Staatskrise Ein Land versinkt im Chaos: Dutzende Menschen sterben bei Kämpfen im Sudan

Video: Dutzende Zivilisten bei Machtkampf im Sudan getötet
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STORY: Bei dem gewaltsamen Machtkampf im Sudan sind nach Angaben von Ärzten bereits Dutzende Zivilisten sowie zahlreiche Kämpfer getötet worden. Die Zahl der Verletzten belaufe sich auf rund 600, teilte die Ärztevereinigung am Sonntag mit. Unterdessen gingen die Kämpfe zwischen der im Sudan herrschenden Armee und der paramilitärischen Gruppe "Rapid Support Forces" (RSF) weiter. Zeugen berichteten von Artilleriefeuer in der Hauptstadt Khartum und in anderen Städten des nordostafrikanischen Landes. Wie viele Soldaten und Paramilitärs bereits getötet wurden, blieb zunächst unklar. Armeechef General Abdel Fattah al-Burhan forderte die RSF zum Rückzug ihrer Kräfte aus der Hauptstadt auf. Die RSF zeigten sich unnachgiebig. Die RSF hatten bereits am Samstag erklärt, sie hätten den Präsidentenpalast, die Residenz von General Burhan, den Sitz des Staatsfernsehens sowie den internationalen Flughafen der Hauptstadt Khartum unter ihre Kontrolle gebracht. Das Militär teilte dagegen mit, die Angriffe abzuwehren. Die RSF buhlen mit der regulären Armee um die Macht, während politische Gruppen sich um die Bildung einer Übergangsregierung bemühen. Eigentlich sollte die RSF in das Militär integriert werden. Die Lage vor Ort ist weiterhin extrem unübersichtlich.
Die schweren Kämpfe im Sudan gehen auch am Sonntag weiter. Während sich die Lage in der Hauptstadt Khartum weiter zuspitzt, melden Hilfsorganisationen Dutzende Tote. 

Die schweren Gefechte im Sudan zwischen der Armee und der einflussreichen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF) halten auch am Sonntagmorgen an. Medienberichten zufolge sollen sich die Kämpfe um das Generalkommando der sudanesischen Armee in der Hauptstadt Khartum intensiviert haben. Am Abend hatten die RSF die Einnahme des Generalkommandos verkündet, was das Militär als Falschbehauptung bezeichnete. Am Sonntagmorgen teilte das sudanesische Militär trotz der andauernden Kämpfe mit, "dem Sieg nahe zu sein".

Die schwere Staatskrise mit erbitterten Kämpfen zwischen Armee und Paramilitärs im Sudan lässt das nordostafrikanische Land immer tiefer im Chaos versinken. Ärzten zufolge gab es keine 24 Stunden nach Ausbruch der Gefechte schon Dutzende Tote und Hunderte Verletzte zu beklagen - Tendenz weiter steigend.

Der UN-Sicherheitsrat forderte alle Konfliktparteien auf, das Blutvergießen zu beenden und Gespräche zur Beendigung der Krise aufzunehmen. Außerdem müssten humanitäre Helfer sicheren Zugang bekommen und UN-Mitarbeiter vor Angriffen geschützt werden, forderte das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen am Sonntagmorgen.

Mehr als 50 Tote und 600 Verletzte im Sudan

Hintergrund des Gewaltausbruchs ist ein erbitterter Machtkampf zwischen dem sudanesischen Machthaber General Abdel Fattah al-Burhan und seinem Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, Anführer der bewaffneten Rapid Support Forces (RSF). Der Konflikt in dem Land mit 46 Millionen Einwohnern wuchs sich am Samstag binnen weniger Stunden zu heftigen Gefechten zwischen der Armee und der wichtigen paramilitärischen Gruppe aus. Aus der Hauptstadt Khartum wurde unter anderem Artilleriebeschuss gemeldet, außerdem gab es Berichte über Luftangriffe der sudanesischen Luftwaffe auf Stützpunkte der RSF. Wer in Khartum zurzeit die Oberhand hat, ist unklar.

