Urteil des Verfassungsgerichts Vertrag von Lissabon ist verfassungsgemäß

Das Bundesverfassungsgericht hat im Grundsatz grünes Licht für den EU-Reformvertrag von Lissabon gegeben. Allerdings müssen der Deutsche Bundestag und der Bundesrat größere Kompetenzen erhalten, als bislang im Gesetz vorgesehen. So lange das nicht passiert ist, darf Bundespräsident Horst Köhler den Vertrag nicht ratifizieren.

Das Bundesverfassungsgericht hat den EU-Reformvertrag von Lissabon im Grundsatz gebilligt, zugleich aber die Rechte des Bundestages bei europäischen Entscheidungen gestärkt. Auch der Bundesrat muss mehr Mitspracherechte erhalten, wie es in dem Urteil der Karlsruher Richter vom Dienstag heißt. Bundespräsident Horst Köhler darf das Gesetzwerk nicht ratifizieren, bis die erweiterte parlamentarische Beteiligung geregelt ist. Grundsätzlich ist der Reformvertrag aber mit dem Grundgesetz vereinbar.

Die Verfassungsrichter verlangen, dass bei Änderungen des Lissabon-Vertrags Bundestag und Bundesrat förmlich zustimmen müssen. Auch wenn die EU ihre Zuständigkeit für den Erlass von Strafgesetzen ausdehnen will, muss die Bundesregierung zuvor ein förmliches Verfahren in den deutschen Parlamenten einleiten.

Gerichtsvizepräsident Andreas Voßkuhle sagte bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe: "Das Grundgesetz sagt Ja zu Lissabon, verlangt aber auf nationaler Ebene eine Stärkung der parlamentarischen Integrationsverantwortung." Der Zweite Senat sei zuversichtlich, dass die letzte Hürde vor Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde schnell genommen werde.

Tatsächlich sollen die von Karlsruhe geforderten Nachbesserungen am Lissabon-Vertrag noch vor der Bundestagswahl am 27. September vorgenommen werden. Ende August solle die erste Lesung stattfinden, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, kurz nach der Urteilsverkündung in Berlin. Die zweite und dritte Lesung eines Begleitgesetzes sei für den 8. September geplant. Es werde angestrebt, den Gesetzentwurf auf eine breite Basis zu stellen und bei der Erarbeitung auch die Opposition miteinzubeziehen, fügte Röttgen hinzu. "Die Koalitionsfraktionen werden das Gesetzgebungsverfahren noch in der Sommerpause in Angriff nehmen."

Mit dem Vertrag von Lissabon soll die EU umfassend reformiert werden. Vorgesehen ist etwa, in Zukunft öfter mehrheitlich und ohne Blockaderecht eines Landes abzustimmen. Außerdem soll die Rolle des EU-Parlamentes gestärkt werden.

Die Beschwerdeführer, darunter der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, die Linksfraktion im Bundestag und mehrere Professoren, wollten mit ihren Klagen die Ratifizierung verhindern. Sie sehen unter anderem die Macht des Bundestages als unzumutbar beschnitten und beklagen ein Demokratiedefizit in der EU.

Bislang haben 24 der 27 EU-Mitglieder den Vertrag rechtsverbindlich ratifiziert. Es fehlen noch die Urkunden von Deutschland, Irland, Tschechien und Polen. Die Iren stimmen im Herbst in einem Referendum erneut über die Reform ab. Bei einer Zustimmung wollen die Staatsoberhäupter von Tschechien und Polen den Weg für den Vertrag frei machen. Die dortigen Parlamente haben ihn bereits gebilligt. In Deutschland wartete Bundespräsident Köhler auf die jetzt vorgelegte Entscheidung aus Karlsruhe.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht trotz des Urteils die Ratifizierung des EU-Vertrags von Lissabon nicht gefährdet. Sie sei sehr froh, dass sich die Fraktionen darauf verständigt hätten, das nach dem Urteil notwendige neue Begleitgesetz noch bis zum September zu verabschieden, sagte Merkel am Dienstag in Berlin zu dem Karlsruher Urteil. "Ich hoffe, dass dann die Ratifizierungsurkunde hinterlegt werden kann. Es ist ein guter Tag für den Lissaboner Vertrag."

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