Nach dem offiziellen Ende der Waffenruhe in der Ostukraine hat die Armee ihren Einsatz gegen die prorussischen Kämpfer wieder aufgenommen. Im Zuge der "Antiterror-Operation" lieferten sich Luft- und Bodenstreitkräfte schwere Gefechte mit Aufständischen. Die Europäische Union zögert trotz der jüngsten Krisenverschärfung mit neuen Sanktionen gegen Russland, das in Brüssel als Hauptverantwortlicher für den Konflikt betrachtet wird.
Sowohl Kiew-treue als auch prorussische Kräfte berichteten von schwerem Artilleriefeuer und Luftangriffen in den wirtschaftlich bedeutsamen Grenzregionen Lugansk und Donezk. Nach Angaben der Russland zugeneigten Stadtverwaltung von Donezk wurden dabei vier Zivilisten getötet und fünf verletzt, als ihr Bus nahe Kramatorsk ins Kreuzfeuer geriet. Beide Seiten bestätigten schwere Panzergefechte bei den Ortschaften Karliwka und Marinka. Nach Angaben des ukrainischen Parlamentspräsidenten Alexander Turtschinow griffen die Streitkräfte "die Stützpunkte und Hochburgen der Terroristen" an.
Präsident Petro Poroschenko hatte die Waffenruhe für den Osten des Landes vor zehn Tagen ausgerufen, in der Nacht zum Dienstag jedoch für beendet erklärt. In einer emotionalen Ansprache an das Volk begründete er dies damit, dass sein Versuch zur Entschärfung der Lage von den Aufständischen ausgenutzt worden sei, um sich neu zu gruppieren und mit zusätzlichen Waffen aus Russland zu versorgen. Die Staatsführung sei aber bereit, "jederzeit" zur Waffenruhe zurückzukehren, wenn alle Parteien "die wesentlichen Punkte" des nach wie vor gültigen Friedensplans beachteten.
EU schreckt vor Wirtschaftssanktionen zurück
Zu diesem Plan zählen unter anderem eine Dezentralisierung der Macht und die Verabschiedung eines Verfassungszusatzes zum Schutz der russischen Sprache. Die Separatisten sollen im Gegenzug ihre Geiseln freilassen, alle besetzten Regierungsgebäude räumen und von einer Amnestie-Regelung profitieren. Zudem müsse Moskau "den Saboteuren und Waffenlieferanten" Einhalt gebieten und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Grenzen zwischen Russland und der Ukraine kontrollieren, forderte Poroschenko.
Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte in einer Rede vor Diplomaten in Moskau, Poroschenko trage ab sofort "die vollständige Verantwortung" für neue Gewalt in der Ostukraine. Das russische Außenministerium forderte Kiew auf, alle "Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung" zu stoppen und nicht länger "Ortschaften und Dörfer zu bombardieren". An die Adresse des Westens erging die Mahnung, er müsse "aufhören, die Ukraine als Feilschobjekt für seine geopolitischen Spiele zu benutzen".
Die Europäische Union hatte Moskau ihrerseits eine Frist bis Montag gesetzt, um offenen Fragen zu klären - und mit neuen Strafmaßnahmen gedroht. Am Dienstag beauftragten die EU-Botschafter nun Experten damit, "weitere Sanktionen vorzubereiten", wie EU-Diplomaten in Brüssel sagten. Bei einem erneuten Sondertreffen wollen die EU-Botschafter dann voraussichtlich am kommenden Montag entscheiden, ob die Strafmaßnahmen auch verhängt werden. Zur Debatte stehen offenbar auch diesmal wieder weitere Einreiseverbote und Kontosperren, vor Wirtschaftssanktionen schreckt die EU hingegen weiter zurück.