Muslimische Staaten zum Tod des Terrorschefs Kaum einer weint bin Laden hinterher

Nur ein paar Islamisten verurteilen den Tod von Osama bin Laden - doch in den meisten muslismischen Staaten hat der Terrorchef alle Sympathien verloren - den Wandel haben sie auch ohne ihn hinbekommen.

Die Nachricht, dass die USA Osama bin Laden in Pakistan getötet haben, entlockt Alaeddin Borudjerdi nur ein Achselzucken: "Das haben die Amerikaner schon so oft behauptet, das ist nichts Neues", sagte der Ausschusschef für Außenpolitik des iranischen Parlaments der "Farsi News Agency". Offiziell hieß es aus Teheran, der Tod bin Ladens werde helfen, "den Frieden und die Sicherheit in der Region" wiederherzustellen. "Der Iran verurteilt entschieden den Terrorismus überall in der Welt", so ein Sprecher des Außenministeriums.

Radikale wie der islamistische Prediger Omar Bakri, ein gebürtiger Syrer, befand: Der Tod bin Ladens habe die Muslime traurig gemacht, weil die arabische Welt damit einen Führer verloren habe, zugleich aber beglückt, weil er, wie er es gewollt hatte, als Märtyrer gefallen sei, so Bakri. Der Regierungschef der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen, Ismail Hanija, verurteilte die Tötung bin Ladens, verwies aber auch auf Differenzen mit ihm. Seine Tötung sei die Fortsetzung der US-Politik, "die auf Unterdrückung und dem Vergießen des Blutes von Arabern und Muslimen basiert", sagte Hanija.

Die Gewalt hat nur kurz begeistert

In anderen islamischen Ländern reagierten die Menschen zwar erfreuter aber keineswegs euphorisch. Denn für die von Volksaufständen erschütterte arabische Welt ist der Tod des al-Kaida-Chefs nicht viel mehr als eine blutige Fußnote. "Er ist nur eine schlechte Erinnerung", sagte Nadim Houry von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Die Region sei längst in eine andere Richtung unterwegs - hin zu Freiheit und Demokratie. Der Terrorfürst habe es nie geschafft, die Massen für sich zu gewinnen.

Vor allem die schiere Gewalt al Kaidas hat die Völker nie begeistert. "Bin Ladens Art des Widerstandes beflügelte in der ersten Zeit möglicherweise einige Fantasien", sagte Houry. "Aber seine sinnlosen Zerstörungsakte vernichteten jede Anziehung, die er damals vielleicht hatte." Nirgendwo wurde das so sichtbar wie im Irak, wo die Selbstmordanschläge von al Kaida gegen die eigene Bevölkerung die sunnitischen Stammesführer zur Kooperation mit den USA trieben. Auch in Saudi-Arabien verpufften die Sympathien für bin Laden nach einer Attentatsserie zwischen 2003 und 2006.

Die Araber sorgen selbst für Wandel

Zudem scheinen Vorgehen und Ideologie des Terrorpaten schlicht von gestern zu sein: "Auf bin Laden hatten in der öffentlichen Meinung einmal Hoffnungen geruht, aber heute sagen die arabischen Nationen, wir brauchen niemanden, der für uns spricht, und sorgen selbst für den Wandel", sagt Mahdschub Sweiri von der Universität in Katar. Bin Ladens Tod werde nur den wenigen etwas bedeuten, die noch an die Strategie glaubten, dem Westen maximalen Schaden zuzufügen.

"Die meisten arabischen Staaten bewegen sich in Richtung moderner Zivilgesellschaften", sagte Sweiri: "Die Menschen glauben an den schrittweisen Wandel, sie wollen keine Gewalt, nicht einmal gegen ihre ehemaligen Unterdrücker." Die jüngsten dramatischen Entwicklungen in ÄgyptenTunesienSyrien

Bin Laden hat nicht eine Regierung überwunden

Bin Ladens Tod sei ein Rückschlag für eine Ideologie, die längst von den Volksaufständen in der arabischen Welt überholt worden sei, sagt auch der frühere US-Unterstaatssekretär für den Nahen Osten, Martin Indyk. Das Terrornetzwerk habe geglaubt, der Weg zu Menschenwürde und Gerechtigkeit führe über Gewalt und Terrorismus. "Aber die Menschen auf den Straßen verschaffen sich ihre Würde und ihr Recht durch friedliche Proteste - das ist exakt das Gegenteil dessen, was bin Laden gepredigt hatte." Anders als sie, habe bin Laden nicht eine Regierung überwunden.

Auch nicht die pakistanische Führung, deren genaue Rolle in Sachen internationaler Terrorismus nach wie vor ungeklärt ist. Sie hat die Aktion gegen bin Laden als "erheblichen Rückschlag" für die weltweit aktiven Terrororganisationen bezeichnet. Der Tod des al-Kaida-Chefs zeige die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft, darunter Pakistan, den Terrorismus zu bekämpfen. Unklar ist, ob die pakistanische Armee an dem nächtlichen Einsatz eines US-Spezialkommandos beteiligt war und ob sie im Vorfeld überhaupt darüber informiert wurde.

Der Terrorursprung ist nicht in Afghanistan

Pakistans Erzfeind Indien betrachtet den nun bestätigten Aufenthaltsort bin Ladens als weiteren Beweis für Rückzugsmöglichkeiten für Terroristen in Pakistan. Die Tatsache, dass er in Abbottabad "tief in Pakistan" getötet worden sei, sei sehr beunruhigend, sagte der indische Innenminister P. Chidambaram. Er ist auch überzeugt, dass den Attentätern der Anschläge von Mumbai 2008 weiterhin in Pakistan Zuflucht gewährt werde, so der Innenminister weiter.

Der afghanische Präsident Hamid Karsai sagte, bin Laden habe für seine Taten bezahlt. Dass er in Pakistan getötet wurde, sei ein Beweis dafür, dass der Krieg gegen den Terror an seinen Ursprungsorten geführt werden müsse - und die befänden sich nicht in Afghanistan. Dennoch versteht er den Tod bin Ladens als einen Warnschuss für die Taliban: "Sie müssen ihre Lektion daraus lernen und sich dem Friedens- und Versöhnungsprozess im Land anzuschließen." Für den ehemaligen Taliban-Funktionär Abdul Salam Saeef werde der Tod bin Ladens keinen Einfluss auf den Kampf der Aufständischen gegen die internationalen Truppen in Afghanistan haben. Das sei ein "von Afghanen geführter Krieg".

DPA · Reuters
nik/AFP/Reuters/DPA