Die Affäre um Profite von Bundestagsabgeordneten bei der Beschaffung von Corona-Masken bringt die Union massiv in Bedrängnis. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein und der CDU-Parlamentarier Nikolas Löbel kündigten am Sonntag zwar an, als Konsequenz aus den Vorwürfen im September nicht mehr für den Bundestag zu kandieren. Beide wollen ihr Mandat aber vorerst behalten – gegen den Willen von Partei- und Fraktionsführung. Sie erklärten lediglich ihren Austritt aus der Unionsfraktion.
CDU-Chef Armin Laschet und der Vorsitzende der Unionsfraktion, Ralph Brinkhaus, verlangten den sofortigen Rückzug. "Wer als Volksvertreter versucht, in dieser Krise für sich persönlich Geld zu verdienen, muss das Parlament unverzüglich verlassen", sagte Laschet dem "Südkurier". CSU-Chef Markus Söder twitterte: "Alle Betroffenen sollten umgehend reinen Tisch machen und grundlegende Konsequenzen ziehen. Alles andere beschädigt das Vertrauen in die Politik."
So kommentiert die deutsche Presse die Maskenaffäre
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Für die CDU, die in Baden-Württemberg, dem Heimatverband Löbels, und in Rheinland-Pfalz in einer Woche eine Wahl zu bestehen hat, ist die Affäre ein bitterer Schlag am Ende zweier für sie ohnehin schwieriger Wahlkämpfe. Nun gleich wie die Grünen in Berlin von einem 'Bestechungsskandal' zu sprechen gehört zu den üblichen Übertreibungen in Wahlkampfzeiten. Schon fallen weitere Namen von Abgeordneten, die unter Generalverdacht gestellt werden, sich nicht einfach nur dafür eingesetzt zu haben, dass Mangelware endlich für jedermann und jederzeit günstig zu haben ist. Auch das gehört zu den Dingen, die in dieser Krise wie unter einem Brennglas allzu deutlich werden: Es gibt die Kriegsgewinnler, es gibt aber auch die Skandalgewinnler. Schaden richten beide an."
"Freie Presse" (Chemnitz): "Für die größte Regierungsfraktion in Berlin kommt die Affäre zu einer Zeit, da die Corona-Politik des Bundes so stark in der Kritik steht wie noch nie. Ganz gleich, ob es um das Impf-Management oder die Teststrategie geht – die Kritik ist stets mit CDU-Politikern verbunden. Allen voran Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Deshalb kann es für die Partei und die gesamte Union nur eines geben: die Maskenaffäre so schnell wie möglich abschütteln. Das geht nur über den sofortigen Rücktritt von Nüßlein und Löbel. Nicht zuletzt aber untergräbt die persönliche Bereicherung in der größten Krise dieser Generation das Vertrauen in den politischen Betrieb insgesamt. Das ist der größte Schaden. Und noch ist nicht klar, wie lange er nachwirken wird. In einem halben Jahr stehen auch im Bund Wahlen an. Für alle, die sich unermüdlich und redlich für die Überwindung der Coronapandemie einsetzen, sind es besonders bittere Tage."
"Schwäbische Zeitung" (Ravensburg): "Die Maskenaffäre verstört die Bundesrepublik. Das schon ramponierte Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik leidet. Die Vorgänge um angeblich gezahlte Provisionen und angeblich hinterzogene Steuern wirken wie ein Brandbeschleuniger des Misstrauens. Wo Solidarität wünschenswert ist, sehen manche Politiker die Chance, durch die Verquickung von Mandat und Profitgier Geld herauszuschlagen. Falls die Noch-immer-Abgeordneten Löbel und Nüßlein tatsächlich Provisionen für die Vermittlung von Maskenlieferungen genommen haben, müssen sie sich fragen lassen, ob dies nicht Teil des Mandats ist, für das sie bereits bezahlt werden. Falls die Herren auch Steuern hinterzogen haben, haben sie die Bürger schlicht betrogen. Sollten sie geglaubt haben, dass ihre Machenschaften unentdeckt bleiben, dann waren sie nicht nur kriminell, sondern dumm. Nur Tage vor wichtigen Landtagswahlen kommen Mandatsträger mit krimineller Energie für die Union zur absoluten Unzeit."
