Israels Armee hat ihre Militäroffensive im besetzten Westjordanland in der Nacht zu Dienstag fortgesetzt. Bei Luftangriffen und Gefechten am Boden seien mindestens neun Menschen getötet worden, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium mit. Rund 100 weitere Palästinenser seien verletzt worden, 20 von ihnen lebensgefährlich. Bei mindestens einem Toten soll es sich Berichten zufolge um einen militanten Palästinenser handeln.
Die Armee war in der Nacht zum Montag in die palästinensische Stadt Dschenin eingerückt und hatte damit ihre erste Großoffensive seit rund 20 Jahren begonnen. Nach eigenen Angaben beschlagnahmte sie Waffen und Sprengstoff und nahm mehrere Verdächtige fest.
Dschenin gilt als Hochburg militanter Palästinenser
Palästinensische Medien meldeten am Montagabend, die israelische Armee habe angeordnet, dass Palästinenser das Flüchtlingslager in Dschenin verlassen sollten. Aufnahmen im Netz zeigten, dass viele Menschen aus ihren Häusern strömten. Israelischen Medienberichten zufolge bestritten israelische Sicherheitsbeamte hingegen, dass es einen solchen Befehl zur Evakuierung gegeben habe. Demnach flüchteten die Menschen zu Tausenden vor den Kämpfen.
Die dicht besiedelte Stadt Dschenin und das dazugehörende Flüchtlingslager mit rund 17.000 Bewohnern gelten als Hochburg militanter Palästinenser. Finanziert werden die verschiedenen Gruppierungen vor allem vom Iran, einem Erzfeind des Staates Israel.
"In den vergangenen Monaten ist Dschenin zu einem Rückzugsort für Terrorismus geworden, von dem aus heimtückische Attacken auf israelische Männer, Frauen und Kinder verübt wurden", sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einem Auftritt am Montagabend. "Israelische Soldaten tun alles dafür, um den Tod von Zivilisten zu vermeiden, während Israel alles dafür tut, um sein Recht auf Selbstverteidigung auszuüben." Ziel sei es, all jene auszuschalten, "die unser Land vernichten wollen". Die Militäroffensive werde solange dauern wie nötig, "um die Mission zu erfüllen", wurde Netanjahu von israelischen Medien zitiert.
Gewaltzunahme in Israel und Palästinensergebieten
Die palästinensische Autonomiebehörde bekräftigte nach einem Treffen ihrer Führungsriege am Montagabend, dass es mit Israel in Sicherheitsfragen keine Zusammenarbeit mehr geben werde. Ähnliche Ankündigungen hatte die Autonomiebehörde schon bei früheren Gelegenheiten gemacht – sie wurden allerdings faktisch nicht umgesetzt. Beide Seiten tauschen nachrichtendienstliche Informationen aus, um Terroranschläge zu verhindern und größere Einsätze in allein von der palästinensischen Autonomiebehörde kontrollierten Zonen zu koordinieren. Zudem soll verhindert werden, dass militante Gruppen die Oberhand in diesem Gebiet erlangen.
Ja-Sager, Fanatiker, Hetzer – diese rechten Köpfe stecken hinter Israels Justizreform

Benjamin Netanjahu ist ein echtes Stehaufmännchen. Ein halbes Dutzend Mal hat er es in seinen inzwischen 73 Jahren auf den Gipfel der Macht gebracht. Über Jahrzehnte galt "Bibi" als begnadeter Taktiker, als Puppenspieler auf der politischen Bühne.
In seiner vorherigen Amtszeit hatte Netanjahu international vor allem als "best Buddy" von US-Präsident Donald Trump von sich reden gemacht. Die Freundschaft der beiden umstrittenen Konservativen führte unter anderem dazu, dass die USA Jerusalem erstmals offiziell als Hauptstadt Israels anerkannten – ein Coup für Netanjahu.
Seit 2016 ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Korruption gegen ihn. Im November 2019 wurde er in drei Fällen wegen Bestechung, Betrugs und Veruntreuung angeklagt. Kurz zuvor hatte er sein Amt eingebüßt, nachdem er bei der Regierungsbildung gescheitert war.
Für seine sechste Amtszeit musste sich der Vorsitzende der konservativen Likud-Partei allerdings verbiegen wie nie zuvor. In seinen insgesamt 15 Jahren als Regierungschef hat "Bibi" immer wieder bewiesen, dass ihm Macht wichtiger ist als Überzeugung – was er zuletzt im Dezember eindrucksvoll zur Schau stellte: Um sich erneut das Amt des Ministerpräsidenten zu sichern, war Netanjahu ein gefährliches Bündnis mit dem rechten Rand eingegangen. Man könnte fast sagen: Um die Hühner aus dem Stall zu bekommen, hat er die Wölfe hereingelassen. Ob seine Partnerschaft mit Rechtsaußen eine Reihe Zweckehe ist, ist mittlerweile fraglich.
Die Sicherheitslage in Israel und in den palästinensischen Gebieten ist seit Langem angespannt, zuletzt nahm die Gewalt aber nochmals zu. Seit Beginn des Jahres kamen mehr als zwei Dutzend Menschen bei Anschlägen von Palästinensern ums Leben. Im gleichen Zeitraum wurden mehr als 140 Palästinenser bei gewaltsamen Zusammenstößen, israelischen Militäreinsätzen oder nach eigenen Anschlägen getötet.
Israel hatte das Westjordanland und Ost-Jerusalem während des Sechstagekrieges 1967 erobert. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete als Teil eines eigenen Staates. Eine Zweistaatenlösung für den seit Jahrzehnten währenden Nahost-Konflikt scheint jedoch in weiter Ferne.