Die Hoffnungen auf eine Einigung zwischen der EU und Großbritannien über die mit Nordirland verbundenen Handelsfragen haben starken Auftrieb bekommen: Im Ringen um eine Einigung wollen sich der britische Premierminister Rishi Sunak und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Montag persönlich treffen. Die beiden kommen in Großbritannien zusammen, wie EU-Kommission und Sunaks Amtssitz Downing Street am Sonntagabend gemeinsam mitteilten. Die Politiker hätten beschlossen, persönlich weiter an praktischen Lösungen für das sogenannte Nordirland-Protokoll zu arbeiten. Erwartet wird, dass bei dem Treffen eine Einigung in dem langen Streit verkündet wird.
In den vergangenen Monaten hatten intensive Verhandlungen über Änderungen am Nordirland-Protokoll stattgefunden. Das zum Brexit-Abkommen gehörende Dokument sieht vor, dass die britische Provinz Teil des europäischen Binnenmarktes bleibt und die Zollgrenze zwischen Großbritannien und der EU in der Irischen See verläuft. Damit sollte verhindert werden, dass Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland eingeführt werden müssen. Sonst wurde mit einem Wiederaufflammen des Konflikts um eine Vereinigung der beiden Teile Irlands gerechnet.
Brexit: Sunak muss Nordirlands Unionisten überzeugen
Ziel der Regelung war es, den Frieden in Nordirland zu sichern und gleichzeitig den europäischen Binnenmarkt zu schützen. Die Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland muss gemäß dem Karfreitagsabkommen von 1998 offenbleiben. Das Abkommen hatte den drei Jahrzehnte währenden Nordirland-Konflikt beendet. Nordirlands Unionisten finden das Protokoll allerdings inakzeptabel, sie fürchten um die Zugehörigkeit Nordirlands zum Vereinigten Königreich.
Entscheidend für den Erfolg einer Einigung ist daher, ob Sunak es schaffen wird, die größte protestantisch-unionistische Partei in Nordirland, DUP, hinter sich zu bringen. Diese blockiert aus Protest gegen das Protokoll seit Monaten eine Regierungsbildung in dem britischen Landesteil und fordert drastische Änderungen.
Der lange Abschied - Großbritannien in Bildern

Auch der harte Kern der Brexit-Anhänger in der britischen Tory-Partei und sein Vorvorgänger Boris Johnson warnten Premierminister Sunak vor zu großen Zugeständnissen an die EU.
Rishi Sunak wirbt für eine Einigung mit der EU
Sunak wolle sicherstellen, dass die angestrebte Vereinbarung mit der EU "den freien Handelsfluss innerhalb des gesamten Vereinigten Königreichs" sicherstelle, den Platz Nordirlands innerhalb Großbritanniens absichere und "dem Volk von Nordirland seine Souveränität zurückgibt", erklärte das Büro des Regierungschefs.
In mehreren Gastbeiträgen und Interviews stimmte Sunak seine Partei, seine Kritiker und das britische Volk bereits auf die Einigung ein. "Der Brexit ist immer noch nicht vollständig durchgezogen und ich will die Sache zu Ende bringen", sagte Sunak in einem Interview mit der "Sunday Times".

"Wir müssen es hinkriegen, dass der Brexit für das gesamte Vereinigte Königreich funktioniert", schrieb er im konservativen "Telegraph". Dem Blatt zufolge soll sich im eigenen Kabinett bereits Widerstand regen und Nordirland-Minister Steve Baker bereits seinen Rücktritt erwägen. Im Boulevard-Blatt "Sun" versicherte Sunak den Lesern, trotz seines mutmaßlichen Kompromisses mit der EU weiterhin ein überzeugter "Brexiteer" zu sein.
Parlament in London muss noch abstimmen
Vertreter aus London und Brüssel hatten seit Inkrafttreten des Brexit-Vertrags 2020 darum gerungen, Lösungen für die entstandenen Probleme zu finden. Einseitig von London verhängte Übergangsphasen sorgten dafür, dass notwendige Kontrollen zunächst noch nicht in vollem Umfang stattfanden. Während Ex-Premier Johnson und seine Kurzzeit-Nachfolgerin Liz Truss damit drohten, das Protokoll einseitig aufzukündigen, schlug der aktuelle Premierminister Rishi Sunak konstruktivere Töne an.
Das britische Parlament soll über den mit Brüssel ausgehandelten Deal noch abstimmen dürfen. Die oppositionelle Labour-Partei hat der konservativen Regierung dafür ihre Unterstützung angekündigt.