Russischer Angriffskrieg Ukraine wehrt 27 russische Drohnen ab – Selenskyj wirft Moskau Kriegsgelüste im Nahen Osten vor

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vergleicht den russischen Angriffskrieg auf sein Land mit der Gewalt im Nahen Osten
© Michael Kappeler / DPA
Die Ukraine macht Russland für die Gewalt im Nahen Osten verantwortlich. Unterdessen muss sich das Land weiter gegen Moskau verteidigen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, neben dem Angriff auf sein Land nun auch einen Krieg im Nahen Osten entfachen zu wollen. "Wir haben Daten, die klar beweisen, dass Russland daran interessiert ist, im Nahen Osten einen Krieg loszutreten, so dass eine neue Quelle von Schmerz und Leid die Einheit der Welt untergräbt", teilte Selenskyj am Montag im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter) mit. Details nannte er nicht. Zudem warnte er in seiner in Kiew verbreiteten abendlichen Videobotschaft vor der Gefahr eines Weltkrieges.

"Die Weltkriege der Vergangenheit haben mit lokalen Aggressionen begonnen", sagte Selenskyj auch mit Blick auf die Angriffe der militanten Hamas auf Israel. Er erklärte nicht, welche Informationen er dazu habe, dass Russland an einem Flächenbrand im Nahen Osten interessiert sei. "Wir sehen Moskaus iranische Freunde, die offen jene unterstützen, die Israel angegriffen haben", sagte Selenskyj, der selbst jüdische Wurzeln hat. Zudem warf er kremlnahen russischen Propagandisten Schadenfreude über die Gewalt gegen Israel vor.

"Und all dies ist eine viel größere Bedrohung als die Welt aktuell erlebt", sagte der ukrainische Präsident. Er hatte dem Iran auch im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine immer wieder vorgeworfen, Moskau in seinem Terror mit Drohnen und anderen Waffen zu unterstützen.

Moskau hat wohl Kontakte zu Hamas

Wie in seiner Videobotschaft am Sonntag rief Selenskyj erneut zum gemeinsamen Kampf gegen den Terror auf. Das internationale Recht müsse verteidigt werden gegen Versuche einer Machtübernahme durch die Terroristen. "Ich bin allen Anführern und Staaten dankbar, die sich im Klaren sind über die Gefahr und zur Zusammenarbeit bereit sind, die Situation unter Kontrolle zu halten und die Sponsoren des Terrors an einer breiteren Einmischung zu hindern."

Schon am Montagvormittag hatte der Präsident in einer Videoansprache vor Parlamentariern aus den Nato-Mitgliedstaaten in Kopenhagen die Gräueltaten der Hamas gegen Israel mit denen Russlands gegen die Ukraine verglichen. "Der einzige Unterschied ist, dass es dort eine Terrororganisation ist, die Israel angegriffen hat, und hier ein Terrorstaat ist, der die Ukraine angegriffen hat."

Russland hat nach Angaben des Außenministeriums in Moskau auch Kontakte zur militanten Hamas, die von den USA, der EU und Israel als Terrororganisation eingestuft wird. So führte etwa der Nahost-Beauftragte des Kreml, Vizeaußenminister Michail Bogdanow, mehrfach in diesem Jahr Gespräche mit Hamas-Vertretern – am Telefon und bei persönlichen Begegnungen. Der Kreml hatte sich erst am Montag erstmals zur Gewalt in Israel geäußert und sich besorgt gezeigt.

Selenskyj wechselt Chef der Gebietsverteidigungskräfte aus

In seiner Videobotschaft informierte Selenskyj auch darüber, dass er zum zweiten Mal seit Beginn des russischen Einmarsches den Kommandeur der Gebietsverteidigungskräfte ausgewechselt habe. Er setzte per Erlass Generalmajor Anatolij Barhylewytsch als neuen Chef ein. Zuvor war Ihor Tanzjura im gleichen militärischen Rang entlassen worden. Tanzjura hatte den Posten seit Mai vergangenen Jahres bekleidet. Zu den Gründen der Entlassung wurde zunächst nichts bekannt.

Der russische Präsident Wladimir Putin
Der russische Präsident Wladimir Putin während der Feier des Jahrestages der Annexion der vier ukrainischen Gebiete Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk.
© Mikhail Metzel / Pool Sputnik Kremlin / AP / DPA
Militärexperte zum Angriff auf Israel: Jede Schwächung des Westens ist ein Puzzleteil in Putins Strategie

Hauptaufgabe sei es, die Entwicklung der Einheiten nicht zu stoppen, sagte Selenskyj. Die Gebietsverteidigungskräfte sind als Teilstruktur der Armee vor allem für die Organisation der Verteidigung in den Regionen verantwortlich. Barhylewytsch hatte seit 2020 bereits am Aufbau der Gebietsverteidigungskräfte mitgewirkt.

Ukraine wehrt 27 russische Drohnenangriffe ab

Zudem hat die Ukraine eigenen Angaben zufolge in der Nacht im Süden des Landes zahlreiche russische Drohnenangriffe abgewehrt. 27 Angriffsdrohnen seien in den Regionen Odessa, Mykolajiw und Cherson abgeschossen worden, teilte die ukrainische Luftwaffe im Onlinedienst Telegram mit. Insgesamt habe Russland von der annektierten Halbinsel Krim aus 36 Drohnen abgefeuert. 

Moskau greift fast jede Nacht verschiedene Landesteile der Ukraine mit Drohnen und Raketen an. Nach Angaben der ukrainischen Beratungsgruppe Defense Express setzte Russland allein im September mehr als 500 Schahed-Drohnen aus iranischer Produktion gegen die Ukraine ein.

Ziel der Angriffe sind oftmals die für die Ausfuhr von Getreide wichtigen Häfen in der Südukraine. Russland hatte sich im Juli aus dem Getreideabkommen mit der Ukraine zurückgezogen, das der Ukraine trotz des russischen Angriffskrieges den Transport von Getreide über das Schwarze Meer ermöglicht hatte.

Die Ukraine führt mit westlicher Militärhilfe seit bald 20 Monaten einen Verteidigungskampf gegen den russischen Angriff. Präsident Selenskyj betont immer wieder, dass die Ukraine ihren Kampf gegen die russische Aggression nicht nur für ihre eigene Unabhängigkeit führe, sondern für die Freiheit in ganz Europa. Der Staatschef fordert mehr Unterstützung des Westens für den Verteidigungskampf, um Russland durch eine Niederlage dauerhaft militärisch zu schwächen.

DPA
cl