Britische Außenministerin Die wunderbar kalte Welt der Konservativen Liz Truss

Liz Truss
Westen gegen Osten, Freiheit gegen Unfreiheit: So schaut Liz Truss auf die Welt. 
© Janek Skarzynski / AFP
Liz Truss war eine der ersten West-Politikerinnen, die vor den Expansionsplänen Wladimir Putins gewarnt hatten. Fast wie im Kalten Krieg gibt die britische Außenministerin die Verteidigerin der Freiheit und erinnert dabei an eine Kalte Kriegerin.

Kriegszeiten sind auch immer Zeiten von unerwünschten Personen. Und Kriegszeiten sind auch immer Zeiten, in denen sich Großbritannien ganz bei sich fühlt. So gesehen kommt der Einmarsch Russlands in die Ukraine wie gerufen für Elizabeth - Liz - Truss, die "menschliche Handgranate", wie sie der "Guardian" jüngst nannte. Die Londoner Außenministerin also darf seit Samstag nicht mehr nach Russland einreisen, die Moskauer Regierung hat gegen sie ein Einreiseverbot erlassen, ebenso wie gegen Premierminister Boris Johnson und Verteidigungsminister Ben Wallace. Sogar Ex-Regierungschefin Theresa May ist auf der schwarzen Liste gelandet.

Russische Vorwürfe perlen an Liz Truss ab

"Nie da gewesene feindliche Handlungen", eine "Informationskampagne", die zum Ziel habe, Russland international zu isolieren und wirtschaftlich zu schädigen, wirft der Kreml den Briten vor und vermutlich würde Liz Truss diese Unterstellungen nicht einmal brüsk zurückweisen. 46 Jahre ist die Tory-Politikerin alt, sie hegt unzweifelhaft den starken Wunsch, Boris Johnson zu beerben. Und wer als konservative Frau Premierministerin werden will, tut gut daran, sich in die Tradition der konservativen Ikone Margaret Thatcher zu stellen, der "Eisernen Lady". Nicht zufällig posierte Truss jüngst auf dem Deck eines Kriegsschiffs oder steckte den Kopf aus der Luke eines Panzers – so wie es die "eiserne Lady" zu Hochzeiten des kalten Kriegs getan hatte.

Thatcher lehnte das sowjetische Russland mit heißem Herzen ab, Liz Truss das imperialistische Russland des 21. Jahrhunderts. Daraus macht sie auch kein Geheimnis. Zwei Wochen vor Kriegsbeginn war die Britin nach Moskau gereist, um mit ihrem Kollegen Sergej Lawrow zu sprechen. Auf der Pressekonferenz gifteten sich beide anschließend vor laufenden Kameras an: "Noch ist Zeit für Russland, seine Aggression gegen die Ukraine zu beenden und den Pfad der Diplomatie einzuschlagen", sagte sie, während der eher grobkörnige Lawrow, verärgert die Inhaltsleere des Treffens beklagte. Zuvor aber hatte Truss hinter verschlossenen Türen gepatzt, als der russische Außenminister ihr eine geografische Fangfrage stellte, auf die Truss prompt reingefallen war.

Oligarchen-Geld mehr als willkommen

Die Beziehungen zwischen Russland und Großbritannien sind speziell. Einerseits stehen sich ihre Gesellschaftsmodelle diametral gegenüber: Hier der liberale Westen, dort der diktatorische Osten, doch russische Oligarchen und ihre Milliarden sind in London-Mayfair mehr als willkommen. Auf politischer Ebene aber lässt die Regierung in Westminster kaum eine Möglichkeit aus, den Kreml harsch zu kritisieren. Wie zuletzt im Umgang mit dem Oppositionellen Alexej Nawalny. Ihre Regierung war es auch, die schon Wochen vor der Ukraine-Invasion darauf hinwies, Moskau wolle in Kiew eine "pro-russische Führung" installieren. Als Beweis veröffentlichte sie, ungewöhnlich genug, Geheimdienstinformationen des MI6.

Liz Truss war einer der ersten West-Politikerinnen, die sehr deutlich vor den Expansionsgelüsten Wladimir Putins gewarnt hatten. "Es ist sehr wichtig, dass Russland für Aggressionen nicht belohnt wird", sagte sie Mitte Februar, "sonst senden wir ein falsches Signal nicht nur an Moskau, sondern auch an andere Aggressoren in der Welt." Russland fordere ein Veto über den Beitritt souveräner Staaten zur Nato und anderen Verteidigungsbündnissen. "Das ist einfach nicht akzeptabel." In diesem Zusammenhang watschte sie auch nonchalant die Regierung in Berlin ab: Man müsse keine Sicherheitsinteressen und Einflusssphären Moskaus berücksichtigen, wie manche in Deutschland behaupteten. Russlands Sicherheit sei ist nicht bedroht.

