Sozialdemokraten und Union haben nach der Europawahl in Deutschland Anspruch auf die Position des EU-Kommissionspräsidenten für ihre Spitzenkandidaten erhoben. David McAllister, Spitzenkandidat der Union sagte in der ARD, die Union habe "einen Baustein dafür gesetzt, dass die Europäische Volkspartei wieder stärkste Fraktion in Straßburg wird und Jean-Claude Juncker Präsident der Europäischen Kommission werden kann".
Mit Blick auf die europakritische Alternative für Deutschland sagte McAllister, die Union werde sich "mit den potenziellen Sorgen der Wähler der AfD auseinandersetzen". Man werde deutlich machen, dass die Partei auf komplexe europapolitische Fragen ganz einfache und damit falsche Antworten gebe. Die Union habe ihr Wahlziel - stärkste Kraft vor der SPD zu werden - klar erreicht. Dies sei auch eine Bestätigung der Politik der Union in Deutschland und in Europa.
Gabriel macht Anspruch geltend
Im Gegenzug reklamierte SPD-Parteichef Sigmar Gabriel nach den Zugewinnen seiner Partei das Amt für den sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Martin Schulz. "Wir werden im Parlament nur jemanden zum Präsidenten wählen können, der hier auch zur Wahl stand. Das ist eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit", sagte Gabriel in Berlin. Er wünsche den Abgeordneten und auch dem Europäischen Rat nun eine glückliche Hand.
Erfreut zeigte sich Gabriel über die höhere Wahlbeteiligung in Deutschland. "Die Menschen wussten, es geht um etwas", sagte er. "Sie wollten mitentscheiden, wer der nächste Präsident der Europäischen Kommission ist." Für diese Frage sei jetzt niemand anders als das europäische Parlament gefragt, sagte Gabriel: "Deren Entscheidung ist ein selbstverständlicher demokratischer Prozess."
Das prognostizierte Plus von sieben Prozentpunkten seien der größte Zugewinn, den die SPD bei einer deutschlandweiten Wahl jemals erreicht habe, sagte Gabriel. "Das Wahlergebnis hat einen Namen, und der lautet Martin Schulz. Das war wirklich ein großartige Wahlkampf für die europäische Sozialdemokratie. Wir sind superstolz darauf, dass Du einer von uns bist", sagte Gabriel an die Adresse von Schulz.
AfD-Chef Lucke: Keine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten
Der Chef der euroskeptischen AfD, Bernd Lucke, hat das Abschneiden seiner Partei als Denkzettel für die herkömmlichen politischen Kräfte gewertet. Die AfD sei mit der Europawahl "aufgeblüht als eine neue Volkspartei in Deutschland", sagte Lucke am Sonntag auf der Wahlparty seiner Partei in Berlin. Im Europaparlament wolle die AfD kritisch-konstruktiv mitarbeiten. "Man darf über Fehler nicht schweigend hinwegsehen", sagte Lucke. "Wir wollen Europa da loben, wo es gut ist, und dort kritisieren, wo es der Korrektur bedarf."
Lucke bestritt, dass seine Partei anti-europäisch oder rechtslastig sei. "Wir wollen das Wohl Europas", beteuerte er. "Wir sind die wahren Europäer." Den andere Parteien warf Lucke vor, die AfD im Wahlkampf "diffamiert" zu haben "als eine Partei, die rechtslastig sei". Die Familien der Kandidaten hätten im Wahlkampf deshalb "viele Entehrungen" hinnehmen müssen.

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Für ihn sei die AfD die "Partei des gesunden Menschenverstands", sagte Lucke. Im Eurpaparlament werde die AfD "nicht mit irgendwelchen rechtspopulistischen Parteien zusammenarbeiten".
Grüne jubeln, FDP entsetzt
Die Grünen sehen ihr Wahlziel bei der Europawahl erreicht. "Das ist ein Superergebnis", sagte Grünen-Co-Chefin Simone Peter auf der Wahlparty in Berlin nach Bekanntgabe der ersten Prognosen: "Wir Grüne sind wieder da." Die Partei habe als drittstärkste Kraft alle anderen hinter sich gelassen. Die Spitzenkandidatin der deutschen Grünen, Rebecca Harms, sagte: "Eindeutig. Wir sind raus aus den Kartoffeln."
Die FDP hat sich enttäuscht über die ersten Hochrechnungen zur Europawahl gezeigt. Es sei ein "hundsmiserables Ergebnis, wir haben alle mehr gehofft", sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki im ZDF. Das Ergebnis sei frustrierend. "Aber es haut uns nicht um." Die Partei habe unter anderem Probleme gehabt, medial in Erscheinung zu treten. Die FDP kam in der ersten Hochrechnung beim ZDF auf 2,9 Prozent.
Linkspartei verteidigt Kurs
Die Linkspartei hat ihren europakritischen Kurs im EU-Wahlkampf verteidigt. Mit einer erstarkten linken Fraktion im Europa-Parlament werde die Linke weiter für einen Kurswechsel in der europäischen Politik kämpfen, kündigte der stellvertretende Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, Dietmar Bartsch, in der ARD an. "Wir wollen, dass es ein Europa der Menschen wird und nicht der Banken und Konzerne. Ein soziales Europa, das Frau (Bundeskanzlerin Angela) Merkel nicht will." Dafür werde man auch nach Verbündeten auf europäischer Ebene suchen.
Seehofer: "Kein guter Tag für die CSU"
CSU-Chef Horst Seehofer hat eine tiefgreifende Analyse der schweren Niederlage bei der Europawahl angekündigt. "Dies ist kein guter Tag für die Christlich Soziale Union. Das Wahlergebnis zur Europawahl von heute ist für uns eine herbe Enttäuschung", sagte er am Sonntag in München. Eine genaue Analyse der Ursachen sei zunächst schwierig. Auffällig sei aber die in Bayern mit etwa 40 Prozent deutlich niedrigere Wahlbeteiligung als im Bund mit etwa 48 Prozent. Eine Umfrage habe die CSU vor zehn Tagen noch bei 47 Prozent gesehen. "Die entscheidende Frage ist, was ist in dieser Zeit geschehen." Die CSU war laut Hochrechnungen in Bayern von 48,1 Prozent bei der Europawahl 2009 auf nur noch 40 Prozent abgestürzt.