Es ist nicht gerade die feine Art, seinem Parteivorsitzenden zu empfehlen, die Klappe zu halten - insbesondere, wenn man mit ihm in einem zwölfköpfigen geschäftsführenden Parteivorstand weiterhin eng zusammenarbeiten will. Raju Sharma, Schatzmeister der Linken, hat es trotzdem gewagt. Nachdem sein Parteichef Klaus Ernst am Wochenende in einer Rede seine Kritiker zurechtgewiesen hatte, ohne Namen zu nennen, hielt Sharma in einem Zeitungsinterview dagegen: "Er soll sich konkret äußern oder die Klappe halten."
Neue Eskalationsstufe
Damit hob Sharma die seit den Wahlschlappen von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg laufende Personaldebatte in seiner Partei auf eine neue Eskalationsstufe. Ernst fühlte sich dadurch so tief getroffen, dass er seinen Osterurlaub unterbrach, und zusammen mit seiner Co-Vorsitzenden Gesine Lötzsch kurzfristig eine Sitzung des geschäftsführenden Parteivorstands einberief. Neun der zwölf Mitglieder kamen, darunter auch Sharma, der inzwischen aus der Führungsriege zum Rücktritt aufgefordert worden war.
Knapp vier Stunden saßen die Spitzen-Linken zusammen, zwischendurch gab es Pizza. Dann traten Lötzsch und Ernst vor die Presse und verkündeten den Osterfrieden. Der geschäftsführende Vorstand sei sich einig gewesen, dass Personaldebatten schädlich seien, sagte Ernst. "Deswegen haben wir dort vereinbart, damit aufzuhören." So einfach soll das auf einmal sein.
Sharma zog in der Sitzung seine "schnodderige Bemerkung" in dem Zeitungsinterview zurück. Er sprach anschließend von einem "konstruktiven Gespräch". Seiner derben Äußerung konnte er immerhin noch etwas Gutes abgewinnen: Die heftigen Worte hätten es ermöglicht, "jetzt ernsthaft (...) über die möglichen Konflikte zu sprechen".
Eine Personaldebatte, die keiner will
Appelle, auf eine Personaldebatte zu verzichten, hatte es in den vergangenen Wochen immer wieder geben - sie blieben alle wirkungslos. Losgetreten wurde die Diskussion ausgerechnet vom mächtigsten Mann in der Partei: Gregor Gysi. Der Fraktionschef gilt als einziger in der Partei, der genügend Autorität aufweist, die Reihen auch in Krisensituationen zu schließen. Nach den Wahlschlappen tat er das Gegenteil, indem er ein Comeback des Ex-Parteichefs Oskar Lafontaine ins Gespräch brachte. Gysi wollte mit dem "Schreckgespenst" Lafontaine die ostdeutschen Realos in der Partei von Angriffen auf das Führungsduo abhalten. Er erreichte das Gegenteil.
Lötzsch und Ernst fühlten sich gemobbt, viele Mitglieder der weiteren Führungsriege waren irritiert, ein Landeschef drohte mit Rücktritt, weil ihm der Umgang untereinander in der Parteiführung missfiel. Ernst versuchte am Samstag den Befreiungsschlag mit seiner deftigen Rede auf dem Hamburger Parteitag. Er sprach von "innerparteilichen Schlammschlachten", die "gezielt in der Öffentlichkeit ausgetragen" würden. "Diese Debatte kotzt unsere Mitglieder an."

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Gefahr aus Bremen
Es folgten die Reaktion Sharmas, die Krisensitzung des geschäftsführenden Vorstands und der Osterfriede. Wie lange der hält, muss sich erst noch zeigen. In einem Monat wird in Bremen gewählt. Dort zog die Partei vor vier Jahren erstmals in einen westdeutschen Landtag ein. Sollte sie nun in dem Zwei-Städte-Staat wie zuletzt in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, könnte die Debatte erneut aufflammen.