Nach Parlamentswahl Der Populist Robert Fico könnte die Slowakei regieren – und sich an Viktor Orban orientieren

Robert Fico, Vorsitzender der Partei Smer-Sozialdemokratie, kommt zu einer Pressekonferenz
Robert Fico, Vorsitzender der Partei Smer-Sozialdemokratie, kommt zu einer Pressekonferenz
© Deml Ondøej/CTK / DPA
Der Ausgang der Parlamentswahl in der Slowakei könnte Auswirkungen über ihre Grenzen hinaus haben – vor allem für die Ukraine. Wahlsieger Fico will die Militärhilfe beenden. Wer ist der langjährige Ex-Regierungschef, der er es wieder werden könnte?

In der Slowakei ist der russlandfreundliche Ex-Regierungschef Robert Fico als Sieger aus den Parlamentswahlen hervorgegangen. Der langjährige slowakische Regierungschef hat damit gute Chancen, die nächste Regierung in Bratislava zu bilden. Seine linksnationale "Richtung - Slowakische Sozialdemokratie" (Smer-SD) gewann die Parlamentswahl am Samstag. Wie die Wahlkommission am Sonntag mitteilte, kam die bisherige Oppositionspartei laut vorläufigem Endergebnis nach Auszählung von 99,98 Prozent der Wahlbezirke auf 22,9 Prozent der Stimmen.

Der künftige außenpolitische Kurs des an die Ukraine angrenzenden EU- und Nato-Landes wird davon abhängen, wer die neue Regierung anführt. Bislang gehörte die Slowakei zu den entschiedensten politischen und militärischen Unterstützern des von Russland angegriffenen Nachbarlandes. Doch Fico und die kleine rechtspopulistische "Slowakische Nationalpartei" SNS wollen die in der Bevölkerung unpopuläre Waffenhilfe für die Ukraine beenden. Stattdessen will Fico nur noch humanitäre Hilfe ins Nachbarland schicken.

"Robert Fico ist ein neuer Verbündeter von Herrn Orban"

Beobachter gehen davon aus, dass die Slowakei nun vor einer außenpolitischen Kehrtwende steht und auf die Linie des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban einschwenkt, der in vielen Fragen mit der EU über Kreuz liegt und die Bemühungen von EU und Nato zur Unterstützung der Ukraine torpediert.

Der 59-jährige Ex-Regierungschef hatte im Wahlkampf erklärt, die Slowakei werde unter seiner Führung "keinen Schuss Munition" an die Ukraine liefern, und zugleich bessere Beziehungen zu Russland gefordert. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist die Slowakei bislang einer der größten europäischen Unterstützer der Ukraine; unter anderem schickte Bratislava MiG-Kampfflugzeuge an Kiew.

"Die Slowakei wird von nun an näher an der Linie Ungarns sein als an der der Mehrheit in Europa", sagte der slowakische Analyst Tomas Koziak der Nachrichtenagentur AFP. "Robert Fico ist ein neuer Verbündeter von Herrn Orban." Der Analyst Grigorij Meseznikov sagte, Fico verbreite "pro-russische Narrative".

Robert Ficos Karriere begann im Justizministerium

Fico wurde am 15. Sept. 1964 in der westslowakischen Stadt Topolčany geboren und studierte Rechtswissenschaften in Bratislava. Ab Mitte der 1980er-Jahre arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Rechtsinstitut des Justizministeriums der damaligen slowakischen Teilrepublik der Tschechoslowakei. Er wurde Mitglied der damals regierenden Kommunistischen Partei, betrachtete diese Mitgliedschaft aber später, nach der "Samtenen Revolution" und dem Ende des kommunistischen Regimes, als "Geschichte".

Nach der politischen Wende stieg Fico im Institut auf und trat der postkommunistischen Demokratischen Linken (SDL) bei, deren stellvertretender Vorsitzender er wurde. Im Jahr 1992 wurde er in den slowakischen Nationalrat gewählt.

Im September 1999 verließ er die SDL und gründete die Smer, die mit ihrem jungen Vorsitzenden und dem Versprechen eines "dritten Weges" breite Wählerschichten und vor allem Jugendliche ansprach. Das Programm der Partei (ab 2005: Smer-Socialna Demokracia/Smer-SD) orientierte sich an der Tradition der europäischen Sozialdemokratie, wies aber auch nationalistische und populistische Elemente auf. Die Partei trat unter anderem für Gerechtigkeit und einen starken Rechtsstaat, aber auch für die Wiedereinführung der Todesstrafe ein.

Video: Fico gewinnt Slowakei-Wahl - Kann aber nicht allein regieren
Fico gewinnt Slowakei-Wahl - Kann aber nicht allein regieren

Ficos erste Regierung verlief turbulent

In der Opposition versuchte Fico durch Kritik und Misstrauensanträge vorgezogene Neuwahlen zu erreichen, was nach dem Bruch der Regierungskoalition im Juni 2006 auch gelang. Seine Smer-SD konnte aufgrund der Unzufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik der Regierung viele Wähler für sich gewinnen. Mit populistischen Äußerungen über den Kinderreichtum der slowakischen Roma weckte Fico aber auch chauvinistische Ressentiments.

Bei den Wahlen am 17. Juni 2006 gewann die Smer mit Fico an der Spitze 29,1 Prozent der Stimmen und 50 der 150 Parlamentssitze. Fico wurde Regierungschef und blieb es bis 2010. Das Regierungsprogramm sah unter anderem den schrittweisen Abzug der slowakischen Soldaten aus dem Irak, eine restriktive Haushaltspolitik im Zusammenhang mit der Einführung des Euro und einen Privatisierungsstopp für strategisch wichtige Unternehmen vor.