"Neues Deutschland" (Berlin): "Krisenzeiten bieten immer auch Gelegenheiten, großen Profit aus ihnen zu schlagen. Da muss es schnell gehen, da wird, zunächst zumindest, nicht so genau hingeschaut. Die Maskenbeschaffung des Bundes in der Corona-Pandemie steht dafür exemplarisch – besonders umtriebige Abgeordnetenexemplare der Union mit Unternehmenshintergrund stolpern dort gerade drüber. Dass die der Korruption zumindest verdächtig nahe scheinenden Vorgänge ans Licht kommen, ist das einzig Gute an den Vorgängen. Schlecht ist, neben offenbar vorliegender Skrupellosigkeit, dass der nötige Druck aus der Partei zum Rücktritt – der dann auch nur scheibchenweise erfolgt –, ohne anstehende Wahlen wohl viel sanfter ausfallen würde. Geradezu lächerlich scheint dabei aber die formulierte 'Sorge' um 'drohenden Vertrauensverlust': Vertrauen kommt zu Fuß und flieht zu Pferde – und die Silhouette dieses Reiters ist nur noch in sehr weiter Ferne zu erahnen."
"Handelsblatt" (Düsseldorf): "Man sollte mit einem Vokabular wie 'Versagen' immer behutsam umgehen. Aber anders als mit dem Wort Politikversagen lässt sich die Performance der Union kaum mehr umschreiben. Die Corona-Hilfen von Wirtschaftsminister Peter Altmaier? Kommen mit großer Verspätung an. Die Impfkampagne? Misslungen. Die Teststrategie von Gesundheitsminister Jens Spahn? Obwohl ein Jahr Zeit war, null vorbereitet. Als ob das nicht reicht, machten einzelne Unionspolitiker bei Geschäften mit Schutzausrüstung auch noch Kasse. Und die Union ging mit den inzwischen diversen Korruptionsaffären zunächst erschreckend sorglos um. Statt sofort Konsequenzen zu ziehen, kündigten die betroffenen Politiker zunächst nur an, nicht mehr zu kandidieren."
"Süddeutsche Zeitung": "Menschlich kann einem Nikolas Löbel gerade zwar sogar leidtun. Wilder digitaler Furor, gewiss auch ekelhafter Hass schlagen ihm entgegen. Politisch allerdings geht der Schaden, den der Abgeordnete verursacht, weit über dessen Karriere hinaus. Mögen Vorgänge wie der um Nikolas Löbel selbst in der CDU nur bedingt systematisch und in der Sache jeweils noch genau aufzuklären sein – ihr bloßer Anschein hat schon jetzt real wirksame Konsequenzen für alle Mandatsträger und damit das ganze Land. Man kann sich Bundestagswahlkämpfer egal welcher demokratischen Parteien vorstellen, die in ihren Kreisen im Herbst Mandate gegen die AfD verteidigen oder zurückgewinnen wollen. Man kann sich vorstellen, wie bei ihnen am Stand auf dem Markt der Name Löbel fällt und wie Passanten dann abwinken mit dem Vorwurf, 'die in Berlin' machten sich doch nur selbst die Taschen voll."
"Augsburger Allgemeine": "Wenn politische Karrieren skandalträchtig enden, wird hinter den Kulissen oft eine Lösung gesucht, mit der die Beteiligten irgendwie ihr Gesicht wahren können. Nun ist der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein über ein dubioses Masken-Geschäft gestolpert und hat am Freitag verkünden lassen, er werde nicht noch einmal für das Parlament kandidieren. Dass er – genau wie sein CDU-Kollege Nikolas Löbel – trotzdem noch bis zum Ende dieser Legislaturperiode im Amt bleiben will, kann man entweder wohlwollend mit dem Versuch erklären, dass da einer sein Gesicht wahren will. Wohl eher aber muss man konstatieren, dass da jemand gar nichts begriffen hat."
