Ein Vorbereitungstreffen zum dritten Sondierungsgespräch von SPD und CDU/CSU ist am Dienstagabend offenbar ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Wie die "Financial Times Deutschland" unter Berufung auf Regierungspreise berichtete, prägte die Unstimmigkeit in der Kanzlerfrage das Gespräch der persönlichen Beauftragten der Verhandlungsführer. Zu der Runde gehörten Kanzleramtschef Frank Walter Steinmeier, CDU-Generalsekretär Volker Kauder, SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel und der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber. "Es war ein zähes Ringen ohne Ergebnis", hieß es laut dem Blatt in Regierungskreisen.
Erhebliche Zweifel während einer Telefonkonferenz
Der Streit um die Kanzlerschaft in einer großen Koalition gefährdet offenbar die Sondierungespräche zwischen der beiden Parteien. In einer Telefonkonferenz des CDU-Präsidiums seien erhebliche Zweifel aufgekommen, ob die Gespräche mit der SPD über die Bildung einer großen Koalition nach den Beratungen am Mittwoch direkt fortgesetzt werden könnten, sagten Teilnehmer der Schaltkonferenz am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters.
Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus plädierte für eine Denkpause. "Wenn es nicht geht, muss man sich auch unterbrechen", sagte er am Dienstagabend in der ARD. "Es wird erwartet, dass die Sondierungen nach einem kurzen Treffen am Mittwoch vermutlich unterbrochen werden müssen", sagte auch ein Präsidiumsmitglied. Die Union wolle sich vor Klärung der Kanzlerfrage nicht auf weitere inhaltliche Beratungen mit der SPD einlassen. CDU-Generalsekretär Volker Kauder bekräftigte, dass formelle Koalitionsverhandlungen erst beginnen könnten, wenn die SPD den Anspruch von CDU-Chefin Angela Merkel auf das Kanzleramt anerkenne. SPD-Chef Franz Müntefering wiederholte dagegen, seine Partei halte am Führungsanspruch von Bundeskanzler Gerhard Schröder fest, der aber Bereitschaft zum Rückzug signalisiert hatte.
CDU-Chefin Merkel und der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber sowie fünf weitere Vertreter der Unionsparteien kommen am frühen Mittwochnachmittag mit Schröder, Müntefering und ebenfalls fünf weiteren SPD-Politikern zur dritten Sondierungsrunde zusammen. In dem Gespräch soll über eine gemeinsame Bestandsaufnahme zur Lage der öffentlichen Haushalte und der Sozialsysteme beraten werden. Dazu will die SPD eine Vorlage präsentieren.
Die Union will nach Angaben von CDU-Präsidiumsmitgliedern auch die Kanzlerfrage ansprechen. Merkel hatte das Präsidium kurzfristig zusammengerufen, um über das Vorgehen mit der SPD zu beraten. Da die SPD bisher nicht vom Machtanspruch für Schröder abrücke, sei eine Unterbrechung der Sondierungsgespräche wohl nicht zu vermeiden, sagten Teilnehmer.
In der Unionsspitze wird darauf verwiesen, dass weitere inhaltliche Beratungen mit der SPD für die Union taktische Risiken mit sich bringen könnten: Falls sich im Verlauf der Gespräche inhaltliche Kompromisslinien abzeichnen sollten und die Bildung einer großen Koalition dann nur noch von der Kanzlerfrage abhinge, könnte die Union mit ihrem Beharren auf Merkels Führungsanspruch in die Rolle eines Blockierers gedrängt werden. Es gebe keine Verhandlungen in der Sache, wenn die SPD nicht akzeptiere, dass Merkel Kanzlerin werde, sagte Generalsekretär Kauder in der ARD.
Dagegen bekräftigte Müntefering, Personalentscheidungen müssten in Koalitionsverhandlungen fallen und nicht schon in den laufenden Sondierungsgesprächen. "Es ist vereinbart, dass wir morgen über Inhalt sprechen", sagte er am Rande eines Gewerkschaftskongresses in Bonn. Die SPD gehe mit Schröder als Kanzlerkandidat in die weiteren Gespräche, sagte er in der ARD. Mit SPD und Union begegneten sich Partner, die gleich groß seien und in einer Regierung auch auf Augenhöhe arbeiten müssten. Er betonte, die SPD wolle durch das Festhalten an der Kanzlerschaft nicht den Preis für eine große Koalition hochtreiben. "Das wäre ein großes Missverständnis, und da kann ich auch nur die Union davor warnen, das so zu sehen."

