Die CSU ist mit ihrem europapolitischen Kurs auf scharfe Kritik in der Schwesterpartei gestoßen. Zum Start der traditionellen Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im oberfränkischen Kloster Banz forderten Politiker der CDU Parteichef Horst Seehofer zum Einlenken auf. Das Thema dürfte ein Schwerpunkt bei den Gesprächen der CSU-Führung mit Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sein, die an der zweitägigen Klausur teilnehmen wird.
In der Europapolitik fordert die CSU mehr Mitbestimmung für Bundesrat und Bundestag. Dies wurde am Dienstag unter anderem vom CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok scharf kritisiert. "Von diesen Plänen halte ich sehr wenig", sagte Brok im ARD-Morgenmagazin. Deutschland würde seine Handlungsfähigkeit in Brüssel verlieren, sollte sich Seehofer mit seinen Forderungen durchsetzen.
Beschimpfungen zwischen Brok und Dobrindt
Beide Seiten greifen sich mittlerweile persönlich an: CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt attackierte am Dienstag Brok, weil dieser ihm unterstellt hatte, "keine Ahnung" zu haben. Die CSU verlangt die Rückübertragung von EU-Zuständigkeiten auf die Nationalstaaten. Brok hatte dazu erklärt, das sei sowieso schon im Lissaboner Vertrag vereinbart. Darauf konterte Dobrindt: "Die Ahnungslosigkeit liegt definitiv bei Herrn Brok." Die Rückführung von Kompetenzen habe auch im gemeinsamen EU-Wahlaufruf von CDU und CSU gestanden, "den auch Herr Brok kennen sollte". "Brok ist einer der Gründe, warum viele Menschen ein ungutes Gefühl im Bauch haben, wenn sie an Brüssel denken", sagte Dobrindt.
Den Verlust der Handlungsfähigkeit, sollte sich die CSU mit ihren Forderungen durchsetzen, befürchtet auch der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Werner Langen. "Die Bundesregierung muss in Brüssel handlungsfähig und verhandlungsfähig bleiben. Ein imperatives Mandat für den Bundestag kann es nicht geben. Das würde Deutschland zur lahmen Ente in der EU machen", sagte er dem "Münchner Merkur". Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Andreas Schockenhoff, warnte die CSU davor, durch neue Mitbestimmungsregeln die Zuständigkeiten in der Europapolitik zu verwischen: "Der Bürger muss auch in Zukunft klar erkennen können, wo die Verantwortung liegt."
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), sagte im SWR, er halte es für falsch, die Europapolitik der Bundesregierung immer den Weisungen von Bundestag und Bundesrat unterwerfen zu wollen. Wenn Deutschland in der EU ein ernstzunehmender Verhandlungspartner bleiben wolle, dürfe der Regierung in Brüssel nicht jeglicher eigener Spielraum genommen werden.
Hintergrund der Debatte ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das den EU-Reformvertrag nur unter Auflagen gebilligt hatte. Zwar erklärte Karlsruhe das Vertragswerk für verfassungskonform. Zugleich verlangten die Richter aber eine Stärkung der Mitbestimmungsrechte deutscher Parlamentarier bei wichtigen EU-Entscheidungen. Erst nach einer entsprechenden Gesetzesänderung darf die Bundesrepublik dem Vertrag zustimmen.

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Steuern: CDU will keinen Zeitpunkt, CSU besteht darauf
Streit gibt es zudem über die Steuerpolitik. CSU-Generalsekretär Dobrindt verteidigte die Forderung seiner Partei nach Steuersenkungen bereits von 2011 an. "CDU und CSU haben im gemeinsamen Wahlprogramm Steuerentlastungen festgelegt und zwar in zwei Stufen in der nächsten Legislaturperiode", sagte Dobrindt dem "Hamburger Abendblatt". "Das geht nur 2011 und 2012 oder 2012 und 2013. Die CSU legt sich auf 2011 und 2012 als Zeitpunkte für weitere Steuersenkungen fest."
Spitzenpolitiker der CDU hatten sich zuvor über die Festlegung auf ein Datum verärgert gezeigt. Dieser Kritik schloss sich Ministerpräsident Böhmer im SWR an. Wer im Bundestagswahlprogramm ein Datum für Steuersenkungen in Aussicht stelle, handle "nicht korrekt".