Rücktritt Kauder folgt auf Meyer

"Einen zweiten Fehlgriff kann sich Angela Merkel nicht leisten." Mit diesen Worten trat Laurenz Meyer vor vier Jahren sein Amt an. Nun nimmt der CDU-Generalsekretär nach einer Gehaltsaffäre seinen Hut. Nachfolger soll nach Willen Angela Merkels Volker Kauder werden.

Die Pressekonferenz in Berlin war kurz, keine fünf Minuten lang. Nach dem Ende enteilte der Neu-Ex-Generalsekretär flugs, Nachfragen waren unmöglich. Er gehe nicht im Zorn, sagte Laurenz Meyer zu seinem Abschied und er hinterlasse ein gut bestelltes Feld - mit diesen Worten ist er am Mittwochmittag von seinem Amt als Generalsekretär der CDU zurückgetreten.

Die Schmerzgrenze ist überschritten

Meyer sagte am Mittwoch vor Journalisten in Berlin, er habe festzustellen, dass er in einer Situation sei, in der seine Arbeit der CDU mehr schade als nütze. "Zudem sehe ich, dass die Schmerzgrenze bei denen, für die ich als Vater und Freund Verantwortung trage, überschritten ist." Eine Bewertung seines Verhaltens in der Affäre um den Doppelbezug von Leistungen durch seinen früheren Arbeitgeber RWE und der Partei vermied Meyer ebenso wie ein Eingeständnis von Fehlern.

Meyer sagte, er habe seine Entscheidung vor dem Hintergrund der Fragen getroffen, was der Partei und Merkel nütze und was er persönlich bereit sei, zu tragen. Merkel danke er aufrichtig für die Zusammenarbeit. Sie könne auch künftig auf ihn bauen.

Exodus der Spitzenkräfte

2004 musste die CDU und ihre Vorsitzende Angela Merkel eine Reihe schwer wiegender Rück- und Abtritte von Spitzenfunktionären der Partei verkraften.

Wolfgang Schäuble

verliert am 4. März nach parteiinternen Vorbehalten die bereits sicher geglaubte Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten an Horst Köhler. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte Schäuble vorgeschlagen.

Friedrich Merz

kündigte am 12. Oktober an, seine Ämter in Partei- und Fraktionsspitze der Union niederzulegen. Der 48-Jährige galt seit der Bundestagswahl 2002, als er die Fraktionsführung an Merkel abgeben musste, als ihr Widersacher.

Horst Seehofer

tritt wegen des Gesundheitsstreits in der Union am 22. November als stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag zurück. Seehofer gilt als schärfster Kritiker des Gesundheitskompromisses der Union. Er begründete seinen Schritt mit fehlendem Rückhalt in der Unionsspitze.

Hermann Josef-Arentz

wird wegen eines umstrittenen Arbeitsvertrages mit dem RWE-Konzern am 6. Dezember nicht mehr ins Parteipräsidium gewählt. Kurz darauf legt er seine wichtigsten politischen Ämter nieder. Arentz, Chef des Arbeitnehmerflügels der CDU, hatte im Rahmen seinen RWE-Vertrages seit Mitte der 90er Jahre ohne erkennbare Arbeitsleistung rund 60.000 Euro jährlich kassiert.

Zuletzt waren vor allem aus seinem im Vorwahlkampf stehenden Landesverband Nordrhein-Westfalen Forderungen laut geworden, Meyer müsse ungeachtet der noch zu Wochenbeginn von Merkel abgegebenen Solidaritätserklärung sein Amt niederlegen. Der 56-Jährige war seit November 2000 Generalsekretär der CDU und hatte sich mit aggressiven Angriffen auf die rot-grüne Koalition und ihre Spitzenvertreter hervorgetan. Er war in seiner Funktion wichtigster Mitstreiter von Merkel, die Anfang der Woche erklärt hatte, sie wolle weiter mit Meyer zusammenarbeiten, obwohl er einen Fehler begangen habe.

Meyer stand wegen der Affäre seit Tagen massiv unter Druck. Er hatte eingeräumt, über Monate zeitgleich Gehalt sowohl vom Energiekonzern RWE als auch von der CDU bezogen zu haben. Er hatte als Mitarbeiter der RWE-Tochter VEW zudem Energie zum günstigen Personal-Tarif bezogen. Später räumte er ein, als Abfindung von 250.000 Mark bekommen und behalten zu haben, obwohl er in das Unternehmen zurückgekehrt war. Einen Teil der Summe will Meyer dem SOS-Kinderdorf spenden.