"Neue Osnabrücker Zeitung": "Auch wenn die juristische Aufklärung der Fälle noch aussteht: Fest steht, Nüßlein und Löbel waren während der größten Krise des Landes seit Langem offenbar nicht mit ihrer Bewältigung beschäftigt, sondern hatten das eigene Portemonnaie im Blick. Ihr Handeln war instinktlos und kostet das Vertrauen vieler Bürger in einer Phase, in der es besonders gebraucht wird. Die sofortige und deutliche Distanzierung der Parteiführung kann den Schaden für die Union insgesamt kaum begrenzen. Die Wahlkämpfer der CDU in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die am nächsten Wochenende Landtagswahlen gewinnen wollen, sehen ihre Felle davonschwimmen."
"Nürnberger Zeitung": "Der Fall zeigt, dass es unverständlicherweise noch immer Abgeordnete gibt, deren Sensorium für das, wie sich Politiker zu verhalten haben, unterentwickelt ist. Der Fall zeigt aber auch beispielhaft, wie viel Geld in Krisenzeiten selbst mit eher einfach gestrickten Vermittlungsgeschäften zu verdienen ist."
"Rhein-Neckar-Zeitung": "Die Unionspolitiker Georg Nüßlein und Nikolas Löbel läuten mit ihrer Gier eine äußerst gefährliche Phase für die Union ein. Sie demontieren ihre Regierungspartei. Dass ein Schwarzer im Herbst ins Bundeskanzleramt einziehen wird, ist durch den Maskenskandal nämlich mit einem Schlag weniger wahrscheinlich geworden. Die Alternative bei der Merkel-Nachfolge heißt jetzt nicht mehr Söder oder Laschet, sondern Scholz (oder Habeck). Was die Union in dieser Situation bietet, sind Abgeordnete, die sich mitten in der größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg selbst bereichern. Das ist so abstoßend wie parteischädigend. Und sollten Nüßlein und Löbel nicht schurstrack den Bundestag verlassen, bleibt nur der Parteiausschluss. Anders wird die dringend notwendige politische Hygiene nicht herzustellen sein. Gemessen an den harschen Reaktionen aus CDU und CSU, ist das auch allen bewusst."
"Reutlinger Anzeiger": "Besonders verwerflich erscheinen die beiden Fälle, weil hier die Corona-Pandemie ausgenutzt wird, um Reibach zu machen. Derlei mindert das Vertrauen in die Gesundheitspolitik und die von ihr erlassenen Regeln genau dann, wenn Glaubwürdigkeit am dringendsten gebraucht wird. Während Tausende Bürger, etwa in den Gesundheitsberufen, Leib und Leben riskieren, um infizierten Menschen zu helfen und sie zu retten, hatten Nüßlein und Löbel den eigenen Profit im Blick. Ihr weiteres Verbleiben in ihren Ämtern wäre schwer zu ertragen."
"Mittelbayerische Zeitung": "Für die CDU im Wahlkampfland Baden-Württemberg ist das Unwesen ihres Mitglieds Nikolas Löbel eine politische Katastrophe – so wie 2011 der Reaktorunfall im japanischen Fukushima eine war. Denn so unvergleichlich die realen Ereignisse sind, so vergleichbar könnten die negativen politischen Konsequenzen sein. Die Ereignisse sprechen für sich. Kommen bei gleichbleibendem Corona-Chaos weitere Skandale um Corona-Schutzausrüstung ans Licht, dann dürfte die Wucht der Geschehnisse bis zur Bundestagswahl reichen – mit welchem Ausgang auch immer."
