Nach den jüngsten Gewaltexzessen des syrischen Regimes gegen sein eigenes Volk hat der UN-Sicherheitsrat die Regierung in Damaskus verurteilt. In einer Präsidentiellen Erklärung prangert das Gremium eine "weitreichende Verletzung der Menschenrechte und die Gewalt gegen Zivilisten" an. Zwar ist die Erklärung nicht so stark wie eine Resolution und zudem rechtlich nicht bindend. Nach monatelangen Debatten gelang es so aber, auch Russland, China und andere Staaten an Bord zu holen, die bislang ein Vorgehen gegen die syrische Regierung ablehnten.
Die Erklärung ist der kleinste gemeinsame Nenner. Insbesondere Russland und China, beide als ständige Mitglieder mit Vetorecht ausgestattet, hatten keine schärfere Kritik an Syrien zugelassen. Auch der unter starkem syrischen Einfluss stehende Libanon war bis zuletzt gegen Kritik an seinem Nachbarland.
"Wir rufen zum sofortigen Ende der Gewalt auf und fordern von allen Seiten größtmögliche Zurückhaltung und Abstand von Repressalien, einschließlich der Angriffe auf staatliche Institutionen", heißt es in dem Papier, dass der Ratspräsident, in diesem Monat der indische UN-Botschafter Hardeep Singh Puri, verlas. Die Regierung müsse die Menschenrechte achten und die Verantwortlichen für Verbrechen zur Rechenschaft ziehen. "Wir begrüßen die Ankündigung von Reformen, sehen aber Mängel bei deren Durchsetzung und fordern diese nun mit Nachdruck." UN-Generalsekretär Ban Ki Moon soll innerhalb einer Woche Bericht über die Situation in Syrien erstatten.
Ban forderte Damaskus ebenfalls zu politischen Reformen auf und verlangte grundlegende Freiheiten für das syrische Volk. Die Erklärung des Sicherheitsrates nannte Ban eine "klare Botschaft" an das Regime. Der Tod so vieler Demonstranten sei "grausam schockierend". Jeder Fall müsse unabhängig aufgeklärt werden.
"Das ist ein guter Text. Wir haben gezeigt, dass wir mit einer Stimme sprechen können", sagte Puri. "Mit dem einstimmigen Votum haben wir ein deutliches Signal nach Damaskus geschickt." Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte das Papier. "Die internationale Gemeinschaft hat eine wichtige Botschaft an die syrische Regierung gesendet", erklärte er in Berlin. Er hätte sich aber "frühere und noch deutlichere Worte gewünscht". Auch Deutschlands amtierenden UN-Botschafter Miguel Berger sprach von einem "klaren Signal", aber ein Resolutionsentwurf habe schon zwei Monate auf dem Tisch gelegen. "Erst jetzt, Hunderte Tote später, konnte der Widerstand überwunden werden."
Kritischer Punkt war lange die Gleichsetzung beider Konfliktparteien: Insbesondere die Russen vertraten die Ansicht, dass die Gewalt des syrischen Staates nur eine Erwiderung von Gewalt der Straße sei. Diese Haltung hatte bei westlichen Diplomaten für Empörung gesorgt: "Das ist offenkundig der Versuch, die syrische Regierung zu entlasten. Für uns ist dies völlig inakzeptabel", sagte Berger. Die syrische Regierung kämpfe mit Panzern und Scharfschützen gegen ihr eigenes Volk.
Human Rights Watch hatte eine Resolution gefordert, weil nur "das deutlichste Signal" Präsident Baschar al-Assad von weiteren Angriffen abhalten könne. Die jetzige Erklärung sei aber nicht zu unterschätzen, sagte Peggy Hicks von der Menschenrechtsorganisation: "Wenn sogar Syriens enge Verbündete die Taten verurteilen, sollte Präsident Assad die Botschaft begreifen und die Angriffe auf friedliche Demonstranten stoppen."
Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen wurden bei dem gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Protestbewegung bislang etwa 1700 Demonstranten getötet. Bereits vor den neuesten Berichten über Tote in Hama hieß es, dass allein 90 Menschen seit Beginn der jüngsten Offensive der Regierungstruppen am Sonntag getötet worden seien.
Bei dem Panzervorstoß der syrischen Armee in die Protesthochburg Hama sollen einem Menschenrechtler zufolge mindestens 45 Menschen getötet worden sein. Allein 40 Menschen seien am Mittwoch und am Donnerstagmorgen durch Maschinengewehr-Feuer und Panzergeschosse im Stadtteil Al-Hader ums Leben gekommen, sagte der Aktivist, der aus der eingekesselten 700.000-Einwohner-Stadt entkommen konnte. Fünf weitere Menschen, darunter zwei Kinder, seien getötet worden, als sie mit einem Auto fliehen wollten. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben ist nicht möglich, da Syrien die meisten ausländischen Journalisten ausgewiesen hat.