Eigentlich ist Angela Merkel die Meisterin für die schwierigen Fälle: George W. Bush, Alexis Tsipras, selbst Silvio Berlusconi - irgendwie schaffte sie es am Ende noch immer, die Bornierten, die Ideologen und die Selbstdarsteller mit ihrem Charme, ihrer Besonnenheit und ihrem Stehvermögen um den Finger wickeln. Und jetzt das: Nach ihrer Rückkehr vom langen Gipfel-Wochenende in Belgien und Italien sagte sie: "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen." Selten klang die Kanzlerin so resigniert, ja beinahe verbittert.
Die Widerborstigkeit des Donald Trump
Selbst Merkel konnte nicht verhindern, dass der G7-Gipfel auf Sizilien fast in einem Fiasko geendet wäre. Auch Frankreich, Italien oder Kanada ziehen längst nicht alle an einem Strang, von Großbritannien ganz abgesehen. Aber selbst eine gemeinsame Klimaerklärung war nicht drin, nicht einmal einer dieser typisch windelweichen Absichtsbekundungen, bei denen niemand das Gesicht verliert. Gescheitert ist die Abschlusserklärung vor allem an der Widerborstigkeit des US-Präsidenten. Angela Merkel, die Meisterin der "Halb zog sie sie, halb sanken sie nieder"-Diplomatie, hat in Donald Trump offenbar selbst ihren Meister gefunden.
Der US-Präsident hat seinen fast zweiwöchigen Auslandstrip durch den Nahen Osten und Europa nach seiner Rückkehr als vollen Erfolg verkauft. Womit er natürlich Recht hat. Zumindest wenn man unter Erfolg den Multi-Milliarden-Deal mit den Saudis versteht. Oder den herzlichen Empfang in Israel. Oder eben die Weigerung, die Pariser Klimaziele zu unterstützen oder Flüchtlingen ein paar Türen zu öffnen. Der Jubel des konservativen Amerika jedenfalls ist Trump sicher. "America first" lautet seine Parole, er hat unbeirrt daran festgehalten. Die Frage ist nur: erster von wem oder was.
"Nicht, was wir vom US-Präsidenten erwarten"
Auf der anderen Seite des "G6 plus 1-Gipfels" getauften Treffens, dort wo nun die Frustration so groß ist, ist die Rede von einem neuen Tiefpunkt und von Verantwortungslosigkeit. Der Koordinator für transatlantische Beziehungen, Jürgen Hardt, gab unumwunden zu Protokoll: "Was wir auf den Gipfeln erlebt haben, entspricht weder dem, was wir intellektuell, noch was wir vom Potenzial Amerikas her von einem amerikanischen Präsidenten erwarten." Natürlich ist "The Donald" noch neu und wenig erfahren in diesen Kreisen, doch schon jetzt ist klar: Ein Diplomat wird aus ihm wohl nicht mehr.
Überhaupt war während seiner gesamten Reise auffällig, wie unwohl sich der US-Präsident auf der internationalen Bühne fühlt - vor allem dann, wenn er mal nicht im Mittelpunkt steht. Wurde er in Saudi-Arabien und in Israel noch sehnlich erwartet, war er beim Nato-Gipfel in Brüssel und beim G7-Gipfel in Taormina eben nur eines von vielen Alphatieren. Während auf Sizilien Kanadas Premierminister Justin Trudeau und Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron sofort Freundschaft schlossen, schubste Trump in Brüssel den montenegrinischen Regierungschef Dusko Markovic unsanft beiseite. Es war die passende Geste zu seiner "America first"- Parole.
Wer sonst außer Merkel soll es tun?
Dass es selbst der im Umgang mit schwierigen Charakteren geübten Angela Merkel nicht gelang, den US-Präsidenten zu bändigen, macht wenig Hoffnung für die Zukunft. Wer sonst außer ihr sollte sonst dazu in der Lage sein? Vielleicht ist es was Persönliches. Schon bei Merkels Stippvisite in Washington strahlte seine ganze Körpersprache Widerstand gegen die Kanzlerin aus, sogar den üblichen Handschlag verweigerte er ihr. Gut möglich, dass er Merkels (neuen) Ruf als "Anführerin der freien Welt" neidet, den viele Trump-Kritiker ihr seit einiger Zeit andichten. Sicher aber ist, dass der Neue im Weißen Haus gewillt zu sein scheint, ein viele Jahrzehnte altes Bündnis en passant über die Klinge springen zu lassen. Und die Meisterin der Charmeoffensive tatenlos zuschauen muss. Das ist in der Tat mehr als bitter.
