Es hätte nicht viel gefehlt, und Aschenbrödel wäre Motorrad gefahren und hätte ihren Prinzen in der Disco getroffen. Doch es kam anders: Von der Optik her traditioneller, aber nicht weniger selbstbewusst zeigte sich die Märchenfigur in "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel". Vor 50 Jahren wurde der Kultfilm erstmals im Ersten Deutschen Fernsehen der Bundesrepublik gezeigt - und zwar am 26. Dezember 1975. Nach unzähligen Wiederholungen gehört er längst fest zum Weihnachtsprogramm im wiedervereinigten Deutschland.
Wenig bekannt ist, dass das Drehbuch zunächst der Regisseurin Vera Plivova-Simkova angeboten worden war. "Vera hat es gleich abgelehnt, denn sie wollte moderne Märchen drehen, und sie äußerte sich dahingehend, dass sie den Stoff nur dann verarbeiten würde, wenn Aschenbrödel auf einem Motorrad fährt", berichtete der Regisseur Vaclav Vorlicek später einmal. Vorlicek bekam letztlich den Zuschlag für die Koproduktion zwischen den Prager Barrandov-Studios und der ostdeutschen DEFA, die unter anderem auf Schloss Moritzburg in Sachsen und bei Zelezna Ruda nahe der Grenze zu Bayern gedreht wurde.
Ein emanzipiertes Aschenbrödel
Doch was wäre der Film ohne die großartige Hauptdarstellerin Libuse Safrankova (1953-2021). Der damals erst 19-Jährigen gelang es, mädchenhaften Charme mit selbstbewusstem Auftreten zu verbinden. In dieser Verfilmung ist Aschenbrödel nicht hilflos anderen ausgeliefert. Sie widerspricht der bösen Stiefmutter, führt den Prinzen an der Nase herum - und verkleidet sich sogar als Junge. Aschenbrödel ist emanzipiert.
Der Kern der Handlung ist schnell erzählt: Aschenbrödel lebt nach dem Tod ihres geliebten Vaters bei ihrer Stiefmutter und deren Töchtern, die sie schikanieren. Sie trifft einen Prinzen bei der Jagd im verschneiten Wald und bewirft ihn mit einem Schneeball. Mithilfe von drei Zaubernüssen gewinnt sie sein Herz. Fehlen darf natürlich auch nicht die Szene, wo sie ihren Schuh verliert. Der Prinz entdeckt den Schuh und findet mit ihm Aschenbrödel.
Drehbuchautor blieb lange geheim
Die Vorlage lieferte die Schriftstellerin Bozena Nemcova (1820-1862), die von der französischen Märchentradition beeinflusst war. Doch wer für die gelungene Modernisierung des Stoffs verantwortlich war, blieb jahrzehntelang ein streng gehütetes Geheimnis. Zwar wurde die Dramaturgin Bohumila Zelenkova als Autorin im Vorspann genannt, doch in Wirklichkeit deckte sie nur einen anderen, verbotenen Kollegen: Frantisek Pavlicek (1923-2004) gehörte zu den Vertretern der Liberalisierung während des Prager Frühlings.
Nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten vom August 1968 fiel der Dramatiker wie viele andere in Ungnade. Aus politischen Gründen musste Pavlicek seinen Lebensunterhalt als Lager- und Hilfsarbeiter sowie als Hausmeister verdienen. Er unterzeichnete die Charta 77, ein Manifest für mehr Bürgerrechte in der sozialistischen CSSR, und saß dafür im Gefängnis. Erst nach der demokratischen Wende von 1989 wurde er rehabilitiert und leitete noch für ein Jahr den tschechoslowakischen Rundfunk.
Ungeahnter Publikumserfolg
"Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" wurde derweil zu einem enormen Publikumserfolg. Schon kurz nach der Premiere 1973 wurden die Kinorechte in Länder von Argentinien über die Niederlande und Norwegen bis nach Kuba und Vietnam verkauft. Am 26. Dezember 1975 wurde der Film im bundesdeutschen Fernsehen gezeigt, im Fernsehen der DDR bereits mehrere Tage früher. Er hat bis heute eine leidenschaftliche Fangemeinde, nicht nur in Deutschland, sondern etwa auch in Norwegen.
"Niemand hatte mit einem solchen Erfolg gerechnet, niemand, weder der Regisseur noch der Kameramann", sagte der Schauspieler Pavel Travnicek, der den Prinzen spielte, einmal in einem Interview. Als nachteilig erwies sich lediglich, dass er dadurch in eine Rollen-Schublade geriet: "Du kannst filmen, was immer du willst, aber du bleibst Prinz. Und ich habe immer dazu gesagt, nun ja, so ist die Welt. Wir können nicht alles auf der Welt haben."
Prinz-Darsteller liebt Weihnachten
Mit Freude erinnert sich Travnicek an die Weihnachten seiner eigenen Kindheit, wie der leidenschaftliche Gärtner jüngst der tschechischen Zeitschrift "Unser schöner Garten" verriet: "Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, als alles einfacher und vielleicht auch zauberhafter war." Er erinnerte an Lichter in den Fenstern, den leckeren Geruch aus der Küche und die Spannung vor der Bescherung. Der heute 75-Jährige sagte, dass man sich selbst über Kleinigkeiten gefreut habe: "Das Entscheidende an Weihnachten war, dass wir alle zusammen waren."
Ausstellung auf Schloss Moritzburg in Sachsen Deutsche Fanseite Nationales Filmarchiv Tschechiens, auf Tschechisch