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Schröder hatte am Montag erstmals die Bereitschaft zum Verzicht auf die Führung einer großen Koalition signalisiert. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, der Mitglied in der SPD-Sondierungsdelegation ist, warnte, wenn die Union auf ihrem Führungsanspruch beharre, gebe es keine Koalitionsverhandlungen.
Grünen lehnen Jamaika-Koalition weiter ab
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth erteilte dem Vorschlag von FDP-Parteichef Guido Westerwelle für neue Gespräche über eine gemeinsame Zusammenarbeit mit der Union eine Absage und schloss auch die Tolerierung einer schwarz-gelben Koalition aus. Bei der Kanzlerwahl im Bundestag hieße das Roth zufolge für die Grünen, "dass wir gegen Frau Merkel stimmen". Neben Westerwelle hatte auch der stellvertretende Unions-Fraktionschef Wolfgang Schäuble wieder eine Jamaika-Koalition ins Gespräch gebracht, die die Grünen bereits nach ersten Sondierungen mit der Union vor zehn Tagen abgelehnt hatten.
So gehts weiter - die politischen Termine der nächsten Wochen
Unabhängig vom Ausgang der Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD und der Bildung einer Regierungsmehrheit will der neu gewählte Bundestag am 18. Oktober zusammentreten. Die bisher bekannten Termine auf der politischen Bühne:
5. Oktober:
Trotz verhärteter Fronten in der Kanzlerfrage wollen Union und SPD ihre Sondierungsgespräche über eine große Koalition fortsetzen. Ein Durchbruch zu konkreten Koalitionsverhandlungen wird aber in beiden Parteien nicht erwartet.
6. Oktober:
Der SPD-Parteivorstand wird über die Ergebnisse der Sondierungsrunde vom Vortag informiert. Auch die CDU plant, in Präsidium und Vorstand über die Lage zu beraten.
In München treffen sich der CSU-Vorstand und die CSU-Landesgruppe im Bundestag, um über den Stand der Berliner Sondierungsgespräche zu sprechen.
7. Oktober:
Der Bundeswahlausschusses kommt in Berlin zur Feststellung des endgültigen Ergebnisses der Bundestagswahl zusammen.
10. Oktober:
Der SPD-Parteivorstand trifft sich zur weiteren Diskussion über die Regierungsbildung.
Der amtierende Bundestagspräsident und die parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen wollen das Verfahren für die Wahl des Bundestagspräsidenten am 18. Oktober festlegen.
15. Oktober:
Die Grünen wollen auf einem Parteitag in Oldenburg über ihre erwartete Oppositionsrolle im Bundestag beraten.
18. Oktober:
Der neu gewählte Bundestag kommt zu seiner konstituierenden Sitzung in Berlin zusammen. Geplant ist die Wahl des Bundestagspräsidenten, seiner Stellvertreter und der Schriftführer. Die Union will als stärkste Fraktion den Parlamentspräsidenten stellen.
Dass an diesem Tag auch der neue Bundeskanzler gewählt wird, gilt als unwahrscheinlich. Sollte das Parlament keinen neuen Regierungschef bestimmen, so ist der amtierende Kanzler nach Artikel 69 Grundgesetz "auf Ersuchen des Bundespräsidenten" verpflichtet, die Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers weiterzuführen. Dieser "Übergangszustand" könnte theoretisch Wochen oder Monate dauern. Eine Frist für die Kanzlerwahl gibt es nicht.
14.-17. November:
Die Sozialdemokraten wollen auf ihrem Bundesparteitag in Karlsruhe unter anderem ihren Vorstand wählen.
10.-11. Dezember:
Die Linkspartei will auf einem Parteitag in Dresden über die Verschmelzung der ehemaligen PDS mit der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) debattieren. Die Grünen wollen auf einem Parteitag in Oldenburg über ihre erwartete Oppositionsrolle im Bundestag beraten.