Als George W. Bush, 43. Präsident der Vereinigten Staaten, sich am Sonntagabend an die Nation wandte, sah er nicht aus wie einer, der gerade vier Wochen Urlaub hinter sich hatte. Er sprach von großen Fortschritten im Irak, vom Mut der Soldaten vor Ort und ermahnte die Vereinten Nationen, endlich Verantwortung zu übernehmen. Er sagte das Übliche, erwähnte nicht die Probleme, den Guerillakrieg dort, die vielen toten GIs und die noch größere Zahl toter Zivilisten. Er vermied das Wort Chaos. Und doch klang die Rede wie ein einziger Hilferuf.
Die Bilder aus dem Weißen Haus zeigten keinen strahlenden, zuversichtlichen Präsidenten wie noch am 1. Mai an Bord des Flugzeugträgers "USS Lincoln", als er, der Präsident, in einem Jet landete und dann, in Fliegeruniform, seine Mannesmerkmale auffällig betonend, das Ende der Kampfhandlungen im Irak verkündete. Lachend. Dröhnend. Feixend. Die Nation ergötzte sich an diesen Bildern, der Rest der Welt verabscheute sie.
"Es gibt keinen Zweifel in meinem Kopf, nicht einen Zweifel in meinem Kopf, dass wir scheitern werden" George W. Bush
Nur vier Monate später ist George W. Bush im eigenen Land so unbeliebt wie nie zuvor. Erstmals seit dem 11. September 2001 sagt die Mehrheit der US-Bürger, sie würde ihn nicht wiederwählen. Niemals in der Geschichte war das Ansehen Amerikas so miserabel. Der groß angekündigte Friedensplan für den Israel-Palästina-Konflikt ist gescheitert, Afghanistan weit von der versprochenen Stabilität entfernt, und der eskalierende Guerillakrieg im Irak zwang Bush nun den Canossa-Gang zu den von ihm so ungeliebten Vereinten Nationen auf. Seine außenpolitische Bilanz ist nach Ansicht fast aller Experten verheerend.
George W. Bush, der einst Unantastbare, hat sich angreifbar gemacht, auch innenpolitisch. Er wird verhöhnt von den zuvor so ängstlichen demokratischen Präsidentschaftsanwärtern, die ihn "einen miserablen Versager" schimpfen wie Richard Gephardt, den "Regimewechsel zu Hause" fordern wie John Kerry oder Bush frontal angehen wie Howard Dean: "Sie sollten peinlich berührt sein, Mister President, Sie sollten sich schämen, Mister President, wir brauchen einen neuen Präsidenten, Mister President."
Wie konnte es kommen, dass ein Politiker, der nach den Anschlägen des 11. September die Solidarität der ganzen Welt erfuhr, nur zwei Jahre später der meistgehasste Mann auf diesem Planeten ist?
Es gab mal einen anderen Bush. Den besonnenen Bush, der den 11. September und seine unmittelbaren Folgen souverän und staatsmännisch bewältigte. Der die Falken unter seinen Beratern in Schach hielt. Falken wie Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der schon Stunden nach den Attacken auf das World Trade Center und das Pentagon die Initialen "SH", für Saddam Hussein, auf einen Block kritzelte und daneben die Anweisung: "go massive".
Es war die Zeit, als Bush von den Terroristen noch als "folks" sprach und nicht vom Bösen. Die Welt trauerte mit Amerika, und in Frankreich titelte "Le Monde": "Wir sind alle Amerikaner". Es war eine stille Zeit. Und Bush auf dem Höhepunkt seiner Popularität.
