Ein hochrangiger Offizier der libyschen Armee ist in unbekannter Mission nach Ägypten geflogen. Das wurde am Mittwoch am Flughafen Kairo bekannt, wo seine in Tripolis gestartete Maschine vom Typ Falcon 900 am Mittag landete. Die halbamtliche griechische Nachrichtenagentur ANA hatte zuvor gemeldet, das Flugzeug habe sich etwa 14 Minuten lang im griechischen Luftraum aufgehalten.
Nach ersten Vermutungen, Gaddafi selbst könne an Bord der Maschine gewesen sein, heißt es nun, dass General Abdelrahman al Sawi, der unter anderem für Logistikfragen verantwortlich ist, in Kairo gelandet ist. Der Grund für den Aufenthalt war zunächst unklar, ebenso, ob al Sawi Regierungsvertreter in Kairo treffen wollte. Gegen Gaddafi und sein Umfeld wurden in den vergangenen Wochen Reisebeschränkungen verhängt. Zudem hatten sich einige Generäle und Diplomaten in den vergangenen Tagen von ihm losgesagt.
"Eine Bande von Verrätern"
Der libysche Staatschef zeigte sich noch am Morgen in einer Rede, die vom Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde, allerdings aufgezeichnet worden sein soll. Darin beschimpfte er die Übergangsregierung als Bande von "Verrätern". Weiter behauptete er vor Anhängern, die USA, Frankreich und Großbritannien hätten sich gegen Libyen verschworen, um die Öl-Felder unter ihre Kontrolle zu bringen. Feindliche Truppen würden die Gedanken der Jugendlichen manipulieren. "Wir müssen Benghasi befreien von den Menschen, die aus Afghanistan und Pakistan gekommen sind."
In seiner jüngsten Fernsehansprache wandte sich Gaddafi auch an die jungen Männer in der umkämpften Stadt Al-Sintan. Er forderte sie auf, sich von den Rebellen abzuwenden. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, präsentierte er Angehörige eines in der Stadt beheimateten Volksstammes, die ihre Treue zu Gaddafi bekundeten.
Gaddafis Truppen stehen offenbar kurz vor der Rückeroberung der Stadt Sawija im Westen des Landes. Sie kontrollierten die Hauptverkehrsstraße und die Vororte, berichtete ein Kämpfer der Aufständischen am Mittwoch. Panzer seien in 1500 Meter Entfernung vom zentralen Platz zu sehen, der weiter von Rebellen gehalten werde. Scharfschützen der Regierungstruppen seien auf fast allen Häusern postiert. Es werde auf jeden geschossen, der es wage sein Haus zu verlassen.
Die halbe Stadt sei durch Luftangriffe zerstört worden, sagte der Rebellenkämpfer weiter. "Es gibt viele Tote und sie können nicht einmal beerdigt werden. Sawija ist wie leergefegt, niemand ist auf den Straßen. Keine Tiere, nicht einmal Vögel sind am Himmel." In den vergangenen Tagen haben Gaddafi-treue Kräfte eine Offensive gegen Aufständische im ganzen Land gestartet. Dabei werden Panzer, Raketen und Kampfflugzeuge eingesetzt. Die Raffinerie stellte ihre Produktion ein.
Obama und Cameron schmieden Pläne
Derweil diskutieren die USA und einige Staaten der EU weiterhin eine Flugverbotszone. US-Präsident Barack Obama hat mit dem britischen Regierungschef David Cameron die internationalen Bemühungen zur Beendigung der Gewalt in Libyen abgestimmt. Wie das Weiße Haus am Dienstagabend mitteilte, waren sich beide Seiten einig, Pläne für eine ganze Reihe "möglicher Antworten voranzutreiben", dies auch bei der Nato. Zu diesen Möglichkeiten gehörten humanitäre Hilfe, das Durchsetzen des Waffenembargos und eine Flugverbotszone.
