Der Haftbefehl gegen Islamistenführer Metin Kaplan ist aufgehoben, die Fahndung nach ihm eingestellt. In den nächsten zwei Monaten kann er nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln nicht abgeschoben werden. Zwei Fragen aber bleiben: Wo ist Kaplan und wer hat ihn entwischen lassen?
Am Tag nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster zur Abschiebung des Extremisten drehte sich alles um diese beiden Fragen. Das OVG hatte am Mittwoch festgestellt, dass in der Türkei keine schwerwiegenden Hindernisse für die Abschiebung Kaplans vorliegen. Als die Polizei ihn am Mittwochabend in Abschiebehaft nehmen wollte, war der als "Kalif von Köln" bekannte Mann verschwunden.
"Das ist schon ein peinlicher Vorfall"
Parteiübergreifend zeigten sich Politiker in Bund und Land bestürzt über die Observierungspanne. "Jetzt kommt endlich mal ein gutes Urteil und jetzt ist der Mann verschwunden. Das ist schon ein peinlicher Vorfall", sagte SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz im Inforadio des RBB. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) kritisierte die in seinen Augen unzureichende Überwachung. Er sei davon ausgegangen, "dass die Behörden ihn an enger Leine führen, ihn überwachen, observieren", sagte Beckstein im ZDF-"Morgenmagazin".
Für die FDP ist der Fall klar: Nordrhein-Westfalens oberster Polizeichef und Innenminister Fritz Behrens (SPD) trägt die Verantwortung für die Panne und muss daher gehen. "Jeder Steuerhinterzieher wird besser überwacht als dieser Schwerkriminelle", polterte FDP-Chef Guido Westerwelle in Berlin. Bei einer Sondersitzung des Innenausschusses des Landtags in den nächsten Tagen soll sich Behrens erklären. Kritik gab es auch aus der grünen Hälfte der Düsseldorfer Koalition: Polizei und Verfassungsschutz hätten sich auf die Gefahr des Untertauchens einstellen müssen, erklärten die Grünen.
Lückenlose Aufklärung versprochen
Behrens stellte sich schützend vor die Kölner Behörden. Die Polizei habe gut daran getan, alle rechtlichen Grenzen und Vorschriften zu beachten. Das zeige nicht zuletzt die Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts, sagte er am Abend im WDR-Fernsehen. Schon zuvor hatte Behrens eine lückenlose Aufklärung darüber versprochen, wieso Kaplan nicht in der Wohnung angetroffen wurde.
Kölns Polizeipräsident Klaus Steffenhagen beteuerte: "Wir haben getan, was uns rechtlich möglich war und deshalb haben wir uns auch keinen Vorwurf zu machen." Das Hochhaus, in dem Kaplan lebe, sei seit Mittwochmorgen von der Polizei überwacht worden. Als sie den Islamistenführer am Abend festnehmen wollte, habe sie ihn jedoch nicht mehr vorgefunden. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts und der Aufhebung des Haftbefehls sah sich die Kölner Polizei nach Angaben eines Sprechers in ihrem Verhalten bestätigt.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Rolle der Verfassungsschützer bleibt unklar
Unklar blieb am Donnerstag die Rolle der Verfassungsschützer. In deren Visier sind Kaplan und seine Anhänger spätestens seit dem Verbot der islamistischen Vereinigung "Kalifatsstaat" im Dezember 2001. Beim zuständigen Bundesamt in Köln lehnte man gleichwohl jeden Kommentar zu dem Fall ab.
Und Kaplan selbst? Beobachter halten es für möglich, dass er sich noch in Köln aufhält und schließen nach der positiven Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Köln nicht aus, dass er in wenigen Tagen wieder auftauchen wird. Schließlich muss er sich am kommenden Montag nach seinen Meldeauflagen auf der Polizeiwache in Köln-Chorweiler melden. Kaplans Anwältin Ingeborg Naumann hatte vorsichtshalber den Eilantrag beim Verwaltungsgericht Köln gestellt, der nun für die Dauer von zwei Monaten eine Ausweisung verhindert.