Ukraine-Krieg Ein Oligarch als Vermittler: Was Roman Abramowitsch bei den Friedensverhandlungen macht

Roman Abramowitsch bei den Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russlandin Istanbul
Dieses Foto von der russischen Staatsagentur Tass zeigt Roman Abramowitsch bei den Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russlandin Istanbul
© Sergei Karpukhin/ / Picture Alliance
Eine mutmaßliche Vergiftung des russischen Oligarchen Roman Abramowitsch bei den Friedensgesprächen zwischen Russland und der Ukraine hat für Aufsehen gesorgt. Inzwischen gibt es Zweifel an der Darstellung. Doch eine Frage bleibt: Was ist Abramowitschs Rolle bei den Verhandlungen?

Der russische Milliardär Roman Abramowitsch und zwei ukrainische Unterhändler sind möglicherweise Ziel eines Giftanschlags geworden. Das hatte das "Wall Street Journal" am Montag unter Berufung auf informierte Kreise  berichtet. Abramowitsch und die Ukrainer hätten dem Bericht zufolge in diesem Monat nach einem Treffen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew "Symptome einer mutmaßlichen Vergiftung" aufgewiesen. Eine mit den Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau vertraute Quelle bestätigte dies der Nachrichtenagentur AFP.

Die drei Männer litten demnach unter geröteten Augen, schmerzhaftem Tränenfluss und sich ablösender Haut an Gesicht und Händen. Die Symptome hätten sich dann aber wieder verringert. "Das hat leider tatsächlich stattgefunden", sagte die informierte Quelle zu AFP.

Zweifel an Giftanschlag

Die Quellen des "Wall Street Journal" verdächtigen der Zeitung zufolge Hardliner in Moskau, hinter dem Vorfall zu stecken. Diese wollten die Gespräche zwischen Russland und der Ukraine über ein Ende des Ukraine-Kriegs sabotieren.

Inzwischen gibt es Zweifel daran, ob es tatsächlich zu einem Giftanschlag gekommen ist. Der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak bestätigte den Vorfall ausdrücklich nicht. "Alle Mitglieder des Verhandlungsteams arbeiten heute wie gewohnt", sagte er. "Es gibt eine Menge Spekulationen über die Informationen in den Medien und verschiedene Verschwörungstheorien". Es sei besser, "nur den offiziellen Informationen" zu folgen.

Bereits am Morgen hatte der im "WSJ" als Opfer erwähnte Rustem Umjerow bei Facebook geschrieben, dass mit ihm alles in Ordnung sei. "Mir geht es gut. Dies ist meine Antwort auf all die Klatschnachrichten, die sich verbreiten. Bitte vertrauen Sie keiner nicht verifizierten Information. Auch bei uns läuft ein Informationskrieg." Von dem 55 Jahre alten Abramowitsch sind ebenfalls keine öffentlichen Äußerungen zu einem möglichen Giftanschlag bekannt.

Berichte: Roman Abramowitsch in Kontakt mit Wladimir Putin

Auch US-Vertreter äußerten Zweifel an der Vergiftungstheorie. Geheimdienstinformationen deuteten mit großer Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass es sich um Umwelteinflüsse gehandelt habe, also nicht um eine Vergiftung. Mehr dazu können Sie hier im Video sehen:

Doch eine andere Frage, die sich bei der Geschichte stellt, ist: Was macht der Milliardär Abramowitsch eigentlich bei den Verhandlungen? Medienberichten zufolge soll er in den vergangenen Wochen mehrmals zwischen den beiden Ländern und weiteren Orten, an denen verhandelt wurde, hin und her gereist sein.

Der Milliardär war nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine von der EU, Kanada und Großbritannien mit Sanktionen belegt worden, nicht aber von den USA. Das "Wall Street Journal" hatte vergangene Woche berichtet, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe US-Präsident Joe Biden gebeten, den als Besitzer des englischen Fußballclubs FC Chelsea bekannten Oligarchen von den Sanktionen auszunehmen, weil er eine wichtige Vermittlerrolle einnehmen könnte. Wie der britische Sender Sky News berichtet, habe die ukrainische Seite Abramowitsch kontaktiert, um bei den Verhandlungen mitzuwirken.

Laut "Financial Times" habe Russlands Präsident Wladimir Putin Abramowitschs Vermittlerrolle abgesegnet. Putins Segen deute darauf hin, dass Abramowitsch sogar direkt bei Putin um Erlaubnis gebeten haben soll. Dies widerspricht langjährigen Behauptungen, dass es keine enge Beziehungen zwischen den beiden gebe. Dennoch gilt der Oligarch als Putin-Vertrauter.

