Libanesische Behörden haben nach Angaben aus Sicherheitskreisen einen Mann in Haft genommen, der einem Bericht der Vereinten Nationen zufolge in die Tötung des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafil al-Hariri verstrickt sein könnte.
Der "Countdown" für Assad läuft
Seit Jahren hat die US-Regierung Syrien fest im Visier und nun endlich auch am Haken. Der Untersuchungsbericht über die syrischen Verstrickungen in den Mord an dem libanesischen Ex- Ministerpräsidenten Rafik Hariri kommt wie ein Geschenk des Himmels. US-Präsident George W. Bush verlangt eine Sondersitzung des UN- Sicherheitsrates und Außenministerin Condoleezza Rice fordert die Bestrafung der Schuldigen. Das Washingtoner Institut für Nahost- Politik spricht bereits von einem Countdown für Syriens Staatschef Baschar al-Assad.
Das Pikante im Fall Syrien: In den Hariri-Mord sollen auch der jüngere Bruder Assads und sein Schwager verwickelt sein. Damit sitzt die Präsidentenfamilie direkt auf der Anklagebank und es können nicht wie bei Libyen rangniedrigere Mitarbeiter der Sicherheitsapparate geopfert werden.
Anders als beim Irak-Krieg sucht die US-Regierung nach Angaben eines hochrangigen Mitarbeiters im Außenministerium, der namentlich nicht genannt werden möchte, nach einem "kollektiven und multilateralen Herangehen". Der Vorteil: Frankreich steht aus Tradition zu seiner Verantwortung als ehemalige Kolonialmacht in Libanon auf der gleichen Seite wie die US-Regierung. Außerdem sollen Frankreichs Präsident Jacques Chirac und Hariri enge persönliche Beziehungen gepflegt haben.
Die US-Regierung hat mit Syrien einige Rechnungen offen. Syrien war einer der arabischen Wortführer gegen den Irak-Krieg zum Sturz des Regimes von Saddam Hussein. Die USA beschuldigen Syrien, dass es hochrangige irakische Ex-Regierungsmitglieder - wie Ex-Vizepräsident Isset Ibrahim - nicht ausliefert und zu einem Durchgangslager für ausländische Terroristen auf deren Weg in den Irak geworden ist. Nach US-Lesart schützt Syrien auch palästinensische Terrorgruppen, macht sich schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig und ist eine der letzten undemokratischen und diktatorischen Trutzburgen in Nahost.
Syrien steht seit 1979 als Terrorsponsor Jahr für Jahr auf der schwarzen Liste des US-Außenministeriums. Damit unterliegt Syrien Exportsanktionen, es darf keine Waffen in den USA kaufen und ist von US-Hilfsprogrammen ausgeschlossen. Noch ein Hinweis auf die diplomatische Eiszeit: US-Botschafterin Margaret Scolbey wurde im Februar zu Konsultationen nach Washington zurückbeordert und kehrte bislang nicht nach Damaskus zurück.
Noch heißt die Sprachregelung in Washington, dass Syrien sein Verhalten ändern müsse. Das Wort Regimewechsel macht offiziell noch nicht die Runde. "Sicherlich, ein Regimewechsel ist langfristig wünschenswert", sagt der Nahost-Experte Steven Cook vom angesehenen "Council on Foreign Relations" in Washington. Das Problem sei jedoch, dass niemand genau wisse, was nach Assad komme. Es gebe keine vereinte Opposition und die "ungleichen Gruppen im Orbit des Regimes" würden mit Waffengewalt ihre Kontrolle über Syrien ausfechten. "Wir würden zur Instabilität der Region beitragen, wenn wir das Regime bei Seite stoßen", sagt Cook. Möglich sei eher ein "Palastputsch" des regierenden Alawiten-Clans gegen Assad.
Hans Dahne/DPA
Hariri war ein vehementer Kritiker der langjährigen syrischen Präsenz im Libanon, die die Regierung in Damaskus auf internationalen Druck im April - zwei Monate nach dem Attentat - beendet hat.
Mahmud Abdel-al sei auf Anordnung der Staatsanwaltschaft festgenommen worden, hieß es in den Kreisen. In dem UN-Bericht des deutschen Ermittlers Detlev Mehlis hatte es geheißen, Abdel-al habe Minuten vor dem Mord an Hariri den libanesischen Präsidenten Emile Lahoud auf dessen Mobiltelefon angerufen. Ein Sprecher Lahouds hatte indes erklärt, der Präsident habe keinen Kontakt zu dem Mann gehabt. In dem UN-Bericht war der Bruder von Abdel-al, Ahmad, als zentrale Figur in dem Fall bezeichnet worden.
Rice und Straw: UN sollen nach Bericht zu Hariri-Mord handeln
Die USA und Großbritannien haben die internationale Gemeinschaft aufgefordert, auf den UN-Bericht über die Verstrickung Syriens in den Anschlag auf den früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik al-Hariri zu reagieren. US-Außenministerin Condoleezza Rice und ihr britischer Kollege Jack Straw sagten am Sonntag in einem BBC-Interview, dem UN-Bericht zufolge seien hochrangige Syrer in die Tötung von Hariri verwickelt. Die Angelegenheit könne jetzt nicht einfach liegen gelassen werden, sagte Rice.
Die US-Regierung bemüht sich derzeit darum, das Thema möglichst rasch vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen. Die USA haben ein hartes Vorgehen gegen Syrien für den Fall gefordert, dass der deutsche Ermittler Detlev Mehlis in seinem UN-Bericht Beweise für eine syrische Beteiligung an dem Attentat findet. Bereits am Freitag hatte US-Präsident George W. Bush die UN aufgefordert, sich so früh wie möglich mit dem Fall zu befassen. Der Bericht deute an, dass Hariris Ermordung ohne Syriens Beteiligung nicht hätte stattfinden können, sagte Bush.
Gespräche über Resolutionen
Diplomaten zufolge haben die USA bereits Gespräche mit Frankreich und Großbritannien über mögliche Resolutionen des UN-Sicherheitsrates gegen Syrien geführt. Die Regierung in Damaskus wies die in dem Bericht erhobenen Vorwürfe als Teil einer internationalen Kampagne zurück.
UN-Sicherheitsrat wird sich mit dem Fall beschäftigen
In den am Donnerstag vorgelegten Bericht hatte es geheißen, in den Anschlag seien auch hochrangige Vertreter aus Syrien und dem Libanon verstrickt. Neben Lahoud war in dem Bericht auch der Schwager des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, Generalmajor Assef Schaukat, als Verdächtiger genannt worden.
Lahoud und Syrien haben die Vorwürfe als unwahr zurück gewiesen und als Teil einer internationalen Kampagne gegen ihre Regierungen kritisiert. Der Fall dürfte nun vor den UN-Sicherheitsrat kommen, der Wirtschaftssanktionen gegen Syrien verhängen kann. Das Land steht bereits wegen einer angeblichen Unterstützung irakischer Rebellen unter dem Druck der USA und Großbritanniens.
Reuters