Strom für Elektroautos Schnell, das neue Ölfeld sichern!

Von Christoph M. Schwarzer
Es ist eine Elefantenhochzeit, die sich fast unbemerkt abspielt: Die deutschen Autobauer und die vier großen Energieversorger arbeiten plötzlich zusammen. Die Allianz, die hier geschmiedet wird, dient aber nicht in erster Linie dem emissionsfreien Fahren oder dem Kunden. Es geht darum, mit Strom als Kraftstoff einen neuen Markt zu erschließen.

Ein Handschlag in der englischen Botschaft besiegelt die Zusammenarbeit: BMW-Vorstandschef Norbert Reithofer und der finnische Vattenfall-Boss Tuomo Hattaka sorgen dafür, dass der Mini elektrisch fahren kann. Dutzende von Mitarbeitern der beiden Konzerne applaudieren. Dazu lächelt Bundesumweltminister Sigmar Gabriel breit. Endlich, die Zukunft des emissionsfreien Autofahrens hat begonnen. Es scheint, als wären Umwelt und Kunden die Profiteure der neuen Allianz zwischen Energieversorger und Autoindustrie. Sind sie aber nicht.

Kein Verbot, mit Atomstrom zu fahren"

Zwar hat die Bundesregierung sowohl im Meseberg-Papier vom Dezember 2007 als auch auf der "Nationalen Strategiekonferenz Elektromobilität" im November 2008 klar formuliert, dass Elektroautos nur mit Strom aus zusätzlich geschaffenen, erneuerbaren Energien und damit weitgehend CO2-neutral fahren sollen. Ein Insider eines Ministeriums macht gegenüber stern.de allerdings deutlich: "Im Eckpunktepapier der Bundesregierung werden sie nirgends ein Verbot finden, mit Kohle- oder Atomstrom zu fahren." Nach dem EU-Strommix, bei dem durchschnittlich 541 Gramm Kohlendioxid und 0,7 Milligramm Atommüll pro Kilowattstunde produziert werden, hätte die Umwelt damit keinen Nutzen.

Claims werden wie einst in Texas abgesteckt

Und ob der Endkunde in Form des Alltagsfahrers von der Zusammenarbeit der Autoindustrie mit den Energieversorgern profitieren wird, darf ebenfalls bezweifelt werden. Auf das Rohöl-Kartell von OPEC und Konsorten könnte nämlich das der Stromanbieter folgen. Vattenfall, RWE, E.ON und EnBW wittern ein Riesengeschäft. Bisher haben sie Energie für Elektroherde, Glühlampen und Waschmaschinen geliefert.

Zurzeit betreten sie mit der massiven Bewerbung von Wärmepumpen auch den Gebäudeenergiemarkt. Und wenn die ersten Elektroautos ans Netz gehen, erschließen sie den Kraftstoffmarkt. Es ist ein bisschen wie in Texas zu den Zeiten des Ölrauschs: Wenn sich die Vorstände die Hand geben, wird in Wirklichkeit ein neuer Claim abgesteckt.

Ein Drittel bis 2050

Wie groß das neue Geschäftsfeld ist, zeigt ein Zukunftsszenario des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE). Der BEE geht davon aus, dass bis 2050 etwa ein Drittel des gesamten Kraftstoffverbrauchs in Deutschland durch Strom gedeckt wird. Diese mehr als 80 Milliarden Kilowattstunden entsprechen der heutigen Jahresleistung von etwa acht ausgewachsenen Atom- oder Kohlekraftwerken. Ein Klacks für die Energieriesen, die gerne auch wieder etwas mehr von ihrem oft unverkäuflichen Nachtstrom an den Mann bringen würden.

EnBW könnte leer ausgehen

Der BMW-Konzern macht es also mit Vattenfall. Daimler erprobt im Vattenfall-Terrain Berlin in Koalition mit RWE den Elektro-Smart. Volkswagen lässt den Versuchs-Golf TwinDrive mit Strom von E.ON fahren. Und damit die Batterien nicht nur aus Japan und China kommen, hat die Daimler AG sich 49,9 Prozent an Li-Tec gesichert, einer sächsischen Firma, die es durch eine neue Membran geschafft hat, Lithium-Ionenspeicher unfallsicher zu machen. Wie beim Tanzkurs gibt es aber immer einen, der leer ausgeht. Das scheint bei den Allianzen der Baden-Württembergische Versorger EnBW zu sein. Von den deutschen Autokonzernen sind mit BMW, Daimler und VW nämlich alle "Guten" schon vergeben. Opel hat zwar bald einen Volt im Portfolio, ist aber wegen der Krise des Mutterkonzerns GM kein sicherer Partner. Ford dürfte trotz der Kölner Tradition ebenfalls nur wenig attraktiv sein. Es bliebe Porsche, wo durch den Prototypen des Extremtuners Ruf theoretisch bald ein Elektroauto vorhanden wäre. Aber eben nur theoretisch. Die Anfrage in der EnBW-Pressestelle über die Zusammenarbeit mit einem Autokonzern fällt entsprechend dünn aus und umfasst nur einen Satz: "Wir befassen uns mit dem Thema."

Mach's Dir alleene!

Die ständig von den Pressestellen der Konzerne und Ministerien wiederholten Argumente, mit Elektroautos könne man emissionsfrei fahren, Strom aus erneuerbaren Energien speichern und damit die Umwelt schonen, müssen keineswegs falsch sein. Dass sich die Energieversorger einen neuen Markt sichern wollen, darf aber genau so wenig vergessen werden wie das politik-strategische Anliegen, die deutsche Volkswirtschaft auch mit schwächer sprudelnden Ölquellen nicht zum Erliegen kommen zu lassen. Für den Endkunden und Autofahrer wäre die schönste aller Welten aber nicht die, in der er Shell und Aral durch E.ON und Vattenfall eingetauscht werden. Optimal wäre Strom aus eigenen, erneuerbaren Quellen - Honda zum Beispiel zeigte vor Jahren den Prototypen einer Wasserstofftankstelle, die von den Photovoltaikzellen auf dem Hausdach gespeist wurde. So wäre ein Elektroauto keine rollende Nachtspeicherheizung mit dem Strom der vier Oligopolisten, sondern eine autarke und fahrende Energiesparlampe.