Eine von Brüssel gesetzte Frist zur Neuregelung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung läuft am heutigen Donnerstag um 24.00 Uhr aus. Die Bundesregierung konnte sich nicht auf einen neuen Gesetzentwurf einigen und lässt ein letztes Brüsseler Ultimatum an diesem Donnerstag verstreichen. Im nächsten Schritt könnte die EU-Kommission die Bundesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen - es drohen in letzter Konsequenz Geldstrafen in Millionenhöhe.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gab sich dennoch gelassen: Solche Verfahren "gehören zur Realität, insofern ist jede Dramatik fehl am Platz", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung" am Mittwoch. In der "Passauer Neuen Presse" führte sie einen Tag später weiter aus, die EU-Richtlinie zur Speicherung sei eine der umstrittensten Richtlinien überhaupt. "Sie ist seit fünf Jahren in Kraft und bisher von mehreren Staaten nicht umgesetzt worden." Deutschland stehe also mit seiner Position nicht allein da, so die Justizministerin.
In dieser Frage ist sich Leutheusser-Schnarrenberger ausnahmsweise einig mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, ihrem ärgsten Kontrahenten in dieser Sachfrage. "Manchmal braucht man ein bisschen länger", sagte Friedrich am Donnerstag beim Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg. "Wir sind auf gutem Weg." Die von der EU-Kommission angedrohte Klage gegen Deutschland, die letztlich zu einem Bußgeld führen könnte, sieht der Minister gelassen: "Jetzt muss erst mal entschieden werden, ob es eine Klage gibt, und dann muss diese Klage auch mal zu einem Erfolg führen, vorher würde gar kein Geld fällig. Insofern muss man es nicht dramatisieren."
Pauschale vs. anlassbezogene Speicherung
Die betreffende EU-Richtlinie sieht vor, dass Telekommunikationsdaten pauschal sechs Monate lang zur Kriminalitätsbekämpfung gespeichert werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung im März 2010 gekippt. Seitdem streitet die Regierung darüber, wie eine Neuregelung aussehen könnte.
Leutheusser-Schnarrenberger will die Daten anlassbezogen speichern lassen, um sie Ermittlern bei Bedarf zur Kriminalitätsbekämpfung zur Verfügung zu stellen. Bei IP-Adressen von Computern sieht sie eine pauschale Speicherung von sieben Tagen vor. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) pocht aber auf eine pauschale Speicherung der Telekommunikationsdaten über einen Zeitraum von sechs Monaten.
Leutheusser-Schnarrenberger verweist zudem seit längerem darauf, dass die von Brüssel geforderte Neuregelung in Deutschland zur Vorratsdatenspeicherung wenig Sinn mache, solange die EU nicht die geplante Reform der Richtlinie vollende.