Grün geht es auch für Althaus nicht. Auf Wahlplakaten, auf denen alle Parteien fast nur mit Köpfen um Wähler werben, macht Althaus ganz auf Heimat und zeigt sich lächelnd mit seiner Frau zum Slogan "In Thüringen gern zu Hause" - umgeben von Grün.

Die Spitzenkandidaten im Überblick

CDU-Ministerpräsident

Dieter Althaus

hat sein Amt vor einem Jahr von Bernhard Vogel übernommen. Nach elf Jahren hatte Vogel überraschend seinen Rückzug bekannt gegeben, um seinem "Ziehsohn" vor der Wahl genug Zeit zur Profilierung zu geben. Bis dahin hielten viele Althaus für konturlos, doch seitdem ist er wie ausgewechselt. Inzwischen zählt der 45-Jährige schon zu den Stammgästen in Fernseh- Talkrunden. Mit seinen Äußerungen verwirrt er mitunter die eigene Partei, etwa wenn er eine Verletzung des EU-Stabilitätspakts zu Gunsten von Investitionen für tragbar hält.

In der DDR war der Katholik Mathematik-/Physiklehrer und stellvertretender Schulleiter. 1985 trat er der DDR-CDU bei. Vogel machte ihn 1992 zum Kultusminister. Nach der Landtagswahl 1999 wurde er Fraktionschef, ein Jahr später CDU-Landesvorsitzender. Zu Vogels Angebot, seinen Nachfolger nach dem Rücktritt politisch zu beraten, sagt Althaus: "Ich gehe meinen eigenen Weg." Althaus ist verheiratet und Vater zweier Mädchen.

Von Weimar bis Wartburg

Die früheren Fürstentümer haben Thüringen eine große Vielfalt an Denkmälern und Kultureinrichtungen hinterlassen. Die wichtigsten Tourismusziele sind die Klassikerstadt Weimar, die Wartburg bei Eisenach, das Kyffhäuser-Denkmal und der Thüringer Wald. Bei den Landeszuschüssen für Theater liegt Thüringen prozentual nach der Einwohnerzahl auf Platz eins in Deutschland.

SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie gilt als Hoffnungsträger der Ost-Sozialdemokraten. Der jugendlich wirkende 42-jährige Rotschopf sitzt seit 1990 im Bundestag und ist seit der Bundestagswahl 2002 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesforschungsministerium. In dem Amt sorgte er für Verwirrung, als er ein Strategiepapier jüngerer SPD-Politiker mit der Forderung nach Studiengebühren unterschrieb und sich später wieder davon distanzierte.

Nach der Wahl will Matschie nach eigenen Worten in Thüringen bleiben. Mit Diplomatie versucht der SPD-Landesvorsitzende, seine seit dem Wahldebakel 1999 zerrissene Partei wieder zusammenzuführen. Damals wurde die SPD nur drittstärkste Kraft. Flügelkämpfe machen ihm mitunter allerdings noch das Leben schwer. Der gelernte Mechaniker studierte später Theologie. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

PDS-Ministerpräsidenten-Kandidat

Bodo Ramelow

ist keiner, der sich im Hintergrund wohl fühlt. Er hat es als Quereinsteiger in der Thüringer Politik schnell nach oben geschafft. Bei der Landtagswahl 1999 kandidierte der damalige Landeschef der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) noch als Parteiloser für die PDS - zwei Jahre später übernahm der heute 48-Jährige bereits den Vorsitz der größten Oppositionsfraktion.

Ramelow war kurz nach der Wende von Hessen nach Thüringen gekommen. Er stritt für die gegen die Schließung ihrer Grube kämpfenden Kali-Kumpel von Bischofferode, obwohl seine HBV gar nicht zuständig war, und machte mit Attacken auf die CDU Schlagzeilen. In seiner Partei hat er viele Anhänger, aber nicht nur Freunde. Von DDR- Nostalgie hält er nicht viel, und er sagt schon mal: "Wenn mir von irgendwelchen Gruppen das Etikett linksliberal angeklebt wird, freut mich das." Ramelow ist verheiratet und hat drei Kinder.

Die Grünen-Spitzenkandidatin

Astrid Rothe

kommt aus der kirchlichen Umweltbewegung in der DDR. Sie wird dem linken Flügel ihrer Partei zugerechnet. Seit 2000 ist sie Landessprecherin der Grünen. Die 30-Jährige gehört auch dem Parteirat an. Auf Plakaten stellt sie sich als "Mutter und Spitzenkandidatin" vor. Uwe Barth - Physiker und FDP-Spitzenkandidat

FDP-Spitzenkandidat

Uwe Barth

ist Landesvorsitzender der Liberalen. Der 39-Jährige hat Physik studiert und arbeitet als Beamter im Thüringer Umweltministerium. Barth, der auch dem FDP- Bundesvorstand angehört, trat erst im November an die Spitze des FDP- Landesverbandes.

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Marc-Oliver von Riegen/DPA