Nach UN-Menschenrechtsexperten und dem Europäischen Parlament hat jetzt auch UN-Generalsekretär Kofi Annan die Schließung des umstrittenen US-Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba gefordert. "Früher oder später wird es nötig sein, Guantanamo zu schließen. Es wird an der Regierung liegen, dies zu entscheiden, und das hoffentlich so früh wie möglich", sagte Annan vor Journalisten in New York.
Faire Gerichtsverfahren gefordert
Die Zwangsernährung von Gefangenen und einige Verhörmethoden kämen Folter gleich, hieß es in einem am Donnerstag vorgelegten Bericht der UN-Menschenrechtskommission. Das EU-Parlament votierte dafür, von den USA faire Gerichtsverfahren für die Häftlinge einzufordern. Die USA wiesen die Vorwürfe unterdessen zurück. Bei den Gefangenen in Guantanamo handle es sich um "gefährliche Terroristen". Diese würden menschlich behandelt.
Annan sagte auch, er stimme nicht allem in dem UN-Bericht zu, der von unabhängigen Experten für die Menschenrechtskommission verfasst worden sei. Gleichzeitig rief er dazu auf, ein Gleichgewicht zwischen der Bekämpfung des Terrorismus und dem Schutz der Bürgerrechte zu finden. Allerdings sollten Menschen nicht "auf Dauer" gefangen gehalten werden.
Druck auf die USA wächst
Nach UN-Generalsekretär Kofi Annan hat jetzt auch ein britisches Regierungsmitglied die USA aufgefordert, ihr Gefangenenlager Guantanamo zu schließen. Diese Forderung sei Teil der britischen Politik, sagte Wales- und Nordirlandminister Peter Hain am Donnerstagabend in einer Fernsehdiskussion des Senders BBC.
Der Vorsitzende des außenpolitischen Unterhausausschusses, Mike Gapes, begrüßte die Erklärung Hains. "Es ist auch nicht im Interesse Amerikas, diesen Ort beizubehalten", sagte Gapes am Freitag in London. Es sei nicht zulässig, Menschen dauerhaft ohne Anklage festzuhalten und ihnen nicht die Möglichkeit einer Aussage vor Gericht zu geben, sagte Annan. Er schloss sich damit einer Expertenkommission der Vereinten Nationen an, die sich zuvor für eine Schließung von Guantanamo ausgesprochen hatte. Die Kommission warf den USA Folter vor.
Reaktion auf die Forderung
Das Weiße Haus wies den Bericht und die Forderung nach einer Schließung des im Osten von Kuba gelegenen Gefangenenlagers zurück. "Wir sprechen hier von gefährlichen Terroristen", sagt Sprecher Scott McClellan. Derzeit sind 490 Menschen in Guantanamo inhaftiert. Den meisten von ihnen werden Verbindungen zum gestürzten Taliban-Regime in Afghanistan oder zum Terrornetzwerk Al Kaida vorgeworfen. Die US-Regierung betrachtet sie als feindliche Kombattanten und verweigert ihnen den im Völkerrecht geregelten Status von Kriegsgefangenen.
Bundesregierung setzt USA keine Frist für Guantanamo
Die Bundesregierung will ihre Forderung nach einer Schließung des US-Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba nicht mit einer Frist verbinden.
Die Bundesregierung gehe davon aus, dass die USA eine ihren demokratischen Wertvorstellungen "zeitlich angemessene" Lösung fänden, sagte Regierungssprecher Thomas Steg am Freitag vor Journalisten in Berlin. Die Bundesregierung habe da keine Vorgaben zu machen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wie auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Innenminister Wolfgang Schäuble hätten mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass das Gefangenenlager mit deutschem Rechtsverständnis unvereinbar sei. Der Regierungskoordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Karsten Voigt, hatte die US-Regierung aufgefordert, das Gefangenenlager "sobald wie möglich, also eigentlich sofort" zu schließen. Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen (UN) hatte kritisiert, die Zwangsernährung von Gefangenen und die Verhörmethoden kämen Folter gleich.
Nach einem Treffen mit Merkel in Berlin zeigte sich der britische Premierminister Tony Blair auf Fragen nach dem Lager zurückhaltend: "Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, (...) dass das eine Anomalie ist und dass früher oder später da etwas geschehen muss. Aber mehr habe ich da jetzt nicht hinzuzufügen."
Die USA halten in Guantanamo mehrere hundert Gefangene vor allem aus Afghanistan ohne förmliches Verfahren als Terrorverdächtige fest. Forderungen nach einer Schließung hat die US-Regierung in der Vergangenheit immer zurückgewiesen.
Bedenken der Bundesregierung
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts wies darauf hin, dass die Bundesregierung ihre Bedenken hinsichtlich der Art und Weise, wie die Gefangenen festgehalten würden, wie auch hinsichtlich der Verfahren vor Militärgerichten wiederholt gegenüber der US-Regierung geäußert habe. Eine Einrichtung wie das Gefangenenlager dürfe und könne auf Dauer so nicht existieren.
Voigt sagte im rbb-Inforadio, er habe kein Verständnis für die schroffe Reaktion der US-Regierung auf den Bericht der UN-Menschenrechtsexperten. Auch viele Amerikaner hielten das Gefangenenlager und die dort angewandten Praktiken für unvereinbar mit den amerikanischen Rechtsnormen. „Auf jeden Fall ist Guantanamo unvereinbar mit den in Europa geltenden Rechtsnormen“, sagte Voigt. "Es läge auch im amerikanischen Interesse, Guantanamo sobald wie möglich, also eigentlich sofort zu schließen."