Innenpolitische Turbulenzen mit zahlreichen Korruptionsaffären überschatteten jedoch die Regierungszeit. Der Beitritt der Slowakei zur Eurozone Anfang 2009 wurde zwar als erfolgreicher Schritt in Richtung Westintegration gewertet. Außenpolitisch strebte Fico allerdings eine gewisse Unabhängigkeit von den USA an und pflegte engere Beziehungen zu Russland und Staaten wie China, Kuba oder Venezuela.

Slowakei unter Fico stellte sich auf die Seite Ungarns und Polens

Bei den Parlamentswahlen 2010 gewann die Smer-SD zwar die Mehrheit, konnte aber mangels Koalitionspartner keine Regierung bilden und ging wieder in die Opposition. Dieser Zustand hielt jedoch nicht lange an: 2012 wurde Fico erneut Ministerpräsident, diesmal für sechs Jahre. Seine Regierung verfolgte erneut keine klare Abgrenzungspolitik gegenüber Russland und folgte nur zögerlich der Sanktionspolitik der EU.

Während der Flüchtlingskrise 2015 in Europa verfolgte die Slowakei unter Fico eine strikte Abgrenzungspolitik und positionierte sich zusammen mit Ungarn, Polen und Tschechien im Verbund der sogenannten Visegrád-Staaten deutlich EU-kritisch. Unter Berufung auf Ängste in der Bevölkerung vertrat Fico eine Politik der Härte, die sich in populistischer Manier vor allem gegen Muslime richtete und eine Abwehr von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen auch mit militärischen Maßnahmen nicht ausschloss. Ficos fremdenfeindliche Haltung half jedoch nicht in erster Linie seiner eigenen Partei, sondern stärkte die fremdenfeindlichen Parteien am rechten Rand.

2018 endete Ficos Regierungszeit nach der Ermordung des Enthüllungsjournalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten. Der Reporter war bei seinen Recherchen auf mutmaßliche Verbindungen zwischen der italienischen Mafia und Regierungskreisen bis hin zu zwei hochrangigen Mitarbeitern Ficos gestoßen. Das Verbrechen stürzte das Land in eine schwere politische Krise und löste Massenproteste gegen die Regierung aus.

Journalistenmord stürzt Fico

Am 15. März 2018 musste Fico schließlich als Regierungschef zurücktreten. Zuvor waren bereits zwei Minister der Smer zurückgetreten. Der Ex-Premier – mit insgesamt zehn Amtsjahren der am längsten regierende Premier seit der Wende 1989 – blieb jedoch Parteichef und wurde auch zum Vorsitzenden der Smer-Fraktion im Nationalrat gewählt.

Zu Ficos populistischem Stil gehörten nicht nur Ausfälle gegen Migranten oder Roma, sondern auch gegen Journalisten, die er als "schleimige Schlangen" oder "dreckige, antislowakische Prostituierte" beschimpfte. Auf der internationalen Bühne präsentierte er sich jedoch gerne als Pro-Europäer.

Wirtschaftlich stande das Land unter seiner Führung zwar "hervorragend da", stellte das "Handelsblatt" 2017 fest. Es litt aber "unter Korruption, organisierter Kriminalität und Rechtsunsicherheit". Auch gegen Fico gab es immer wieder Korruptionsvorwürfe, die aber nie zu Prozessen führten.

Schwierige Koalitionsverhandlung für Fico

Robert Fico kündigte nach der jüngsten Wahl für den Fall einer Regierungsbildung seiner Smer-SD an, sich für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine einzusetzen. Die Slowakei habe "größere Probleme" als die Hilfe für die Ukraine, sagte er vor Journalisten. Sollte seine Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten, werde sie "ihr Bestes tun, um so schnell wie möglich Friedensgespräche zu organisieren".

Mit dem Stopp der Militärhilfe für die Ukraine steht Fico allerdings ziemlich allein da. Als wahrscheinlich galt am Sonntag, dass Fico die drittplatzierte Partei "Stimme - Sozialdemokratie" (Hlas-SD) seines ehemaligen Stellvertreters Peter Pellegrini zu Koalitionsgesprächen einladen wird. In der Frage der Ukraine-Hilfe gehen die Meinungen allerdings auseinander. Pellegrini steht der Militärhilfe nämlich ähnlich positiv gegenüber wie die bürgerlichen Parteien.

Gegenüber Fico hat er noch den Trumpf im Ärmel, dass er auch mit der neu ins Parlament eingezogenen liberalen Partei "Progressive Slowakei" (PS) koalieren könnte. Fico hingegen hat keine andere Koalitionsmöglichkeit. Es wird also vor allem von Hlas-SD abhängen, wer die nächste Regierung führen wird.

Neben den drei stärksten Parteien schafften noch vier kleinere den Sprung ins Parlament in Bratislava. Die rechtspopulistische und pro-russische "Slowakische Nationalpartei" SNS hatte schon vor der Wahl angekündigt, mit Ficos Smer in eine gemeinsame Regierung gehen zu wollen. Die drei anderen Kleinparteien sind hingegen entschiedene Gegner Ficos. Sie könnten einer Koalition zwischen PS und Hlas-SD zu einer Mehrheit gegen Fico verhelfen.

Quellen: Nachrichtenagenturen DPA und AFP, Eintrag "Robert Fico" aus Munzinger Online/Munzinger Personen