"Hannoversche Allgemeine Zeitung": "Der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Mannheim, der sich zuletzt dem einträglichen Maskengeschäft widmete und dabei 250.000 Euro kassierte, legt sein Mandat nieder. Bei der Bundestagswahl tritt der 34- Jährige nicht wieder an. Dennoch gilt: Bei CDU und CSU ist Panik ausgebrochen - zu Recht. Die Verantwortlichen ahnen, dass da noch mehr kommen könnte. Und sie ahnen, dass sie mehr tun müssen, um den in der Corona-Krise anschwellenden Zorn zu besänftigen - wenn das denn überhaupt noch irgendwie funktionieren sollte."
"Rhein-Zeitung" (Koblenz): "Für die Regierungsfraktion von CDU/CSU ist dieses Verhalten eines oder mehrerer ihrer Mitglieder eine moralische Bankrotterklärung. Es kann der Union nachhaltig schaden. Die Maskenaffäre ist für die Union insgesamt ein Desaster, das dazu beitragen kann, dass sie bis zur Bundestagswahl weiter gefährlich an Rückhalt verliert. Möglicherweise ist das Rennen um die Kanzlerschaft bald offener, als es bisher ausgesehen hatte."
"Südkurier" (Konstanz): "Ist es mangelnder Instinkt? Ist es Geldgier? Oder beides zusammen? Erst stolpert CSU-Mann Georg Nüßlein über einen dreisten Fall von Lobbyismus in eigener Sache, jetzt folgt sein CDU-Kollege Nikolas Löbel. Politiker machen aus der Krise ein Geschäft und kassieren bei der Vermittlung von Schutzmasken. Was sich die beiden Abgeordneten geleistet haben, untergräbt in schwerer Zeit das Vertrauen in die politisch Verantwortlichen und bestärkt alle, die hinter der Corona-Pandemie ohnehin nur eine große Verschwörung wittern. Daher kann sich die Union nicht deutlich genug von solchen Mitstreitern abgrenzen - zumal der CDU mehrere Landtagswahlen und eine Bundestagswahl im Nacken sitzen. Vor allem darf sie sich nicht mit Hinhaltetaktiken abspeisen lassen. Mit Löbels Ankündigung, nach der Bundestagswahl nicht wieder anzutreten, kann sich niemand zufriedengeben. Hier ist ein Komplett-Rücktritt fällig - unverzüglich. Die Union muss reinen Tisch machen, bevor ein Untersuchungsausschuss es tut.
"Freie Presse" (Chemnitz): "Für die größte Regierungsfraktion in Berlin kommt die Affäre zu einer Zeit, da die Coronapolitik des Bundes so stark in der Kritik steht wie noch nie. Ganz gleich, ob es um das Impf-Management oder die Teststrategie geht - die Kritik ist stets mit CDU-Politikern verbunden. Allen voran Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Deshalb kann es für die Partei und die gesamte Union nur eines geben: die Maskenaffäre so schnell wie möglich abschütteln. Das geht nur über den sofortigen Rücktritt von Nüßlein und Löbel. Nicht zuletzt aber untergräbt die persönliche Bereicherung in der größten Krise dieser Generation das Vertrauen in den politischen Betrieb insgesamt. Das ist der größte Schaden. Und noch ist nicht klar, wie lange er nachwirken wird. In einem halben Jahr stehen auch im Bund Wahlen an. Für alle, die sich unermüdlich und redlich für die Überwindung der Coronapandemie einsetzen, sind es besonders bittere Tage."
"Allgemeine Zeitung" (Mainz): "Alle Parteien müssen rasch in ihren Reihen nach weiteren zwielichtigen Geschäften fahnden und Konsequenzen ziehen, sobald auch nur der leiseste Verdacht besteht. Allen voran gilt das natürlich für die Union. (...) Schafft die Union nicht die Abgrenzung von unsauberen Geschäften, hat sie vielleicht kommendes Wochenende ein Problem - bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg."