Wenn Olaf Scholz es ernst meint, mit seinem mehrfach geäußerten Bekenntnis "Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen", dann müsste ihn die Nachricht aus Spanien eigentlich gefreut haben. Dort hatte die gewöhnlich gut unterrichtete Zeitung "El Pais" am Wochenende unter Berufung auf Quellen im Verteidigungsministerium berichtet, das Spanien als erster Nato-Staat Kampfpanzer aus westlicher Produktion an die Ukraine liefern wolle. Demnach bereite die linke Regierung von Ministerpräsident Pedro Sanchez die Lieferung von 40 Panzern vom Typ Leopard 2 A4 vor. Zudem ist die Rede von bodengestützten Luftabwehrraketen vom Typ Aspide.
Offiziell ist noch nichts, doch die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles wollte den Bericht am Montag weder bestätigen noch dementieren. Dies sei ein "extrem delikates Thema", sagte sie, was "größter Diskretion" bedürfe. Sie betonte ebenfalls, dass Waffenlieferungen nur nach Abstimmung mit den europäischen und transatlantischen Partnern stattfänden.
Spanische Offerte an Ukraine setzt Scholz doppelt unter Druck
Die Offerte aus Spanien setzt Scholz gleich auf zweierlei Weise unter Druck. Bislang lehnt die Bundesregierung das Bereitstellen von Kampfpanzern für die Ukraine ab, unter Berufung auf ein abgestimmtes Verfahren mit den Nato-Partnern und insbesondere den USA. Da es sich bei den von Spanien mutmaßlich angebotenen Panzern um Waffen aus deutscher Produktion handelt, müsste Deutschland dem Deal aber formal zustimmen, weil die Kaufverträge sogenannte Endverbleibsklauseln für den Fall einer Weitergabe enthalten.
Wenn kaum ein Stein mehr auf dem anderen ist – Vorher-Nachher-Bilder zeigen massive Kriegsschäden

Auch wenn es, wie der Bundeskanzler bei einem Besuch in Litauen klarstellte, derzeit noch keine offizielle Anfrage aus Spanien gibt, wird sich die Bundesregierung zu der Frage positionieren müssen. Und das bringt Scholz in eine Klemme, die ihm nicht gefallen kann. Verweigert Deutschland seine Zustimmung, würde er erneut als Bremser und Verhinderer dastehen. Ein Image, das dem Kanzler schon seit Beginn des Krieges nachhängt und das er zuletzt erst in einem kämpferischen Auftritt in der Generaldebatte des Bundestages zu zerstreuen suchte. Ein deutsches Nein zur spanischen Offerte erscheint deshalb kaum vorstellbar, wäre es doch ein Quick Win für die Opposition, die den SPD-Politiker in den nächsten Wochen genüsslich vor sich hertreiben könnte.
Einen Vorgeschmack lieferte heute bereits der stellvertretende Unionsfraktionschef Johann Wadephul (CDU) in einem Interview mit der "Augsburger Allgemeinen". Wadephul warnte die Bundesregierung davor, die Ukraine bei einer möglichen Lieferung von Leopard-Panzern aus Spanien hängen zu lassen. "Deutschland lässt die Ukraine jeden Tag, an dem dort keine schweren Waffen ankommen, im Stich", so Wadephul. "In Madrid hat man den Ernst der Lage klarer erkannt als in Berlin — eine niederschmetternde Erkenntnis", sagte der CDU-Politiker.
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter forderte in der "Süddeutschen Zeitung": "Ich erwarte, dass die Bundesregierung rasch, möglichst proaktiv, die dafür notwendige Ausfuhrgenehmigung erteilt." Selbst die FDP in Form der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, macht Druck. Sie hoffe sehr, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck umgehend die Genehmigung für den Export erteilt, sagte die FDP-Politikerin dem "Spiegel". "Wir haben keine Zeit für Debatten."
Gibt es eine informelle Absprache unter Nato-Partnern?
Andererseits würde eine schnelle Zustimmung zu dem spanischen Panzerdeal die Bundesregierung ebenfalls in ein merkwürdiges Licht rücken. Schließlich hatte die sich bislang gegen jede Lieferung von westlichen Kampfpanzern gesperrt. In komplizierten Ringtauschverfahren wird derzeit von Nato-Partnern zumeist russisches Gerät an die Ukraine geliefert, wofür die Lieferländer mit moderneren, westlichen Modellen entschädigt werden. Hintergrund ist offenbar die Befürchtung, den russischen Präsidenten Wladimir Putin so zu provozieren, dass er die Nato wegen dieser Lieferungen zur Kriegspartei erklären würde.
Aus der SPD wurde zudem gestreut, dass es eine informelle Absprache der Nato-Partner gebe, keine westlichen Kampf- und Schützenpanzer zu liefern. Entsprechend hatte sich die Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller, Ende Mai im ZDF in der Sendung "Berlin direkt" geäußert.

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Eine Zustimmung zu dem Waffendeal würde die bisherige deutsche Position konterkarieren und die Bundesregierung für ihre bisherige Linie in Erklärungsnöte bringen.
Spanien hatte die deutschen Panzer 1995 gebraucht von Deutschland gekauft und zuletzt eingelagert. Dem "El Pais"-Bericht zufolge könnten 40 der Fahrzeuge nun offenbar wieder einsatzfähig gemacht werden, was allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen würde. Zudem müssten die ukrainischen Soldaten geschult werden, was zunächst in Lettland und später in Spanien passieren könne, heißt es in "El Pais".
Scholz gibt sich in der Frage wie gewohnt zugeknöpft. Sollte es einen Antrag aus Spanien geben, werde er geprüft, sagte der SPD-Politiker bei seinem Besuch in Litauen.