Bundeswehreinsatz "Das letzte Wort hat das Parlament"

Im Streit um einen möglichen Bundeswehreinsatz im Nahen Osten hat sich die Bundesregierung eingeschaltet. Sie will nächste Woche entscheiden. CSU-Chef Stoiber wird schon jetzt für sein vorschnelles "Nein" kritisiert.

Die Bundesregierung will frühestens in der kommenden Woche über Art und Umfang einer deutschen Beteiligung an der Durchsetzung des Friedensprozesses im Nahen Osten entscheiden. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg sagte am Montag in Berlin, dass Ende dieser Woche mehr Klarheit über die deutsche Rolle bestehen werde. Eine mögliche Vorentscheidung könnte auf der Kabinettssitzung unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch nächster Woche getroffen werden. Über einen möglichen Beitrag in der Region werde der Deutsche Bundestag debattieren und entscheiden, sagte Steg. Diese Entscheidung sei von so weit reichender und historischer Bedeutung, dass etwas anderes gar nicht denkbar sei.

Kritik an Stoiber und Westerwelle

Dieses Vorgehen begrüßte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Ulrike Merten (SPD) gegenüber stern.de. Was einen möglichen Einsatz der Bundeswehr an der geplanten UN-Friedenstruppe angeht, sprach sich Merten gegen "jede Art von Vorfestlegung, dafür oder dagegen" aus. Denn der genaue Rahmen dieser Friedensmission sei noch nicht klar erkennbar. Merten übte Kritik an CSU-Chef Edmund Stoiber und den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle, die eine Beteiligung deutscher Soldaten strikt ablehnen. "Das halte ich für nicht angemessen", sagte sie. Doch, so Merten, "Herr Stoiber ist Ministerpräsident von Bayern und am Ende wird es in Berlin entschieden und nicht in Bayern".

Auch Regierungssprecher Steg sagte, manche der öffentlichen Überlegungen seien vorschnell und unausgegoren. Deutschland habe ein unmittelbares nationales Interesse daran, dass es in der Region zu einem dauerhaften Frieden komme. "An welchen Aufgaben sich die Bundesrepublik am Ende beteiligen wird, lässt sich heute noch nicht abschließend sagen", so Steg. "Die Bundesregierung wird sich nicht zu frühzeitigen Festlegungen drängen lassen", betonte Steg. Zunächst müssten die UN-Truppenstellerkonferenzen in New York in dieser Woche abgewartet werden. Erst dann werde deutlich, welche Fähigkeiten von der Friedenstruppe erwartet würden.

Ulrike Merten pocht zudem auf den Parlamentsvorbehalt (Nur das Parlament darf einen Einsatz der Streitkräfte final entscheiden, Anm. d Red.) "Das letzte Wort wird das Parlament haben", sagte Merten. Doch die Entscheidung werde dem Parlament zwar "sehr, sehr schwer" fallen, denn eine Zusage für einen Einsatz der Bundeswehr im Nahen Osten habe "eine außerordentlich weit reichende Dimension", sagte Merten. "Aber wir haben eine historische Verantwortung gegenüber Israel und wenn wir die Möglichkeiten hätten, in der Region zum Frieden beizutragen, wäre es schwer unseren Beitrag nicht zu leisten" Sie könne sich aber auch vorstellen, dass Deutschland den Friedensprozess ohne Kampftruppen unterstützt, etwa mit der Entsendung von Sanitätern oder der Ausbildung von Sicherheitskräften, sagte Merten. "Wenn wir auch mit nicht-militärischen Mitteln helfen können, wären wir dankbar, aber ich denke, wir werde es uns nicht aussuchen können."

Der Sicherheitsrat der UN will im Libanon nach dem Ende der Kämpfe zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz bis zu 15.000 UN-Soldaten stationieren.

"Dürfen uns Bitte nicht entziehen"

Verteidigungsminister Franz Josef Jung erklärte, wenn die Bundesregierung um eine Beteiligung gebeten werde, dann "dürfen wir uns einer solchen Bitte nicht verweigern." Israels Ministerpräsident Ehud Olmert hatte ausdrücklich um die Entsendung deutscher Soldaten gebeten. "Es ist auch in unserem nationalen Interesse, dass wir hier eine Friedenssicherung mit in Betracht ziehen", sagte der CDU-Politiker Jung.

SPD-Parteichef Beck hatte bereits am Wochenende erklärt, es werde sicher kein Nein zu einer deutschen Beteiligung an der Friedenstruppe geben. "Was Kurt Beck gesagt hat, ist mit dem SPD-Präsidium abgestimmt worden, das ist sozusagen Präsidiumsmeinung", sagte SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler. Aber, so Stiegler, "ein gutes Drittel der Fraktion wird sich mit deutscher militärischer Beteiligung sehr, sehr schwer tun".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Innenminister Wolfgang Schäuble zeigte sich offen für eine Beteiligung der Bundeswehr. "Wir beteiligen uns ja in jedem Fall an den Bemühungen, Stabilität in die Region zu bringen - ob das nun mit Soldaten ist oder ob wir helfen bei der Grenzsicherung, das muss man im Einzelnen sehen", sagte der CDU-Politiker im ZDF.

Köhler: "Deutschland muss Verantwortung übernehmen"

Auch Bundespräsident Horst Köhler sagte Deutschland müsse "Verantwortung übernehmen im Rahmen auch europäischer UN-Beschlüsse". Dem Sender N24 sagte Köhler, Deutschland könne sich dieser Verantwortung nicht entziehen. Es müsse aber eine sorgfältige Diskussion geben.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Fritz Kuhn warnte vor "Schnellschüssen" bei einem möglichen Bundeswehreinsatz. Derzeit sei es fahrlässig, über den Einsatz deutscher Soldaten zu spekulieren. Linkspartei-Fraktionschef Oskar Lafontaine lehnte einen Einsatz ab.

Unterdessen machte sich Frank-Walter Steinmeier (SPD) wieder auf den Weg in den Nahen Osten. Es ist die dritte Reise des deutschen Außenministers in die Krisenregion innerhalb von vier Wochen. Anders als zuvor macht er aber diesmal auch Station in Syrien. Ohne dieses Land, so seine Überzeugung, ist ein dauerhafter Frieden im Nahen Osten kaum möglich. Steinmeier wird den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad treffen, dessen Land neben dem Iran als Unterstützer der Hisbollah gilt. Weitere Stationen sind Jordanien und Saudi-Arabien.

DPA · Reuters
mta/Reuters/DPA