EU-Erweiterung EU-Gipfel schnürt Finanzpaket

Nicht mehr als 40,5 Milliarden Euro soll die EU-Erweiterung kosten. Beitrittsverhandlungen mit der Türkei finden frühestens ab 2004 statt.

Die EU will nach Angaben der dänischen Präsidentschaft im Dezember 2004 die Beitrittsreife der Türkei bewerten, mit der dann zügig Verhandlungen beginnen könnten. Die Staats- und Regierungschefs einigten sich nach Angaben von Diplomaten zudem auf eine gemeinsame Linie für die Verhandlungen über die Finanzierung der EU-Erweiterung. Die Kosten sollen demnach die Grenze von 40,5 Milliarden Euro nicht überschreiten.

Der dänische Ministerpräsident und Ratspräsident der Europäischen Union (EU), Anders Fogh Rasmussen, sagte in der Nacht zum Freitag beim EU-Gipfel in Kopenhagen: »Wenn der Europäische Rat im Dezember 2004 entscheidet, dass die Türkei die politischen Kriterien erfüllt, dann können die Beitrittsverhandlungen beginnen.« Dies könne dann so bald wie möglich geschehen. Die Entscheidung bedeutet einen Rückschlag für die Türkei, die mit Unterstützung der USA auf einen Beginn der Verhandlungen bereits im kommenden Jahr gedrängt hatte. Die Türkei reagierte zurückhaltend auf den Beschluss und betonte, dieser könne noch geändert werden.

Türkei-Verhandlungen ab 2005


Die Türkei-Frage und die Finanzierung der Erweiterung sind die zentralen Themen des zweitägigen Treffens, bei dem mit der Aufnahme von zehn zumeist osteuropäischen Staaten die bislang größte Erweiterung der EU beschlossen werden soll. Rasmussen und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) appellierten im Vorfeld der Beratungen an Mitglieder und Kandidaten, die historische Chance einer Einigung Europas über die Grenzen des Kalten Krieges hinweg nicht an finanziellen Streitigkeiten scheitern zu lassen.

Die Staats- und Regierungschefs der EU waren ohne einheitliche Haltung zur Türkei-Frage in das Abendessen zum Auftakt des Gipfels gegangen. Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatte gesagt, sechs Staaten seien für Verhandlungen bereits im Jahr 2004. Die Niederlande, Schweden und Finnland hatten sich am stärksten gegen ein schnelles Datum gewandt. Deutschland und Frankreich wollten 2004 erst über die EU-Reife des Landes entscheiden und Verhandlungen im Juli 2005 beginnen. Der Beschluss von Kopenhagen kommt diesem Vorschlag sehr nahe.

Teilnehmer berichteten von einer heftigen Diskussion beim Abendessen über die Türkei-Frage und über Kritik am Druck Erdogans zu einer schnellen Entscheidung. Berlusconi sagte:

»Viele haben (den türkischen Druck) als bedauerlich und unannehmbar empfunden.« Ein Regierungschef sagte: »Einige Staaten, die ziemlich offen waren für die Türkei, waren sehr schockiert von der Erpressungskampagne der letzten Tage. Herr Erdogan hat ein sehr kontraproduktives Verhalten.« Er zitierte Frankreichs Präsident Jacques Chirac mit den Worten: »Es ist nicht genug, europäisches Recht zu respektieren, man muss auch höflich und zivilisiert sein.«

Ein türkischer Regierungsbeamter erklärte, die EU-Entscheidung nehme die türkische Entschlossenheit nicht ausreichend zur Kenntnis. »Aber es ist immer noch Zeit für eine Korrektur, und die Versuche (dazu) werden bis zur letzten Minute weitergehen.« Ein Berater von Recep Tayyip Erdogan, dem Chef der Regierungspartei AKP, hatte von einer wohlmeinenden Entscheidung gesprochen, die nicht schlecht sei. Für Freitag ist ein Treffen des türkischen Ministerpräsidenten Abdullah Gül mit Schröder und Chirac geplant, an dem möglicherweise Erdogan teilnehmen soll.

Kosten »zu hoch«


Zum Streit über die Finanzierung der Erweiterung sagte ein EU-Diplomat: »Die 15 (Staats- und Regierungschefs) haben dem dänischen Finanzpaket zugestimmt.« Diese sieht für die Jahre 2004 bis 2006 Kosten von 40,5 Milliarden Euro vor. Zuvor hatten Deutschland und andere Nettozahler der EU den dänischen Vorschlag als zu teuer kritisiert und verlangt, die Kosten müssten im Rahmen der im Oktober vereinbarten Obergrenze von 39,3 Milliarden Euro bleiben. Dagegen fordern mehrere der zehn Kandidaten, vor allem Polen, Zahlungen über den dänischen Vorschlag hinaus. Dänemark will am Freitag in Einzelgesprächen mit den Kandidaten eine Einigung über die Erweiterung erreichen.

Schröder hatte die Beitrittsländer vor überzogenen Forderungen gewarnt, zugleich aber deutsche Kompromissbereitschaft bei der Finanzierung der Erweiterung signalisiert. Deutschland werde nicht den Fehler machen, die historische Chance der Erweiterung nicht zu nutzen, sagte er. Dem müssten sich auch die »materiellen Details« unterordnen. Rasmussen warnte die Beitrittsländer, ihre Aufnahme durch überzogene Forderungen um mehrere Jahre zu verzögern. »Ich sage nicht, dass dies eine Frage von ?Jetzt oder Nie? ist«, sagte Rasmussen zum Auftakt des zweitägigen Gipfels. »Aber es ist eine Frage von jetzt oder einer Verschiebung um Jahre, vielleicht viele Jahre.«

DPA