Eine Vollversammlung aller europäischen Staaten ist selten, aber hin und wieder findet sie statt. Aktuell auf Schloss Mimi in Bulboaca, 45 Autominuten entfernt von Chisinau, der Hauptstadt von Moldau. Die herrschaftliche Residenz liegt am äußersten Rand der EU, das ukrainische Odessa am Schwarzen Meer ist nur 170 Kilometer weiter südöstlich. Der Ort für das Treffen der "Europäischen Politischen Gemeinschaft" (EPG) ist natürlich nicht zufällig gewählt. Moldau, oder auch Moldawien, ist in vieler Hinsicht ein grenzwertiger Ort, an den nun die Vertreter aller Europäer gereist sind.
Diese drei Staaten fehlen in Moldau
Wobei – alle Vertreter stimmt nicht, die dreier Staaten fehlen: Vatikanstaat, Belarus und Russland. Dabei sind die beiden letzten Länder ein Anlass für die Zusammenkunft in Moldau sind. Denn damit soll der ehemaligen Sowjetrepublik der Rücken gestärkt und ein Zeichen der Geschlossenheit gegenüber dem Kreml gegeben werden. Das Land entspricht mit seinen entspricht in Größe und Einwohnerzahl (2,6 Millionen) in etwa dem deutschen Bundesland Brandenburg. Wie auch andere Staaten, die früher Teil der Sowjetunion waren, kämpft auch Moldau mit abtrünningen Landesteilen, die sich Richtung Moskau orientieren.
Im Fall von Moldau ist es Transnistrien, ein schmaler Landstreifen an der Grenze zur Ukraine, der sich bereits 1990 selbst zur Republik ernannt hat – nach einem kurzen Bürgerkrieg. In dem von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebiet sind seit 31 Jahren rund 1500 russische Soldaten stationiert. Die meisten der rund 400.000 Menschen dort sprechen russisch, Moskau unterstützt die Region wirtschaftlich.
Russlands Geheimdienst kontrolliert die Opposition
Recherchen von Medien zufolge, versucht Russland massiv Politik und Stimmung in Moldau zu beeinflussen. Anlass ist der prowestliche Kurs, den die kleine und arme Republik in den vergangenen Jahren eingeschlagen hat. Laut der "Süddeutschen Zeitung" sowie den beiden öffentlich-rechtlichen Sendern WDR und NDR soll die Präsidialverwaltung im Kreml vor zwei Jahren skizziert haben, wie die von Russland unerwünschte Westorientierung Moldaus verhindert und der prorussische Einfluss ausgebaut werden könnte. Unter anderen soll dazu der russische Geheimdienst FSB die moldauische Oppositionspartei Sor kontrollieren.
Am Rande der EU findet gewissermaßen der Kulturkampf West gegen Ost statt, bei dem zumindest auf offizieller Ebene der Westen die Oberhand hat. Als Symbol dafür traf der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als erster Gast auf dem Schloss Mimi ein. Die der EPG geht auf Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron zurück, der im Mai 2022 von einem "neuen Raum für politische Zusammenarbeit, Sicherheit und Kooperation" in Europa sprach. Es soll zudem als Scharnier-Forum für (Noch-)Nicht-EU-Staaten und Nicht-Mehr-Staaten (Großbritannien) fungieren. Der nächste EPG-Gipfel findet in Spanien statt und 2024 in Großbritannien.
Russland warnt vor "gewaltsamer Säuberung Transnistriens"
Russland ist angesichts des EPG-Gipfeltreffens in der Ex-Sowjetrepublik wenig begeistert. "Die Ukraine ist zu einem Brückenkopf des Kriegs gegen Russland geworden", sagte Russlands Geheimdienstchef Alexander Bortnikow der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. Und: "Der Westen drängt Moldau aktiv zu einer Teilnahme am ukrainischen Konflikt" und stachele die Regierung in Chisinau zu einer "gewaltsamen Säuberung Transnistriens" an. Nicht weniger Beobachter fürchten, dass Moskau Unruhen in der Region als Vorwand nutzen könnte, um die Lage zu eskalieren.
Auch Wolodymyr Selenskyj sieht diese Gefahr und fordert daher eine schnelle Osterweiterung der Nato und EU. "Wir brauchen Frieden. Deshalb sollte jedes europäische Land, das an Russland grenzt und das nicht will, dass Russland es auseinanderreißt, ein vollwertiges Mitglied der EU und der Nato sein", sagte er auf dem Treffen. Einzige Alternativen dazu seien ein offener Krieg oder eine grausame russische Besatzung.