Großbritannien entschieden pro-ukrainisch

Wen sie und die britische Regierung im Gegenteil bedroht sieht, ist die Ukraine. Schon vor dem russischen Angriff hat sie 2000 Panzerabwehrwaffen Richtung Kiew verschickt und zudem Truppenverstärkungen in Osteuropa zugesagt. Nur wenige Großmächte agieren so entschlossen pro-ukrainisch wie die Briten, auf Premierminister Boris Johnson aber strahlt das nicht ab, denn der führt seine eigenen Kleinkriege und eiert dauerangeschlagen durch Westminster. Unpassend für ihn auch, dass sich russische Oligarchen politischen Einfluss im Land und, per Spenden, auch auf die Tories erkauft haben. Die ehrgeizige Liz Truss sieht deshalb die Chance, sich als neue, eiserne Anpackerin gegen den taumelnden Regierungschef zu positionieren.

Doch Boris Johnson steht nicht wegen politischer Erfolge an der Spitze des Landes, sondern weil er seine Ellbogen einzusetzen weiß. Truss also, die mit den Hufen scharrende Konkurrentin, hat er die Verhandlungen mit der EU über das umstrittene Nordirlandprotokoll aufs Auge gedrückt, eine beinahe unmögliche Mission, bei der jeder nur verlieren kann. Nicht auszuschließen, dass der Chef darauf hofft, dass seine Ministerin scheitert und er wieder seine Ruhe hat. Allerdings ist da noch Schatzkanzler Rishi Sunak, der ebenfalls Premier anstelle des Premiers werden will. Weil Johnson als Corona-Krisenmanager weitgehend ausfiel, übernahm der 41-Jährige diese Rolle und wurde so zum Star. Zumindest unter konservativen Briten. Auch er bewundert Margaret Thatcher.

Das Margaret Thatcher in gewissen Kreisen wieder salonfähig ist, hat vermutlich mit dem schlechten Gedächtnis vieler Politiker zu tun oder ihrem Alter. Aber wohl auch damit, dass ihr "Thatcherismus" zwar großflächige soziale Verheerrungen angerichtet hat, aber wenigstens stand die erste Frau in dem Amt für eine klare Haltung und Würde – und damit für das Gegenteil dessen, was manche ihrer Nachfolger präsentieren. Ironischerweise wurde Liz Truss erst später zum Fangirl. Denn eigentlich stammt sie aus einer linken Familie, in der Anti-Thatcherismus Ehrensache war. Doch dann kam Truss als Teenager in die Rebellenphase und kippte politisch ins Gegenteil der Eltern.

Champagner-Abende mit Parteifreunden

Sie studierte Politik, Philosophie und Ökonomie, wandte sich dem radikalen Wirtschaftsliberalismus zu und lädt nun, ziemlich weit oben angekommen, regelmäßig Parteifreunde zu Champagner-Abenden in schicke Privatclubs ein. Auf Instagram steht sie neben US-Präsident Joe Biden, Justin Trudeau aus Kanada oder auch Angela Merkel. Ihr Job als Außenministerin sieht es vor, dass sie das Gesicht Großbritannien ist und Großbritannien fühlt sich immer noch als Weltmacht. Vor allem dann, wenn es irgendwo auf dem Globus edle Schlachten zu schlagen gilt.

Kein anderes Land er Welt hat nach 1945 so viele Kriege geführt wie das Königreich. 18 waren es bis 1992, da sind die Waffengänge mit Alliierten im Irak und Afghanistan noch nicht mitgezählt. Was die Ukraine betrifft wird sich das Nato-Mitglied wie alle westlichen Staaten wohl zurückhalten, aber das heißt natürlich nicht, dass sich die Regierung in London leisetreten würde. Zumal Liz Truss vor einiger Zeit deutlich gemacht hat, wie sie, und mutmaßlich viele Briten, auf die Welt blickt.

In einer Rede vor der renommierten Denkfabrik Chatham House hat sie von einem ideologischen Ringen zwischen Freiheit und autoritären Regimen wie China oder eben Russland gesprochen. Ihre Worte hörten sich an wie es aus dem Kalten Krieg, als die Welt auch in zwei Blöcke getrennt war: hier der gute, freie Westen, dahinten der böse, unfreie Osten. Im Kampf um die richtige Sache hat sie bereits ihre Landsleute auf "Nachteile" eingeschworen, die das Kappen der Erdgasleitungen aus Russland mit sich bringen werde. Auch wenn der Anteil nur drei Prozent beträgt.

Neulich wurde sie sogar auf den Einsatz einer Fremdenlegion angesprochen. "Das unterstütze ich. Es ist etwas, über das die Menschen persönlich entscheiden. Das ukrainische Volk kämpft für Freiheit und Demokratie, nicht nur für die Ukraine, sondern für ganz Europa." Auf die Frage, ob dies auch Briten einschließe, antwortete Liz Truss: "Absolut, wenn es das ist, was sie wollen." Kälter kann reine Machtpolitik kaum klingen.

Quellen: "Zeithistorische Forschung", DPA, AFP, "Guardian", "Die Welt", RND