Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet ein furchterregendes Monster den größten Schrecken von Netflix beendete. Nachdem der Streaming-Gigant seinen Anlegern vor drei Monaten erstmals einen Rückgang der Nutzerzahlen im Heimatmarkt USA einräumen musste und der Konzern mächtig unter Druck geriet, sorgte die Teenie-Mystery-Serie "Stranger Things" für eine Trendwende.
Insgesamte legte die Zahl der Bezahlabonnements in den drei Monaten bis Ende September weltweit um 6,8 Millionen zu. Damit blieb der Konzern zwar unter den eigenen Erwartungen - die Prognose lag bei sieben Millionen neuen Nutzern -, insgesamt wurden die Markterwartungen aber übertroffen. Die Zahl der weltweiten Abonnenten steigt damit auf 158 Millionen. Netflix konnte den Umsatz um 31 Prozent auf 5,25 Milliarden US-Dollar steigern, der Gewinn von 665 Millionen US-Dollar legte ebenfalls zu.
Apple und Disney mischen bald mit
Für das kommende Weihnachtsquartal rechnet das Unternehmen mit 7,6 Millionen neuen Kunden. Damit bleibt die Zielvorgabe deutlich hinter den 9,4 Millionen neuen Abonnenten zurück, die der "New York Times" zufolge an der Wall Street als Ziel ausgegeben wurden.
Ob am Ende so viele neue Abonnenten hinzukommen, wird sich zeigen. Denn wenn Netflix das nächste Mal seine Quartalszahlen präsentiert, gibt es zwei mächtige Mitbewerber: Am 1. November startet Apple seinen eigenen Streamingdienst Apple TV+ in mehr als 100 Ländern, am 12. November geht Disney mit seiner eigenen Plattform Disney+ an den Start.
Beide Mitbewerber locken mit Kampfpreisen: Apple TV+ wird 4,99 Euro pro Monat kosten, Käufer eines aktuellen Geräts können den Dienst zudem ein Jahr kostenlos ausprobieren. Disney+, das zunächst nur in den USA angeboten wird, kostet sieben Euro pro Monat, bietet dafür aber neben den bekannten Animationsfilmen neue hochkarätige Film- und Serienproduktionen aus dem "Star Wars"- und Marvel-Universum.
Die Preise setzen Netflix unter Druck
Kann Netflix den neuen Mitbewerbern die Stirn bieten, sich vielleicht sogar noch weiter von ihnen absetzen? Oder gerät der Streaming-Pionier weiter unter Druck? Einige Experten glauben, Netflix bleibt aufgrund der riesigen Nutzerbasis weiterhin der Marktführer. Der Analyst Haris Anwar ist anderer Meinung. Gegenüber dem US-Technologieportal "The Verge" sagte er: "In diesem Umfeld wirkt die Aktie verletzlich und ich stelle eine mögliche positive Preisentwicklung infrage angesichts des zu erwartenden Wettbewerbs." Vor allem die günstigen Preise seien eine Bedrohung für Netflix, so der Experte. Tatsächlich ist Netflix mit bis zu 15,99 Euro pro Monat teurer als die beiden neuen Mitbewerber zusammen.
Netflix-Chef Reed Hastings bemühte sich ebenfalls, die Erwartungen der Anleger zu dämpfen. Er erwarte einen "harten Wettbewerb", sobald alle angekündigten Dienste an den Start gegangen sind. Doch selbstverständlich glaubt er an die eigene Firma: "Zwar haben einige der Mitbewerber großartige Titel, aber keiner hat die Bandbreite, Vielfältigkeit und Qualität an Eigenproduktionen, wie wir sie auf der ganzen Welt produzieren", gibt sich Hastings selbstbewusst.
Der Wettbewerb wird härter
Aber natürlich kann der Konzern das neue Marktumfeld nicht ausblenden: "Womöglich gibt es kurzfristigen Gegenwind", erklärte das Unternehmen. "Auf lange Sicht erwarten wir aber Wachstum." Die Hoffnungen des Konzerns fußen darauf, dass der Markteintritt der großen Konzerne die Verlagerung weg vom linearen Fernsehen hin zum Streaming weiter beschleunigen wird. Oder anders formuliert: Statt sich gegenseitig die Nutzer abzujagen, wird der Kuchen insgesamt einfach größer, zu Lasten der klassischen TV-Sender.
Ähnlich sieht es auch Apple-Chef Tim Cook. Auf die Frage, ob Netflix seinen neuen Dienst als Kampfansage empfinde, entgegnete Cook vor wenigen Wochen im stern-Gespräch: "Ich glaube nicht, dass der Wettbewerb sich vor uns fürchtet. Der Videobereich funktioniert anders: Es geht nicht darum, ob Netflix gewinnt und wir verlieren. Oder ob wir gewinnen und sie verlieren. Viele Menschen nutzen mehrere Dienste, und wir versuchen nun, einer davon zu werden" (lesen Sie hier das ganze Interview mit Tim Cook).
"Wir schließen nicht jeden Deal ab, dem wir hinterherjagen"
So groß die Namen der Herausforderer auch sein mögen, Netflix produziert bislang mehr eigene Inhalte als die anderen Firmen. Im vierten Quartal baut Netflix vor allem auf Filmproduktionen, der vielversprechendste Neustart ist Martin Scorseses "The Irishman" mit den Hollywood-Stars Robert De Niro, Al Pacino und Joe Pesci.
15 Milliarden US-Dollar hat Netflix in diesem Jahr bereits in die Hand genommen, um neue Inhalte zu produzieren. Um das weiterhin zu gewährleisten, wird sich das Unternehmen jedoch noch mehr Geld leihen müssen. "Hervorragende Inhalte sind teuer", schreibt Reed Hastings an seine Anleger. "Wir werden uns jedoch nicht davor scheuen, mutige Schritte zu gehen, wenn wir glauben, dass es sich positiv auf unser Geschäft auswirken wird." Man werde einen kühlen Kopf bewahren: "Wir schließen nicht jeden Deal ab, dem wir hinterherjagen. Und wir jagen nicht jedem Deal hinterher, der auf dem Tisch liegt", so Hastings.
Mit einer vielversprechenden Nachricht hat der Konzern vor Kurzem versucht, Fans und Anleger bei Stange zu halten: Es wird definitiv eine vierte Staffel der Grusel-Serie "Stranger Things" geben. Wann, ließ der Konzern noch offen. Doch es ist klar, dass das Monster noch einmal über den Bildschirm wanken und Netflix womöglich noch einmal aus der Patsche helfen wird.
Quellen:"The Verge", "BBC"
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