Luftbrücke Deutschland will Hilfsgüter über Gaza abwerfen – wie das abläuft und wo die Probleme liegen

Luftbrücke für Gaza – Reporterin begleitet Hilfsflug
Luftbrücke für Gaza – Reporterin begleitet Hilfsflug
© n-tv
Sehen Sie im Video: So funktioniert die Luftbrücke für Gaza – Reporterin begleitet Hilfsflug.
Videoquelle: n-tv
Wegen der Hungersnot im Gazastreifen möchte die Luftwaffe eingreifen. Wie die Einsätze ablaufen sollen, welche Länder schon mitmachen – und wieso die Versorgung bisher so schwierig ist.

Die Hungersnot im Gazastreifen spitzt sich zu, je länger der Krieg zwischen Israel und der Hamas andauert. Weit mehr als 500.000 Menschen in dem schmalen Küstenstreifen sind laut den Vereinten Nationen von Hunger bedroht, es gibt immer mehr Berichte von verhungerten Kindern und Erwachsenen. Die Palästinenser in Gaza warten auf Essen und Medizin – doch die Lastwagen, die über die Grenze aus Israel fahren, decken den Bedarf nicht ab. Offenbar vertrauen die USA und andere Länder nicht darauf, dass sich die Zahl der Lkws schnell erhöht, sie suchen Zwischenlösungen: Das US-Militär richtet mit internationalen Partnern einen temporären Hafen ein, um Hilfsgüter per Schiff in den Gazastreifen zu bringen. Außerdem werfen mehrere Länder Notfallpakete mit Fallschirmen ab. Jetzt will auch Deutschland mitmachen.

Wie will Deutschland in Gaza helfen?

Die Luftwaffe der Bundeswehr soll Hilfsgüter über dem Gazastreifen abwerfen. Auf den Einsatz haben sich das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium geeinigt. Verteidigungsminister Boris Pistorius erteilte am Mittwoch einen entsprechenden Auftrag an die Bundeswehr. Die Flugzeuge vom Typ C-130J-30 Super Hercules, die eingesetzt werden sollen und acht Tonnen Last transportieren können, sind momentan in der nordfranzösischen Stadt Évreux stationiert – innerhalb der nächsten wäre ein Aufbruch möglich. Für die Luftbrücke soll es einen Flugzeug-Pendelverkehr zwischen Jordanien und dem Gazastreifen geben. Wie viele Flugzeuge eingesetzt werden, ist noch unklar. Vergangene Woche haben jordanische Flugzeuge bereits mehrere Tonnen Hilfspakete des “World Food Programme” abgeworfen, das auch von Deutschland mitfinanziert wird.

Wer liefert bisher Hilfsgüter nach Gaza?

Frankreich, Belgien, die Niederlande, die USA, Jordanien und Ägypten haben bereits Hilfspakete über dem Gazastreifen abgeworfen. In den Paketen, so zeigen es Videos in den sozialen Medien, sind Mahlzeiten wie Spaghetti mit Rindfleisch, Kaffee und Kekse verpackt, auch Hygiene-Artikel. Ob die Hilfe immer auch bei den Zivilisten ankommt, ist nicht gesichert. So könnten die Pakete angehäuft und teuer verkauft werden, etwa von der Terrororganisation Hamas, die im Gazastreifen an der Macht ist. Experten für Hilfe in Krisengebieten befürchten auch, die Pakete könnten versehentlich in Gebieten mit Sprengsätzen landen und die hungernden Menschen dort hinlocken. Oder gar Bewohner bei der Landung verletzen, wie in den vergangenen Tagen bereits geschehen. 

Wie soll der neue Hafen vor Gaza aussehen?

Der provisorische Hafen, den die USA planen, soll eine Art Landungspier aus Steinen werden. Dort könnten Landungsboote anlegen und Lieferungen abladen. Von dort aus, so der bisherige Stand, müssten die Lieferungen von Organisationen vor Ort weitertransportiert werden. Etwa durch das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen, UNRWA. Einigen Mitarbeitern der Organisation wird allerdings vorgeworfen, mit der Hamas zu kooperieren. Die größten Geldgeber, die USA und Deutschland, haben die Zahlungen gestoppt. Jedoch ist die UNRWA maßgeblich für die Versorgung der Palästinenser zuständig. Ob es eine Alternative geben kann, ist umstritten.

Warum sind die Notlieferungen nach Gaza bisher so schwierig?

Es sind nur zwei Grenzübergänge nach Gaza geöffnet: jener im Süden Gazas in Rafah an der Grenze zu Ägypten und der Übergang an der Grenze zu Israel, Kerem Shalom. Der Erez-Grenzübergang im Norden Gazas bleibt vorerst geschlossen. Israel befürchtet, dass durch die Lieferungen Waffen an die Hamas geschmuggelt werden könnten, und hat deshalb ein strenges Inspektionssystem eingeführt. Die Lieferungen stauen sich. Israel hat wiederholt versprochen, mehr Scanner und Personal an den Übergangen einzusetzen. Faktisch ist das noch nicht geschehen.

Seit dem 7. Oktober – als die Hamas 1.200 Menschen in Israel tötete, weitere entführte und vergewaltigte – bekämpft Israels Armee die Organisation mit Großoffensiven im Gazastreifen. Die USA und andere Länder mahnen Israel fortwährend, mehr Lieferungen in den Gazastreifen zu lassen. Über den Landweg könnten weit mehr Hilfsgüter in kürzerer Zeit nach Gaza gelangen als per Luft oder Wasser. 

Wo haben Luftbrücken bisher funktioniert?

Die erste zivile Luftbrücke entstand 1920 in Pommern, um Wahlberechtigte einzufliegen. Polen hatte die Zugreise in die vom Deutschen Reich abgeschnittenen Gebiete erschwert. Während des Zweiten Weltkriegs wurden Luftbrücken vor allem genutzt, um eingekesselte Soldaten mit Waffen, Munition und Nahrung zu versorgen, etwa im russischen Demjansk, in Stalingrad und in Tunesien.

Die wohl bekannteste Luftbrücke entstand 1948 nach der Blockade von Berlin. Zwischen dem 26. Juni 1948 und dem 30. September 1949 versorgten die Westalliierten knapp 2,2 Millionen Menschen in West-Berlin mit Nahrung, Kleidung, Brennstoffen und sonstigen Gütern. In jener Zeit starteten und landeten insgesamt 277.569 sogenannte „Rosinenbomber“ auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof. Später wurden Luftbrücken vor allem eingerichtet, um Zivilisten aus Katastrophengebieten zu evakuieren, zum Beispiel 1999 nach dem Lawinenunglück von Galtür in Südtirol.