Gaddafi warnte den Westen vor der Verhängung einer Flugverbotszone. Sein Volk würde dann zu den Waffen greifen, sagte er in seiner jüngsten Fernsehansprache.
Die internationale Gemeinschaft muss nach Worten von US-Außenministerin Hillary Clinton die Errichtung einer von der libyschen Opposition geforderten Flugverbotszone legitimieren. Im britischen Fernsehsender Sky New betonte Clinton am Dienstag, die Idee dafür komme vom libyschen Volk selbst, nicht von außen. Dies sei sehr wichtig. Die Golfstaaten unterstützten eine Flugverbotszone und die Arabische Liga sei nicht dagegen, sagte Clinton. Der Nationalrat aus Vertretern der "befreiten" Städte im Osten Libyens hatte die Internationale Gemeinschaft mehrfach um die Verhängung einer Flugverbotszone gebeten.
UN-Sicherheitsrat beschäftigt sich mit Flugverbotszone
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach sich gegen überhastete Entscheidungen über eine Flugverbotzone aus. "Zwingend erforderlich" seien ein Mandat der Vereinten Nationen und ein Einvernehmen mit der Arabischen Liga, sagte Westerwelle dem "Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung".
Paris und London wollen mit einer Resolution im Weltsicherheitsrat die Einrichtung einer Flugverbotszone gegen die libysche Luftwaffe durchsetzen. Ein entsprechender Entwurf soll noch in dieser Woche im Sicherheitsrat eingebracht werden. Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) forderte ebenfalls eine Flugverbotszone. "Zivilisten müssen vor Luftangriffen geschützt werden", sagte OIC-Generalsekretär Ekmeleddin Ihsanoglu. Zugleich lehne aber der Zusammenschluss von 57 Ländern jede militärische Intervention in Libyen ab.
Russland sieht eine internationale Militäraktion in Libyen bislang sehr kritisch. Am heutigen Mittwoch wird US-Vizepräsident Joe Biden zu Gesprächen mit Kremlchef Dmitri Medwedew in Moskau erwartet.
Obama und Cameron seien sich einig, "dass das gemeinsame Ziel in Libyen eine sofortiges Ende der Brutalität und Gewalt sein muss, der möglichst rasche Abtritt von Gaddafi und ein Übergang, der dem Streben des libyschen Volkes nach Freiheit, Würde und einer repräsentativen Regierung gerecht wird". Beide Länder haben neben China, Frankreich und Russland ein Vetorecht im Weltsicherheitsrat.
Die US-Botschafter im Libyen, Gene Cretz, hat nach Angaben des US-Außenministeriums in Rom und Kairo Kontakte mit libyschen Oppositionellen gehabt. Es habe Treffen und Telefonate gegeben, sagte der Sprecher der Außenministerium Philip Crowley nach Angaben des US-Fernsehsenders CNN.
Rebellen stellen Ultimatum
Die Aufständischen stellten Gaddafi ein Ultimatum von 72 Stunden, um Angriffe gegen die Zivilbevölkerung zu stoppen und ins Exil zu gehen. "Wenn er die Bombardierungen einstellt und das Land innerhalb von 72 Stunden verlässt, werden wir als Libyer davon Abstand nehmen, ihn strafrechtlich zu verfolgen", sagte der Chef der Interimsverwaltung der Gaddafi-Gegner, Mustafa Abdul Dschalil, dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira.
An der libyschen Mittelmeerküste flogen Kampfflugzeuge massive Angriffe auf Stellungen der Aufständischen in Ras Lanuf. Gefechte wurden auch aus Misurata gemeldet, Al-Sawija lag unter Artilleriebeschuss. In Tripolis stellte Gaddafi seinen Verteidigungsminister Abu Bakr Junis und den Alt-Revolutionär und langjährigen Geheimdienstchef Mustafa al-Charubi unter Hausarrest. Sie hätten die jüngsten Offensiven abgelehnt, verlautete aus Regierungskreisen.