Eine sudanesische Ärzte-Organisation teilte am frühen Sonntagmorgen über Twitter mit, es gebe mindestens 56 zivile Todesopfer zu beklagen und Dutzende getötete Soldaten. Außerdem seien in Krankenhäusern und anderen Versorgungsstellen knapp 600 Verletzte gezählt worden, von denen Dutzende in Lebensgefahr schwebten. Die Organisation rief zu einer sofortigen Waffenruhe auf, um das Leben unschuldiger Menschen zu schützen und Verletzte behandeln zu können.

Seit dem Sturz des Langzeitmachthabers Omar al-Baschir 2019 und einem weiteren Putsch gegen eine daraufhin eingesetzte - faktisch aber vom Militär kontrollierte - Zivilregierung 2021 hat die Armee die Kontrolle im Sudan. An dem Putsch vor zwei Jahren waren auch die RSF beteiligt. Im Zuge des geplanten Übergangs zu einer zivilen Regierung sollten die Paramilitärs in die regulären Streitkräfte eingegliedert werden, was zu Spannungen führte. Daglo unterstellt al-Burhan, sein Amt als De-Facto-Staatschef nicht aufgeben zu wollen und sich entgegen aller Absprachen an die Macht zu klammern.

Die RSF behaupteten am späten Samstagabend bei Twitter, 90 Prozent der vom Militär kontrollierten Gebiete im Sudan erobert zu haben und in die Kommandozentrale der Armee eingedrungen zu sein. Die Armee wies dies als Falschbehauptung zurück.

Die Suche nach dem Schuldigen

Die Eskalation der Gewalt löste weltweit Besorgnis aus. UN-Generalsekretär António Guterres forderte die Konfliktparteien auf, "die Feindseligkeiten unverzüglich einzustellen, die Ruhe wiederherzustellen und einen Dialog zur Lösung der aktuellen Krise einzuleiten". Guterres telefonierte am Samstagabend mit RSF-General Daglo. Auch US-Außenminister Antony Blinken und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderten ein Ende der Gewalt. Der UN-Sicherheitsrat betonte in einer Stellungnahme das Ziel der "Einheit, Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität der Republik Sudan".

Al-Burhan hatte dem RSF am Samstag in einem Interview des Fernsehsenders Al-Dschasira Angriffe auf strategische Ziele und auf sein Haus vorgeworfen. RSF-Anführer Daglo forderte, al-Burhan und seine Verbündeten vor Gericht zu stellen. Sein Rivale sei schuld an dem Konflikt und werde entweder gefangen genommen "oder wie ein Hund sterben", sagte Daglo ebenfalls bei Al-Dschasira. Das Militär verbreitete eine Stellungnahme über Facebook, in der es hieß, Verhandlungen mit den RSF werde es nicht geben, die Gruppe müsse sich auflösen.

Die RSF hatten vor wenigen Tagen ihre Einheiten mobilisiert, nachdem das Militär die Ernennung eines Premierministers und damit die Machtübergabe erneut verzögert hatte. Beobachter werteten die Mobilisierung als Drohgebärde Daglos gegen den Oberbefehlshaber al-Burhan. Zuletzt hatte sich Daglo für einen schnellen Übergang zu einer Zivilregierung ausgesprochen und sich damit in Opposition zu al-Burhan gestellt.

Die RSF hatten sich 2013 aus Milizen im westlichen Bundesstaat Darfur zusammengeschlossen. Bei dem jahrzehntelangen Konflikt dort galten sie als brutal agierende Unterstützer der arabisch dominierten Regierung, die gewaltsam gegen die afrikanische Minderheit vorgingen. Die Gruppe und ihr Anführer Daglo wurden für Massenvergewaltigungen und andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht.

Nach dem Sturz von Machthaber al-Baschir 2019 galt Daglo als mächtigster Mann im Sudan. Die Regierungsgeschäfte übernahm aber al-Burhan, der Generalinspekteur der sudanesischen Streitkräfte. Dieser revanchierte sich bei Daglo und verzichtete zunächst darauf, die RSF in das staatliche Militär einzugliedern. Daglo wurde al-Burhans Stellvertreter im regierenden Übergangsrat.

DPA
lz