Abramowitsch soll Gerhard Schröder getroffen haben

Der britischen Zeitung "The Times" zufolge soll der Oligarch Putin eine handschriftliche Notiz von seinem Amtskollegen Selenskyj überreicht haben, in der er die Bedingungen umriss, die die Ukraine für ein Ende des Krieges in Betracht ziehen würde. Putins erste Antwort soll gelautet haben: "Sag ihm, ich werde sie verdreschen."

David Arakhamia, Vorsitzender von Selenskyjs Partei im Parlament und Mitglied des ukrainischen Verhandlungsteams bei den Gesprächen mit Russland, sagte der "Financial Times", er habe Abramowitsch in Gomel, Belarus, getroffen, als dort die erste Gesprächsrunde stattfand. "Ich kann bestätigen, dass Herr Abramowitsch stark in Friedensgespräche involviert ist." Der Milliardär sei durch die internationale jüdische Gemeinde in den Prozess gekommen. Abramowitsch ist jüdischer Abstammung und israelischer Staatsbürger.

Der 55-Jährige soll dabei seinen Fokus auf humanitäre Bemühungen und Treffen mit ausländischen Mediatoren konzentrieren, so die "FT" weiter. Dem Bericht zufolge soll er auch Altkanzler Gerhard Schröder in Moskau getroffen haben. Auch die Nachrichtenagentur Reuters berichtete darüber.

Will Abramowitsch Sanktionen verhindern?

Der Kreml bestätigte Donnerstag, dass Abramowitsch an den Verhandlungen beteiligt sei, wie Reuters berichtete. Er soll eine "frühe Rolle" bei den Gesprächen gespielt haben. "Er hat in der Anfangsphase mitgemacht", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gegenüber Reportern. "Jetzt laufen die Verhandlungen zwischen den beiden Teams, den Russen und Ukrainern."

Aber: Was steckt hinter Abramowitschs Verhandlungsrolle? Manche, so die "Financial Times", spekulieren, dass es sich um einen Versuch handeln könnte, Sanktionen des Westens gegen ihn zu verhindern oder zu verringern.

Ein anderer Grund könnte Abramowitschs Hintergrund sein: Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, sollen Abramowitschs Bemühungen eine Reaktion auf das Leid in der Ukraine sein. So wurde seine Mutter in der Ukraine geboren, und seine Tochter distanzierte sich öffentlich von Putins Angriffskrieg.

Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte laut der britischen Zeitung "Evening Standard", dass Abramowitsch zu einer Reihe von Geschäftsmännern gehört, die "etwas tun" wollten, um den Ukraine-Krieg zu deeskalieren. "Einige sagten, sie seien bereit, beim Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg zu helfen", wurde Selenskyj zitiert.

Neue Verhandlungsrunde zwischen Russland und Ukraine – mit Abramowitsch

Von Seiten Abramowitschs gab es bisher keine offizielle Bestätigung. Ein Sprecher sagte laut "FT", es sei nicht hilfreich, den Prozess dieser Gespräche oder die Beteiligung von Abramowitsch um ihres Erfolgs willen zu kommentieren. Die Zeitung zitiert zwei Vertraute des Milliardärs, wonach Abramowitsch versuche "zu tun, was er kann". Aber: "Das ist ein großes Risiko für ihn. Aber er sagte: 'Ich will etwas tun'. Putin ist unberechenbar und kann wütend werden – es ist immer sehr riskant. Und es bringt viel Aufmerksamkeit, was gefährlich ist."

Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu, Präsident Recep Tayyip Erdogan und Roman Abramowitsch
Dieses Foto von der russischen Staatsagentur Tass zeigt den türkischen Außenminister Mevlut Cavusoglu, Präsident Recep Tayyip Erdogan und Roman Abramowitsch bei den Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russlandin Istanbul
© Sergei Karpukhin/ / Picture Alliance

Am Dienstag hat eine neue Verhandlungsrunde zwischen der Ukraine und Russland im türkischen Istanbul begonnen. Auch Roman Abramowitsch nahm laut einem von der russischen Staatsagentur Tass veröffentlichten Foto an den Gesprächen teil. Sein Einfluss in den Gesprächen: ungewiss.

Weitere Quellen: Nachrichtenagenturen DPA und AFP