"Einen zweiten Fehlgriff kann sich Merkel nicht leisten"

Der Diplomvolkswirt Meyer hatte seine politische Laufbahn in Nordrhein-Westfalen begonnen, wo er von Februar 1999 bis Mai 2000 Chef der CDU-Landtagsfraktion war. Nach der verlorenen Landtagswahl im Frühjahr 2000 wurde er Landtags-Vizepräsident, ehe ihn Merkel als CDU-Generalsekretär nach Berlin holte.

Schon sein Amtsantritt in Berlin war von einem Fauxpas begleitet. "Einen zweiten Fehlgriff kann sich Angela Merkel nicht leisten", hatte Meyer den Rücktritt seines ebenfalls aus NRW kommenden Vorgängers Ruprecht Polenz kommentiert, der das Amt nur kurz Zeit bekleidet hatte.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Kauder kennt die Partei wie seine Westentasche

Nachfolger von Meyer soll nach Willen von CDU-Chefin Angela Merkel der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Volker Kauder, werden. Merkel sagte, Kauder kenne aus seiner bisherigen Arbeit in der Bundestagsfraktion und in der baden-württembergischen CDU die Partei "wie seine Westentasche". "Ich freue mich auf eine vertrauensvolle, auf eine hoffentlich erfolgreiche Zusammenarbeit", so Merkel.

Kauder sagte, er nehme die Herausforderung an. Er werde sich seiner neuen Aufgabe mit "ganzer Kraft und ganzem Engagement" widmen. "Ich freue mich auf die neue Aufgabe." Kauder rief die Partei auf, ihre "Kampfkraft" zu vereinen. Jetzt gehe es darum bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen den ersten Schritt zum Erfolg bei der Bundestagswahl 2006 zu machen. Die Arbeit Meyers habe er mit "großem Respekt und freundschaftlich" verfolgt, so Kauder.

Die Reaktionen auf den Rücktritt fielen eindeutig aus, vor allem in der Union ist die Erleichterung zu spüren. So bezeichnete Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) Meyers Rückzug als hilfreich. "Die Partei, gerade in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, wird erleichtert sein", sagte er mit Blick auf die dortigen Landtagswahlen im nächsten Jahr. Ebenfalls erleichtert aber auch respektvoll kommentierte der schleswig-holsteinische CDU-Landesvorsitzende Peter Harry Carstensen den Fall Meyer: Er habe gute Arbeit für die Partei geleistet, aber "wir hätten uns eine Hängepartie nicht erlauben können", sagte Carstensen.

Jürgen Rüttgers, nordrhein-westfälischer CDU-Vorsitzender und Spitzenkandidat, der in dieser Woche nachdrücklich auf eine Ablösung Meyers gedrungen hatte, zollte der Entscheidung Meyers Respekt. Meyer sei ein guter Generalsekretär gewesen, "der das Reformprofil der CDU maßgeblich mitgestaltet hat".

Angela Merkel sagte zum Thema Meyer, mit seinem Rücktritt habe er umgesetzt, "was uns leitet im Konrad-Adenauer-Haus, dass an erster Stelle das Wohl der Partei steht". Sie verteidigte zudem ihrem Entschluss am Montag zunächst an Meyer festzuhalten. Sie habe abgewogen zwischen einer schwierigen Situation und einer langjährigen freundschaftlichen Zusammenarbeit. Meyer und ihr sei am Montag der Ernst der Lage bewusst gewesen.

Die SPD spricht, wenig überraschend, von einer "weiteren Niederlage" für Angela Merkel. Nicht die CDU-Vorsitzende, sondern die Parteibasis habe diesen Schritt erzwungen, sagte SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter. Merkel habe das politische Gespür gefehlt, "ihren längst untragbar gewordenen Generalsekretär zu feuern". Nach Friedrich Merz und Horst Seehofer sei nun auch ihr engster Vertrauter abgetreten. "Es wird einsam um Merkel", so Benneter.

Auch die Grünen haben den Rücktritt von CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer begrüßt. Die Entscheidung sei überfällig gewesen, sagten die Vorsitzenden der Grünen-Bundestagsfraktion Katrin Göring-Eckardt und Krista Sager. Dass der Rücktritt durch öffentlichen Druck und gegen den Willen der CDU-Parteichefin Angela Merkel erzwungen worden sei, offenbare ein bedenkliches Verhalten in einer Partei, die versucht habe, dem Land eine "scheinheilige Wertedebatte aufzuzwingen".

Reuters
Mit Material von DPA/Reuters

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