"In Afghanistan haben wir geholfen, ein unterdrücktes Volk zu befreien. Und wir werden ihnen weiter helfen, ihr Land sicherer zu machen, ihre Gesellschaft wieder aufzubauen, ihre Kinder zu erziehen, Jungen und Mädchen" George W. Bush
Die Bomben auf Kabul fielen am 7. Oktober 2001. Die internationale Gemeinschaft zeigte unter dem Eindruck der Terrorangriffe Verständnis für den Waffengang. Bush und Bundeskanzler Schröder waren noch Alliierte damals. Zwei Jahre sind eine Ewigkeit in der Politik. Die Befreiungsaktion unter dem pathetischen Namen "Enduring Freedom" hat die andauernde Freiheit nicht gebracht. Osama bin Laden ist immer noch auf der Flucht. US-Komiker witzeln, er habe in den vergangenen Jahren mehr Videos produziert als amerikanische Rap-Stars. Das Land liegt weiter in Trümmern, jenseits der Hauptstadt Kabul haben es Warlords unter Kontrolle. Der afghanische Minister für Wiederaufbau, Amin Farhang, sagt enttäuscht: "Als die Amerikaner ihren Krieg gegen den Terrorismus begannen, benutzten sie die Mudschaheddin, die heutigen Warlords, als ihre Bodentruppen. Sie wollten ihre eigenen Leute nicht einsetzen. Dadurch sind die Warlords wieder an die Macht gekommen - und wollen sie nun nicht wieder hergeben."
Hilf- und weitgehend mittellos muss die Regierung in Kabul mit ansehen, wie das Land im Chaos erstickt. Farhang: "Wenn die Amerikaner uns nicht helfen, habe ich Zweifel, dass es irgendwie vorangeht. Der afghanische Boden ist sehr geeignet für die Reorganisation des Terrorismus. Man muss sehr vorsichtig sein. Es könnten sich weitere Anschläge vom Kaliber des 11. September ereignen."
Vollmundig hatte Bush unmittelbar nach dem Angriff humanitäre Hilfe im Wert von 320 Millionen Dollar und obendrein eine Art Marshall-Plan für den Wiederaufbau des Landes versprochen. Aber Afghanistan ist weit weg. Afghanistan war schnell vergessen. Die Welt schaut auf den Irak. Und Bush schaut weg. Im US-Haushaltsentwurf für 2003 fehlte der Posten Afghanistan zunächst komplett und musste eilig nachgeschoben werden. Von einem Marshall-Plan ist längst keine Rede mehr.
Konnte der US-Präsident in den Monaten nach dem Afghanistan-Feldzug zunächst noch auf internationale Unterstützung bauen, begann sich dies im Verlauf des Jahres 2002 dramatisch zu ändern. Als er im Januar erstmals den Begriff "Achse des Bösen" einführte, konnte man das noch seiner spät entdeckten Liebe zum Alten Testament zuschreiben. Als er die Welt wiederholt in Gut und Böse einteilte, mochte das an seiner Vorliebe für Cowboy-Terminologie liegen. Aber die ständige Wiederholung der Formel "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns" klang vielen allzu simplizistisch, apodiktisch, ja totalitär. Die einfache, nicht selten schwülstige Sprache, mit der sich Bush in die Herzen der Hollywood-geprägten Amerikaner geredet hatte, schreckte den Rest der Welt eher ab.
"Das Böse ist real und muss bekämpft werden" George W. Bush
Im März 2002 schließlich fielen Worte, die man von ihm bis dahin nicht kannte und die erst sehr viel später die Öffentlichkeit erreichten. Während einer Sitzung im Weißen Haus mit drei Senatoren, die über ein Vorgehen gegen den Irak unter Einbeziehung der Vereinten Nationen diskutierten, machte der Präsident eine abfällige Handbewegung und kleidete seine Irak-Politik in fünf Worte: "Fuck Saddam. Wir stürzen ihn."
Damit offenbarte er all das, was ihm in den folgenden anderthalb Jahren zum Verhängnis werden sollte: Überheblichkeit, Großmäuligkeit, Verachtung für die internationale Gemeinschaft. Der Rancher aus Crawford/Texas, der in seinem 57-jährigen Leben alles in den Schoß gelegt bekam, eine Kindheit in Wohlstand, das Studium an der Elite-Universität Yale, den Einstieg in die Ölindustrie, ein Mann, der nie kämpfen musste außer gegen die Liebe zum Alkohol, hatte sich frühzeitig für einen Krieg gegen den Irak, notfalls auch im Alleingang, entschieden. Es ging nur noch um die Verkaufsstrategie.
Diese Haltung des außenpolitisch völlig unbedarften Präsidenten entsprach so gar nicht seiner bisherigen Politik. Der Irak hatte in dem Jahr seiner Präsidentschaft keine Rolle gespielt. Er hatte ihn nicht interessiert, wie ihn die Welt an sich nicht sonderlich interessierte. Auch nach den Anschlägen vom 11. September, als das FBI fieberhaft, aber vergebens nach einer Verbindung zwischen Saddam Hussein und Osama bin Laden suchte, hatte Bush einen Militärschlag gegen den Irak noch abgelehnt. Umso mehr fragten sich politische Beobachter, woher die plötzliche Wende kam. Die Suche nach einer Antwort führte zu einer kleinen Gruppe hochrangiger Ministerialbeamter, die wie aus dem Nichts gekommen schien und die Außenpolitik Washingtons an sich gerissen, manche sagen gekidnappt hatte: die Neokonservativen.
Es handelte sich um eine hervorragend organisierte Clique von Reagan-Jüngern um den stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz, Menschen von der Sorte, wie der Präsident sie eigentlich nicht schätzt: weltgewandte Intellektuelle, die in den Politzirkeln der Hauptstadt zu Hause sind. Ihre Philosophie gründet auf der Annahme, diese Welt sei ein gefährlicher, bedrohlicher Ort, den die USA als Hegemonialmacht zu beherrschen habe. Nur ein starkes, hochgerüstetes Amerika könne den Weltfrieden garantieren. Bereits 1992 hatte Wolfowitz in einem Strategiepapier die Weltvorherrschaft der USA gefordert und zur Eindämmung Japans und des wiedervereinigten Deutschlands aufgerufen. Damals galten seine Pläne als gefährlich und grotesk.
Jetzt aber, zehn Jahre später, gefördert von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, saßen die Neocons nicht nur in wichtigen Positionen des Verteidigungs- und Außenministeriums, sondern auch bei den nun entscheidenden Strategiesitzungen mit am Tisch. Sie hatten nicht nur Rumsfeld hinter sich, sondern schafften es auch, Vizepräsident Dick Cheney, der sich im ersten Golfkrieg noch gegen den Sturz Saddams ausgesprochen hatte, auf ihre Seite zu ziehen. Sie waren es, die Colin Powell die Außenpolitik stückweise aus der Hand nahmen und die neue nationale Sicherheitsstrategie maßgeblich gestalteten, die die Möglichkeit von Angriffskriegen ausdrücklich einschloss. Die Neocons waren es auch, die den Präsidenten überzeugten, dass eine Beseitigung Saddams zur Neuordnung des Nahen Ostens führe - im Interesse Amerikas. George W. Bush, der außenpolitische Anfänger, war bekehrt.
Die neue Sicherheitsstrategie mochte imperiale Züge tragen und in Friedenszeiten kaum durchsetzbar gewesen sein, aber Amerika war nach dem 11. September ein anderes Land. Die Regierung, allen voran Justizminister John Ashcroft, instrumentalisierte das Klima der Furcht und peitschte mit dem "USA Patriot Act" ein monströses Gesetzespaket durch, das dem Staat die totale Überwachung seiner Bürger ermöglicht: das Abhören von Anwälten und Klienten, das Schnüffeln nach Lesegewohnheiten der Büchereikunden, das Aufzeichnen von E-Mail-Verkehr, das Infiltrieren religiöser Minderheiten. Das Vorladen zu Verhören vornehmlich junger Muslime, das Wegschließen ohne Angabe von Gründen auf unbestimmte Zeit, Militärtribunale schließlich.
"Ich verbringe nicht sehr viel Zeit damit, über mich nachzudenken oder darüber, warum ich Dinge tue" George W. Bush
Im Zuge der Terrorbekämpfung wurde sogar über die Einführung der Folter diskutiert. "Seit Ashcroft im Amt ist, sind alle Muslime Verdächtige. Und wir müssen annehmen, dass jede Moschee im Land überwacht wird", sagte Ibrahim Hooper, Sprecher des Rates für Amerikanisch-Islamische Beziehungen.
Absurder Höhepunkt der Terroristenhatz war der Plan von Rumsfeld-Intimus Ex-Admiral John M. Poindexter, eine Internetseite zu installieren, auf der Interessierte die politische Zukunft des Nahen Ostens voraussagen sollten - etwa die Erschießung Jassir Arafats oder den Sturz des jordanischen Königshauses. Eine Art "staatliches Wettbüro für Grausamkeit und Terrorismus", wie Senator Ron Wyden aus Oregon höhnte. Im August musste der umstrittene Militärberater seinen Rücktritt einreichen.
In dieser Atmosphäre wurden selbst Journalisten oder ganze Fernsehsender zu Steigbügelhaltern der Regierung. Und jeder Zweifel, jede Kritik wurde als unpatriotisch abgetan. Für Bush war es ein Leichtes, die Landsleute in sicherheitspolitischen Fragen auf seine Seite zu ziehen. Er tönte, die Beweise für die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak seien "in Form eines Atompilzes" zu befürchten, warnte sogar vor irakischen Angriffen auf die USA. Die Amerikaner, die laut Umfragen weiter mehrheitlich daran glaubten, dass Saddam etwas mit den Anschlägen vom 11. September zu tun habe, vertrauten ihm auch jetzt wieder.
Es war der Beginn einer Kette von Halbwahrheiten, Lügen und überzeichneten Szenarien, die dem Präsidenten das Okay seiner Landsleute für einen Krieg sichern sollten. Heute ist jeder zweite Amerikaner überzeugt, damals wissentlich getäuscht worden zu sein. Hätte Bush ihnen die weiteren Motive seines Krieges genannt - die Neuordnung des Nahen Ostens, die geostrategische Ausrichtung nach Eurasien -, hätten ihm Volk und Kongress die Zustimmung womöglich verweigert.
Im Sommer 2002 offenbarte sich ein Hauptdilemma des Systems Bush: der Kompetenzwirrwarr zwischen Außen- und Verteidigungsministerium. Das diplomatische Versagen nahm seinen Lauf. Während Colin Powell verzweifelt um die Einbeziehung der Vereinten Nationen kämpfte, lehnten Rumsfeld, Cheney und Wolfowitz dies ab. Bei einem Abendessen im Weißen Haus am 5. August konnte Powell Bush überzeugen, den Weg über den UN-Sicherheitsrat zu gehen. Gleichzeitig aber brachte Dick Cheney - nach Abstimmung mit Bush und hinter dem Rücken Powells - den gewaltsamen Sturz Saddams bei einer Rede vor Kriegsveteranen als feststehende Tatsache ins Spiel.
"Ich weiß, was ich glaube. Ich werde auch weiter ausdrücken, was ich glaube - und was ich glaube, ich glaube, was ich glaube, ist richtig" George W. Bush
Der Einmarsch in den Irak, das wurde spätestens im Frühherbst auch der Weltöffentlichkeit bewusst, war jetzt ein Nahziel Amerikas. Mochte Gerhard Schröders kategorisches Nein zum Krieg auch aus populistischen Motiven entstanden sein - ernst zu nehmender Widerstand begann sich in aller Welt zu formieren. Dass sich die USA, nicht mal ein Jahr nach den Anschlägen vom 11. September, auf dem besten Weg in die internationale Isolation befanden, schien Bush nicht wahrhaben zu wollen. Noch immer hing er dem naiven Glauben an, dass Amerika, das doch nur Gutes schaffe und den Globus vom Terror befreien wolle, die Unterstützung der Welt bekommen würde.
Bush hatte zu diesem Zeitpunkt keineswegs alles verspielt. Auf hartnäckiges Betreiben von Powell nahm er tatsächlich den beschwerlichen Weg zu den UN in Kauf, doch war der militärische Aufmarsch am Golf parallel dazu längst eingeleitet. Es war die Abneigung Washingtons gegen die Vereinten Nationen und viele internationale Verträge und Institutionen - das Kyoto-Protokoll, den Internationalen Gerichtshof, den Atomwaffensperrvertrag -, die Bush weiteres Ansehen kostete. "Während der Rest der Welt Amerika sorgfältig beobachtet und seine Sicht der Dinge ernst nimmt, wissen Amerikaner oft nicht mal, dass andere Sichtweisen existieren. Und falls sie es wissen, interessiert es sie nicht", schreibt der Politologe Clyde Prestowitz in seinem Buch "Rogue Nation" (Schurkenstaat).
Das Fiasko bei den Vereinten Nationen hatte seine Wurzeln nicht zuletzt in der grenzenlosen Naivität der Bush-Regierung. Sie glaubte lange, es sei ein Kinderspiel, den Sicherheitsrat für ein militärisches Vorgehen zu gewinnen. Am Ende würden Franzosen und Russen, vielleicht auch die Deutschen schon einknicken. Sie taten es nicht.
Genauso blauäugig war die Annahme der Bush-Leute, die kleinen Länder im Sicherheitsrat würden sich der Supermacht USA beugen. Sie taten es nicht. Das Nein der Welt war nicht nur ein Nein zum Angriffskrieg, sondern ein Nein zum American Empire, ein Aufbäumen gegen zu viel Macht, zu viel Arroganz und Rambo-Politik. Wer damals über die Flure der Vereinten Nationen ging, erkannte bei vielen Diplomaten heimliche Genugtuung: endlich mal den USA die Stirn bieten, sie in die Schranken weisen. Die Niederlage im Sicherheitsrat ist die größte Schmach, die die USA in der Geschichte der Völkergemeinschaft erlitten haben.
Mit etwas mehr Clintonschem Charme und Carterscher Weltgewandtheit hätte Bush vielleicht sogar gesiegt. Die Absage der Welt war auch eine Abfuhr für ihn persönlich und all das, wofür er in den Augen vieler steht: Arroganz, Rechthaberei, Provinzialität. Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela nannte Bush einen Mann, "der nicht denken kann", und Amerika eine Macht, "die die Welt in einen Holocaust ziehen will". Eine weltweite Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew zeigte dramatische Einbrüche bei den Sympathiewerten Amerikas. In den befreundeten Ländern sank das Ansehen der USA auf historische Tiefstände: in Deutschland auf 45 Prozent, in Frankreich 43, in Spanien 38 und in der Türkei 15.
Aus Protest gegen die Kriegspolitik gingen überall auf der Welt Millionen Menschen auf die Straße. Nie war ein amerikanischer Präsident auf so viel Widerstand gestoßen, und das Wort von der neuen Weltordnung, in der sich neue Allianzen gegen die einzige Supermacht formieren, machte seine Runde. Nach Bushs Formel "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns" waren 95 Prozent der Welt gegen ihn. Selbst das hat ihn nicht beeindruckt.
"Liebe Landsleute, die Gefahren für unser Land und die Welt werden bewältigt werden... Wir werden unsere Freiheit verteidigen. Wir werden anderen Freiheit bringen. Und wir werden uns durchsetzen. Möge Gott unser Land segnen und alle, die es verteidigen" George W. Bush
Der Krieg, den Bush im Irak führte, war der erste Angriffskrieg in der Geschichte der USA. Er verstieß gegen das Völkerrecht und verprellte langjährige Alliierte. Vielleicht hätte all das keine Rolle gespielt, wenn die Versprechungen für den Irak - blühende Demokratie, mehr Wohlstand, effektive Terrorbekämpfung - eingetreten wären. Doch fünf Monate nach Kriegsbeginn und mit jedem neuen Terroranschlag ist die Lage im Irak schwieriger denn je. Warnungen von den eigenen Militärs hatte es genug gegeben, doch Rumsfeld wollte sie nicht wahrhaben. Armee-Stabschef Eric Shinseki hatte schon im Februar gefordert, in der Nachkriegszeit müssten für den Irak Hunderttausende von Soldaten zur Verfügung stehen. Ex-General Anthony C. Zinni, Berater des Außenministeriums, sagte in der vergangenen Woche vor Marineoffizieren: "Unsere Gefühle wurden geformt auf den Schlachtfeldern von Vietnam, wo wir den ganzen Dreck und die Lügen hörten und wir die Opfer sahen. Ich frage euch: Passiert das gerade wieder? ? Wir haben die Chance mit den Vereinten Nationen verpasst. Jetzt gehen wir zurück mit dem Hut in der Hand." Die Rede wurde später als CD verkauft.
Für die Neokonservativen, für Cheney, Rumsfeld und Bush gibt es kaum ein größeres Eingeständnis ihres Versagens als den jetzt eingeschlagenen Bittgang zurück zu den Vereinten Nationen. Die Institution, die laut Bush im Fall Irak ihrer Verantwortung nicht gerecht wurde, muss jetzt herhalten, weil Bush seiner Verantwortung nicht gerecht geworden ist. Der angeblich "teuerste Debattierclub der Welt" soll den teuren US-Feldzug mitfinanzieren. Die Supermacht fleht um Hilfe.
Ob Bush seine außenpolitisch verheerende Bilanz mit innenpolitischen Erfolgen wettmachen kann, erscheint derzeit eher zweifelhaft. In zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit verloren 2,7 Millionen Amerikaner ihren Job, und die Lage auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert sich weiter: Im August sank die Zahl der Beschäftigten abermals um 93 000. Amerika wird sich wohl an diese Zahlen gewöhnen müssen. Das schreckliche Wort von der "jobless recovery", der wirtschaftlichen Erholung ohne Beschäftigungszuwachs, geht um. Von Bushs groß angekündigter Steuerreform zur Ankurbelung der maladen Wirtschaft profitieren wieder größtenteils die Reichen. Das Haushaltsdefizit liegt mit 455 Milliarden Dollar auf Rekordhöhe und wird im Laufe der kommenden fünf Jahre auf 1900 Milliarden Dollar anschwellen. Von den zehn größten Unternehmenspleiten seit 1980 fallen sechs in die Amtszeit von Bush. Darunter der immer noch nicht schlüssig aufgearbeitete Skandal um den texanischen Energieriesen Enron (einen jener Konzerne, die Bushs Wahlkampf vor drei Jahren finanziert haben).
"Ich glaube, das amerikanische Volk, ich hoffe, das amerikanische, ich glaube nicht, lässt mich, ich hoffe, das amerikanische Volk vertraut mir" George W. Bush
Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Im Jahr 2002 stieg die Zahl der US-Bürger unterhalb der Armutsgrenze um 1,3 Millionen auf nunmehr 34,8 Millionen. Ein Prozent der superreichen Amerikaner besitzen 40 Prozent des gesamten Wohlstandes. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joseph Lieberman sagt über Bushs Politik 14 Monate vor den Wahlen: "Wenn er mit dieser Geschwindigkeit weitermacht, wird im November 2004 nur noch eine Stelle zu streichen sein: die von George Bush." Die neueste Meinungsumfrage vom Wochenende weist für den Präsidenten gerade noch eine Zustimmungsrate von 45 Prozent aus, die niedrigste seit seinem Amtsantritt. "Ernüchternd" nannte die "New York Times" seine Rede an die Nation, gehalten auffällig kleinlaut im Ton. Die Wiederwahl ist in Gefahr, der Macho schwächelt. Bush braucht dringend Hilfe.